BLKÖ:Łoziński, Valerian

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Łoziński, Joseph
Band: 16 (1867), ab Seite: 99. (Quelle)
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Łoziński, Valerian (Schriftsteller, geb. zu Mikolajow im Stryer Kreise Galiziens 15. Jänner 1837, gest. zu Lemberg 31. Jänner 1861). Den ersten Unterricht erhielt er in der Schule zu Lemberg, wo er auch die unteren Gymnasialclassen besuchte; später als seine Eltern, Ł.’s Vater war Postmeister, nach Smolnica bei Sambor übersiedelten, setzte er seine Studien an dem dortigen Gymnasium fort. Lebhaften Geistes, zur Satyre hinneigend, vergaß er sich, einen seiner Lehrer zum Gegenstande seiner satyrischen Gefühlsäußerungen zu machen, und die Folge davon war, daß er aus dem Gymnasium ausgeschlossen wurde. Er setzte nun seine Studien privat fort und unterzog sich den erforderlichen Prüfungen. In der achten Classe begann er aber wieder öffentlich die Schule zu besuchen und gerieth von Neuem in schlimme Verwicklungen. Der politische Geist, der sich seit 1848 der Jugend bemächtigt, bildete auch unter den Samborer Gymnasiasten Parteiungen und gab es dort, wo die Neutralität selbst die Bevölkerung in zwei Hälften schied: in jene der Ruthenen und der Polen, mehr Anlaß zu politischen Kundgebungen als sonst irgendwo. Łoziński, obgleich von Geburt ein Ruthene, konnte sich nicht mit ihren Ansichten befreunden, ja vielmehr ihre Zwecke verwerfend, nahm er einen feindseligen Standpunct gegen seine Collegen an, denen er mit seinen satyrischen Ergüssen vielfachen Aerger bereitete. Dadurch hatte er dieselben so sehr gegen sich aufgebracht, daß sie eine förmliche Klageschrift gegen ihn beim Director einreichten, welcher die Sache sehr ernst aufnahm und eine Untersuchung einleitete, zu welcher aus Lemberg eine besondere Commission abgeschickt wurde. Das Endergebniß derselben war. daß für Łoziński die Fortsetzung der Studien, kurz die Vollendung der wissenschaftlichen Ausbildung auf dem durch die Gesetze vorgeschriebenen Wege unmöglich wurde. Es mußte hier dieses Umstandes ausführlicher gedacht werden, denn so erklärt es sich, wie Ł. eben Schriftsteller wurde. Ł. lebte nun zurückgezogen im väterlichen Hause, setzte im Stillen durch eigene Studien seine Ausbildung fort und begann, so jung er war, für Journale zu schreiben. Aus Smolnica bei Sambor, wo er lebte, schickte er kleinere Aufsätze für die polnische Zeitung „Telegraf“, in welcher sie ihrer humoristischen Färbung wegen willige Aufnahme fanden, dann auch für den „Przyjaciel ludu“, d. i. der Volksfreund und für die „Nowiny“, d. i. Neuigkeiten. Eine größere fantastische Erzählung, wozu ihm eine in der Nähe seines ländlichen Aufenthaltes gelegene, durch ihre groteske Gestaltung bekannte Felsengegend den Stoff gab, und die er in jener Zeit unter dem Titel „Kamień w Spasie“, d. i. der Felsen zu Spas, wieder Ort hieß, wo sich die Natur in ihrer originellen Laune ganz hatte gehen [100] lassen, vollendet hatte, blieb ungedruckt. Für Ł. selbst ist sie in so fern bemerkenswerth, als er mit ihr sein poetisches Formtalent erprobte. So hatte Ł. längere Zeit gearbeitet und sich so zu sagen mit diesen Arbeiten, die bald mehr, bald weniger gefielen, in den literarischen Kreisen seiner Heimat selbst eingeführt, als ihn der Umstand, daß sein Vater Mandatar der Güter des Herrn Anton Sozańsky wurde, auf ein Gebiet führte, auf welchem er bald jenen Stoff fand, der seine eigentliche Stärke wurde. Der ununterbrochene Verkehr mit dem Volke, der die Stelle eines Mandatars eigentlich bedingt, die Einblicke, die sich dabei dem Beobachter in das Leben, die Sitten und Eigenthümlichkeiten der Personen, mit denen er in steter Verbindung steht, eröffnen, alles dieß gewann für Ł. einen solchen Reiz, daß er seinem Vater in diesem Geschäfte mit großem Eifer an die Hand ging. Aber Ł. that noch mehr als das, er machte Studien und zunächst war es die sogenannte, in Polen verpönte und mit Recht verachtete Szlachta chodaczkowa, das ist der in manchen Gegenden stark verbreitete niedere arme Landadel, dessen Grundtypus vielleicht nach einer Seite in dem spanischen Don Ranudo de Colibrados zu suchen wäre, den Łoziński unter die Loupe seines Scharfblickes legte und seine Species in allen ihren Nuancen studirte. Voll von diesen Eindrücken mochte er im Elternhause doch in Conflicte gerathen sein, die ihn bestimmten, den Eltern nicht länger zur Last zu fallen. Und so schnürte Ł. im Jahre 1855 sein Bündel, ging auf gut Glück und im Vertrauen auf sein Talent nach Lemberg. Dort fand er in einem Verwandten von mütterlicher Seite, der gleich Ł. dieselbe Schule durchgemacht und sich selbst zu einem geachteten Geschichtschreiber und Schriftsteller emporgearbeitet hatte, an Karl Szajnocha einen Freund und Rathgeber in der Noth, die glücklicher Weise noch gar nicht begonnen hatte, da er bald die Stelle als Mitarbeiter bei dem in Lemberg erscheinenden Journale Gazeta lwowska, d. i. Lemberger Zeitung, erhielt. Die freundschaftlichen Beziehungen, in welchen Szajnocha zur Lemberger Journalistik seit Jahren stand, hatten wesentlich zu dieser glücklichen Wendung der Dinge beigetragen. Die erste größere Arbeit, mit der nun Ł. vor das Publicum trat, war die Erzählung: „Szlachcic chodaczkowy“, welche zuerst im literarischen Tageblatt (Dziennik literacki), bald aber in besonderer Ausgabe (Lemberg 1857, bei Wild) erschien. Die nächste Arbeit, welche Ł. folgen ließ, war „Szaraczek i Karmazim“, d. i. Tuch und Karmesin, 2 Bde. (Lemberg 1859), in welchem Roman auf Grund der Gegensätze zweier Kleidungsstücke aus verschossenem Tuch und aus Seide auch zwei Gruppen der polnischen Nation geschildert werden. Die übrigen selbstständig erschienenen Schriften Łoziński’s sind: „Zaklęty dwór. Powiesc“, d. i. Der verwunschene Edelhof. Erzählung 2 Bde. (ebd. 1864), – „Ludzie z pod slomianej strzechy“, d. i. Die Leute unter dem Strohdach, von welchem mit dem Preise für die beste Volksschrift gekrönten Werkchen in kurzer Zeit zwei Auflagen erschienen sind. Ł. hatte schon längere Zeit für das in Lemberg seit einigen Jahren erscheinende Volksblatt „Dzwonek“, d. i. Das Glöckchen, Aufsätze verschiedener Art geschrieben und in denselben sehr glücklich den Volkston getroffen. So gerieth er denn auf die Idee, das Büchlein „Die Leute unter dem Strohdach“ zu schreiben, in welchem er [101] die Lebensabrisse von mehreren um das Vaterland verdienten Bauern in schlichter und anregender Weise erzählt; – „Czarny Matwij“, d. i. Der schwarze Mathias, 2 Bde. (ebd.), eine Erzählung aus dem Leben der Góralen, eines von der Cultur noch unbeleckten Karpathenvölkchens. Vieles erschien zerstreut in Zeitschriften, u. z. im Telegraf 1833: „Szpargaly“, d. i. Scharteken; – „Przyjaciel domowy“, d. i. Der Hausfreund, und die Dichtung: „Życie mlodzieńca“, d. i. Das Leben des Jünglings; – in der Zeitschrift Nowiny 1854: „Sobek z Jeżowej wieśniak poeta“, d. i. Sobek von Jezow der Dorfpoet; in der Zeitschrift Rozmajtości, d. i. Miszellen: „Izabella Zapolska“, eine historische Erzählung; – *„Człowiek bez imienia“, d. i. Der Mensch ohne Namen; – „Powięsc o blędnym rycerza“, d. i. Die Erzählung von dem albernen Ritter; – *„Pan Skarbnik Drochorucki“, d. i. Der Herr Schatzmeister Drohorucki; – *„Gordona Patrika pamiętnik o pobycie w Polsce“, d. i. Des Generals Patrik Gordon Tagebuch seines Aufenthaltes in Polen – und *„Sąsiadka“, d. i. Die Nachbarin, und in der Zeitschrift Dziennik literacki außer den bereits oberwähnten Romanen noch die Erzählungen: „Pan Stanislaw Białobocki“, d. i. Herr Stanislaus Białobocki; – *„Proces a dziwotwor“, d. i. Der Proceß und das Ungeheuer; – „Dwie nocy“, d. i. Zwei Nächte; – *„Zaby“, d. i. Die Frösche, eine humoristische Studie, welche auch in’s Deutsche und Čechische übersetzt wurde. Eine größere historische Skizze, *„Starsza siostra Zygmunta Augusta“, d. i. Die ältere Schwester des Königs Sigismund August, erschien zugleich mit mehreren anderen, oben mit Sternen bezeichneten, in verschiedenen Journalen abgedruckten Aufsätzen gesammelt unter dem Titel: „Pisma pomniejsze Walerego Łozińskiego“, d. i. kleinere Schriften des Valerian Łoziński (Lemberg 1865, Wild, 8°.). Seiner ebendort abgedruckten biographischen Skizze seines Freundes Lobeski ist bereits bei Lobeski [Bd. XV, S. 304] gedacht worden. Auch auf dramatischem Gebiete hat sich Ł. und mit entschiedenem Glücke versucht. Sein Lustspiel „Verbum nobile“ wurde mit großem Beifall auf der Lemberger Bühne aufgeführt und ein zweites „Niebezpieczny człowiek“, d. i. der gefährliche Mensch, worin er mit vielem Humor den Standpunct des Literaten in der Gesellschaft schildert, steht noch gegenwärtig auf dem Repertoir des polnischen Theaters in Lemberg. Beide Lustspiele sind jedoch ungedruckt. So hatte sich Ł. in jungen Jahren – er zählte, als er starb, erst 24 Jahre – bereits einen Ruf als Schriftsteller gemacht, als ihn mitten im Schaffen der Tod hinweggerafft. Allgemein war die Theilnahme um den jungen talentvollen Schriftsteller, der noch in der Gährung begriffen, Edles versprach, wenn er älter, reifer geworden, alles Ungehörige, Unkünstlerische, Unfertige ausgestoßen haben würde. Das Begräbniß war ein sprechender Zeuge, wie sehr dem jungen Dichter die allgemeine Theilnahme sich zugewendet hatte. Ein paar Jahre nach seinem Tode wurde ihm über Vermittelung seiner Freunde Karl Wild und Johann Zacharjasiewicz aus dem Erlös seiner letzten Erzählung „Der schwarze Mathias“ auf dem Lyczakower Friedhofe nach einem Entwurfe des Pariser Bildhauers Abel Perier ein schönes Grabdenkmal errichtet. Von der Zinne einer epheuumrankten Säule erhebt sich zum Fluge ein [102] weißer Adler. Darunter das Medaillon des Verblichenen und unter diesem liegen auf dem Boden mehrere zerstreute Blätter, auf denen die Titel seiner drei besten Werke: Szlachcic chodaczkowyDwór zaklęty und Czarny Matwij, zu lesen sind. Zu beiden Seiten des Sarkophages Immortellenkränze. Noch sei hier eines Umstandes gedacht, der seiner Zeit in den Journalen die Runde gemacht und, wenn es wahr, der Vergessenheit entzogen zu werden wohl verdient. Valerian Łoziński war mit dem Schriftsteller und Redacteur des oberwähnten Volksblattes „Dzwonek“, mit Bruno Bielawski innig befreundet. Kaum wurde Łoziński’s Leichnam der Erde übergeben, so kam aus dem Auslande, wo Bielawski sich befand, die Nachricht, daß er, und zwar an demselben Tage und um dieselbe Stunde, wie Łoziński gestorben sei. Was Ł.’s schriftstellerische Arbeiten betrifft, so sind namentlich seine späteren – in den ersteren herrscht eine unfertige fantastische Richtung noch stark vor – farbensatte Gemälde aus dem wirklichen Leben, die Charaktere scharf gezeichnet und die spannende Handlung vortrefflich entwickelt. Vorzüglich gelingen ihm culturgeschichtliche Schilderungen seiner Nation. Zu den köstlichsten Figuren, die uns Ł. in seinen Romanen vorführt, gehören die jener Schmarotzer, die aus der Fremde in das Land kommen, um es zu civilisiren, die sich in Wahrheit aber nur gut pflegen und nähren und nur durch jene Uebergriffe, welche das Volk in seinem Kern verletzen, immer wieder erinnern, daß sie leider existiren. In jedem seiner Romane führt Ł. eine oder die andere dieser Caricaturen, die treffend unter dem Gesammtnamen der „Saperdipixe“ zusammengefaßt werden, handelnd ein und schildert sie mit einem Humor, der, das Weh errathen läßt, aus welchem diese Schilderung entspringt. Jedenfalls war Ł. eine bedeutende schriftstellerische Kraft und nicht bloß die Dichtung verlor in ihm ein ausgesprochenes Talent, auch die ernstere Disciplin der Geschichte scheint mit ihm einen vielversprechenden Autor eingebüßt zu haben, da er bereits anfing in die Fußstapfen seines als Historiker geschätzten Freundes und Verwandten Szajnocha zu treten, unter dessen Leitung er wohl manchen Schatz der so reichen und im Ganzen doch noch so wenig gepflegten polnischen Geschichte gehoben hätte.

Pisma pomniejsze Walerego Łozińskiego (Lwow 1865, Karol Wild, 8°.) S. 479–498: Biographie. – Głos (Lemberger politisches Journal) 1861, Nr. 29, im Feuilleton. – Das Vaterland (Wiener politisches Blatt) 1861, Nr. 84. –