Bücher-Absatz in Deutschland

Textdaten
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Autor: B. K.
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Titel: Bücher-Absatz in Deutschland
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 160
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[160] Bücher-Absatz in Deutschland. – Seit Jahrzehnten hat in Deutschland kein belletristisches Werk einen solchen Erfolg gehabt, als Freytag’sSoll und Haben“. Eine aus guter Quelle geschöpfte Uebersicht über die verschiedenen Ausgaben des genannten Romanes vom Tage seines Erscheinens an bis auf die letzten Wochen wird dies deutlicher machen. „Soll und Haben“ erschien zuerst Ende April 1855 in einer Auflage von 1000 Exemplaren. Schon im Juli desselben Jahres folgte eine zweite, nicht ganz zwei Monate darauf eine dritte Auflage, jede von 750 Exemplaren. Acht Wochen später verließ die vierte, wieder 1000 Exemplare stark, die Presse, und ehe ein Jahr nach dem Erscheinen der ersten verflossen war, wurde eine fünfte nöthig, welche in 1500 Exemplaren abgezogen wurde. Man konnte nach den bisherigen Erfahrungen annehmen, daß damit der Bedarf des Publicums, welches fünf Thaler für einen Roman zahlen kann, so ziemlich erschöpft sein werde. Es war nicht so, und im November veranstaltete der Verleger eine sechste Ausgabe, welche 2000 Exemplare stark war.

Inzwischen war der Wunsch laut geworden, der Roman möge auch den weniger bemittelten Schichten des Volkes zugänglich gemacht werden. Diesem Wunsche entsprach die Ausgabe, welche in der Ostermesse 1858 die Presse verließ. Sie war zu dem Preise von 1 Thlr. 10 Ngr. zu haben, und daß sie ein Bedürfniß erfüllte, bewies sich dadurch, daß binnen sechs Wochen die 5000 Exemplare, aus denen sie bestand, abgesetzt waren. Eine weitere Auflage, ebenfalls 5000 Exemplare stark, war fast eben so rasch vergriffen, und soeben verläßt die dritte, wiederum in 5000 Abzügen, die Presse. So sind denn binnen 3½ Jahren nicht weniger als 7000 Exemplare der Ausgabe zu 5 Thlr. und 15,000 der Volksausgabe von „Soll und Haben“ auf den Büchermarkt gelangt – ein Phänomen, welches allerdings kein absoluter Beweis für den Werth des Buches, wohl aber ein entschiedener Beweis dafür ist, daß dasselbe mit seiner Sprache den Geschmack und mit den in ihm verkörperten Gedanken und Bestrebungen die Gedanken und Bestrebungen eines sehr großen Theils unserer Nation, und zwar nicht blos der Vornehmen und Reichen, getroffen hat.

Der Erfolg von „Soll und Haben“ hat sich aber nicht auf Deutschland beschränkt. Zunächst erschienen sehr bald nach den ersten Leipziger Auflagen mehrere Nachdrucke in Amerika. Der erste war der in H. Börnsteins „Anzeiger des Westens“, welcher den Roman im October 1855 brachte. Ein zweiter erschien im März des nächsten Jahres in der von G. Schneider und Daniel Hertle redigirten „Täglichen Illinois-Staatszeitung“, und ein dritter um dieselbe Zeit als Band für sich in der Buchhandlung von Ed. Bühler u. Comp, zu St. Louis. Letzterer, 1 Band in einer Art Lexikonformat, ist auch in typographischer Beziehung ein Muster der Art, wie man nicht drucken soll.

Inzwischen machte der Roman auch im Auslande von sich reden und bald hörte man von verschiedenen Uebersetzungen. Zuerst erschien 1856 bei Heckenast in Pesth eine ungarische, dann folgte 1857 eine schwedische, in demselben Jahre eine französische im „Moniteur“, die dann auch apart in 2 Bänden erschien, im Herbst desselben Jahres drei englische, denen 1858 noch eine vierte folgte, die später von einer New-Yorker Firma nachgedruckt wurde. Neuerer Zeit[WS 1] sind noch eine holländische und eine italienische Uebersetzung angekündigt.

Der Erfolg des Freytag’schen Buches steht übrigens nicht vereinzelt da. Stolle’s historischer Roman „1813“ wurde in drei Auflagen gedruckt, deren jede mindestens 1000 Exemplare anzuschlagen sein dürfte. Später erschien derselbe Roman in der Gesammtausgabe der Stolle’schen Schriften in 5000 Exemplaren, die nach drei Jahren bereits vergriffen und von zwei neuen Auflagen von je 1000 Exemplaren ersetzt wurden. Außerdem erschienen holländische und französische Uebersetzungen. Wir können also annehmen, daß auch dieser Originalroman in 10,000 Exemplaren in Deutschland allein verbreitet ist. In Amerika ist er vielfach nachgedruckt worden.

Freytag’s Erfolge, so bedeutend diese auch sind, bleiben indeß noch weit hinter denen Wilh. Hauff’s zurück. Dessen Roman „Lichtenstein“ erschien zuerst (bei Brodhag in St.) in zwei Auflagen, die uns zu 3 und 4000 Exempl., zusammen also auf 7000 Exempl. angegeben werden. Diesen beiden Auflagen folgten, wie wir aus bester Quelle schöpfen, im Jahre 1840–41 eine dritte Auflage von 10,000, 1846 eine vierte Auflage von abermals 10,000 Exempl. und 1853 die fünfte (sogenannte Classiker-)Auflage von 15,000 Exempl., in demselben Jahre eine sechste Auflage mit Stahlstichen von 2000 und 1856-57 eine siebente Stereotyp-Auflage von 5000 Exempl., der in diesem Jahre, da der Vorrath zu Ende geht, eine achte Auflage folgen muß. Der Gesammtabsatz in Deutschland – der amerikanische Nachdruck nicht zu rechnen – darf also auf 50,000 Exempl. geschätzt werden, ein Resultat, dessen sich in Deutschland kein zweiter Romanschriftsteller rühmen kann.

Das Glück eines unserer Dichter ist auch das Glück der Nation, der er angehört, auf die sein Ruhm zurückfällt. Goethe – um Großes mit Kleinerem zu vergleichen – wies, als man ihm von dem Streite, ob er oder Schiller der Größere, redete, die Frage als müßig ab. „Die Deutschen sollten Gott danken, daß sie zwei solche Kerle hätten.“

B. K.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage:Zeitt