Auszug aus den Anfangs-Gründen aller Mathematischen Wissenschaften/Die Fortification
Die Fortification oder Kriegs-Baukunst ist eine Wissenschaft, einen Ort dergestalt zu befestigen, daß sich wenige gegen viele, die ihn belagern, mit Vortheile wehren können.
2. Die Manier, zu befestigen, muß also nach der Beschaffenheit der Artaquen eingerichtet werden.
3. Die Werke an einer Festung müssen der Gewalt des größten Geschützes, das man in den Attaquen brauchet, so viel möglich widerstehen können.
4. Die Besatzung soll auf den Werken nicht allein wider die Stückkugeln, sondern auch wider Bomben, Granaten und andere Feuerkugeln zulänglich bedeckt seyn; der Feind aber muß [572] sich nirgend um die Festung einige Bedeckung finden.
5. Es muß demnach um die Festung kein erhabener Ort seyn, der nicht aus einem anderen kan gesehen und bestrichen werden.
6. Die Defension soll in der Nähe auf einen Musquetenschuß eingerichtet werden.
Die Defension aus Musqueten ist geschwinder als aus Stücken, und nicht so kostbar. Die Kraft einer Stückkugel ist in der Weite, wo eine Musquete hinträgt, um so viel stärker: ja man kan auch in solcher Weite mit gutem Nachdruck Cartetschen brauchen (§. 31. Artill.).
7. Die Linie, welche einen beängstigten Ort secundiret, muß von ihm nicht einen Musquetenschuß abliegen.
8. Die Festung muß an allen Orten gleich stark fortificiret seyn.
Sie ist verlohren, so bald der Feind sich an einem Orte einen offenen und sicheren Gang in dieselbe gemachet. Denn wenn sich wenige in einer Festung gegen viele wehren sollen (§. 1.); so findet man keine so starke Besatzung darinnen, die nach so vielen Bemühungen, als die Defension [573] erfordert hat, noch in dem Stande seyn könte, den Feind wieder herauszuschlagen: wie sich denn auch solches anderer Umstände halber (z. E. wegen des Proviants und der Munition) nicht wohl würde thun lassen. Ist nun die Festung an einem Orte schwächer, als an dem andern; so wird der Feind sie an dem schwachen attaquiren, und ist die Stärke an den übrigen Orten vergebens.
9. Wenn ein Ort fortificiret wird, so muß man einen Wall um ihn aufwerfen.
Der Feind greifet einen Ort mit dem groben Geschütze an, und also muß man sich auch mit dem groben Geschütze gegen ihn wehren, folgends Stücke auf die Festung pflanzen können. Da nun die Stücke nicht allein wegen ihrer Länge einen ziemlichen Raum einnehmen, sondern auch zurücke laufen, wenn sie gelöset werden; so kan man nicht, wie vor Alters, ehe das Geschütze erfunden wurde, mit einer Mauer zufrieden seyn, sondern man muß einen breiten Wall von Erde aufwerfen. W. Z. E.
10. Damit man zu dem Walle Erde habe; so soll ein Graben um den ganzen Wall von aussen herum gehen.
11. Weil die Besatzung für dem feindlichen Canoniren sicher seyn soll (§. 4.); so muß der Wall gegen das Feld höher seyn als gegen die Stadt.
[574]12. Daß das Erdreich wohl zusammen hält; so muß man ihn sowol gegen den Graben, als gegen die Stadt abhängig machen.
13. Den hohen Theil des Walles IG, dadurch die Besatzung wider die Stückkugeln des Feindes bedecket wird, nennet man die Brustwehre (Parapet).
14. Sie muß also 6 bis 7 Schuh hoch, und, damit sie einen Canonenschuß aushalten kan, 20 bis 24’ dicke seyn.
15. Damit die Soldaten von dem Walle feuren können, so machet man die Brustwehre gegen das Feld 2 bis 3 Schuhe niedriger als gegen die Stadt, und daran ein oder auch wol zwey Banquets oder Bänklein, 3 Schuhe breit, 1 hoch.
16. Den niedrigen Theil des Walles gegen die Stadt AI, darauf die Besatzung sich befindet, und die Stücke gepflanzet werden, nennet man den Wallgang (Terreplain).
17. Die Breite muß wegen der Stücke 24 bis 30’ seyn.
18. Die Schräge AB, PC und HN, welche der Wall beiderseits bekommet, nennet man [575] die Böschung, Abdachung oder Droßirung (Talud): die Linie BA oder DC und MN ihre Anlage. Unterweilen heisset auch wol die Anlage DC und MN die Böschung.
19. Für gutes Erdreich ist die Anlage der äusseren Böschung MN der halben, für mittelmäßiges , und für schlimmes der ganzen Höhe des Walles gleich. Hingegen die Anlage der inneren DC mag man auch im guten Erdreiche der Höhe DA gleich machen, im mittelmäßigen und schlimmen noch grösser.
20. Wenn man eine Futtermauer hat, wie in unserer Figur nach Vaubans Manier genommen wird, rechnet man im guten Erdreich auf 6’, im mittelmäßigen auf 5’, im schlimmen auf 4’ der Höhe, einen Schuh für die Anlage der Böschung. Das Mauerwerk selber bekommet bis , oder auch wol, wenn es nicht das beste ist, der Höhe zu seiner Böschung.
21. Der Wall muß lieber etwas niedrig, als gar zu hoch gemachet werden.
Wenn der Wall hoch ist, so kan der Feind bald unter die Stücke rücken. Ueber dieses gehen die Schüsse nicht mit dem Horizont parallel. Es ist aber bekannt, daß die Horizontalschüsse mehr als die anderen rasiren, das ist, wegnehmen, was sie unterweges finden.
22. Der Wall kan nicht in einer Linie, oder auch wie ein Vielecke nach den Seiten [576] des Platzes fortgeführet werden; sondern es müssen hin und wieder einige Werke über den übrigen Wall weiter herausgeleget werden.
Eine jede Linie an der Festung soll von einer andern können bestrichen werden (§. 5.). Wolte man nun um die Festung den Wall in einer Circullinie, oder in einer andern krummen in sich selbst laufenden Linie, oder auch nach den Seiten des Platzes in Gestalt eines Vieleckes herumführen; so könte keine Linie die andere secundiren, wenn sie beängstiget würde.
23. Die Werke, welche über den Wall, der nach der Seite des Platzes aufgeworfen worden, weiter herausgeleget werden, heissen Bollwerke oder Basteyen (Bastions).
24. Die Bollwerke müssen spitzig zulaufen.
Man lasse sie nicht spitzig zulaufen, sondern man gebe ihnen die Gestalt eines viereckichten Thurmes, als ABDC. Ziehet von beiden Seiten die äussersten Defenslinien FE und GE; so bleibet an dem Bollwerke ein Triangel BED; der von den secundirenden Linien nicht kan bestrichen werden, und dahin sich der Minirer, so das Bollwerk sprengen will, sicher logiren kan. Da nun dieses ungereimt ist (§. 5.); so muß das Bollwerk spitzig zulaufen, wie BED. W. Z. E. [Fig. 2]
[577]25. Die Linien AN und AF, welche die Bollwerks-Pünte A formiren, heissen die Gesichtslinien (Faces). [Fig. 3]
26. Damit der Feind, der die Festung an den Facen attaquiret, daselbst keinen Vortheil zum Unterminiren und Stürmen finde, muß die Pünte nicht allzugroß, und also nicht über 30 Ruthen seyn; damit sie aber zu einer Contrebatterie wider den Feind dienen kan, muß sie nicht allzuklein, und also nicht unter 24 Ruthen seyn.
27. Der mittlere Wall zwischen zwey Bollwerken wird die Cortine (la Cortine) genennet.
28. Die Bollwerke können nicht aus blossen Facen bestehen.
Denn es kämen todte Winkel; welches der Hauptmaxime (§. 5.) zuwider ist. Es sind auch die Bollwerke nicht geräumig genug.
29. Also sind ausser den Facen noch zwey andere Linien zu den Bollwerken kommen, nemlich NO und EF, welche die Bollwerke an die Cortine anhängen, und die Flanquen oder Streiche (les Flancs) genennet werden.
[578]30. Weil die Flanquen nicht allein einander selbst, sondern auch eine jede die Face des überstehenden Bollwerks defendiren; so sind grosse besser als kleine.
31. Weil die geraden Schüsse gewisser sind, als die schiefen; so soll die Flanque auf der Defenslinie perpendicular stehen: zumalen da man auch mehr Stücke darauf pflanzen und mehr Mannschaft daran stellen kan, als wenn sie von eben der Grösse ist, und einen schiefen Winkel machet.
32. Damit sie nun aber dem Feinde nicht zu sehr in Augen lieget; soll der untere Theil IG bis in LK 2 bis 3 Ruthen zurücke gezogen werden.
33. Weil die Flanque KL die Face CB von dem überstehenden Bollwerke defendiret; so muß sie der Feind nicht eher zu sehen bekommen, als bis er sich in die Breche an der Face leget. Darum sollen die Linien BI und BG, nach welchen die Flanque IG zurückgezogen wird, aus der Bollwerkspünte B, oder, da die Breche eben nicht an der Bollwerkspünte, sondern etwas besser herunter geschossen wird, die obere Linie BI auch wol aus einem andern Puncte der Face gezogen werden.
34. Wenn die Flanquen nach einer geraden Linie aufgeführet werden, so kan der Feind eine Batterie dagegen aufwerfen, davon er alle Puncte [579] der Flanque geradezu bestreichen kan. Hingegen wenn sie eingebogen ist, kan nicht mehr als Ein Schuß die Flanque geradezu treffen. Da nun die Schüsse, so geradezu gehen, stärker sind als die andern; so kan man die Flanque KL eingebogen machen.
35. Zu der Defension des Grabens können niedriggesenkte Flanquen angeleget, und mit Stücken bepflanzet werden.
36. Damit aber der Feind nicht mit so gutem Vortheile Bomben und Granaten hineinwerfe, noch die von der oberen Flanque herunterfallende Erde oder Steine denen in der unteren beschwerlich fallen, wenn sie eingeschossen wird; so soll die niedrige Flanque von der oberen durch einen kleinen Graben abgesondert werden.
37. Der obere Theil der Flanque DI, welche zu Bedeckung des unteren Theiles LK dienet, wird das ORILLON genennet. [Fig. II.]
38. Damit die Flanque nicht ohne Noth verkürzet wird, soll das Orillon so klein gemachet werden, als es sich thun lässet.
39. Die äussere Polygon ist die Linie AB, welche von Einer Bollwerkspünte A bis zu der andern B gezogen wird.
[580]40. Wenn man die Face AF bis an die Cortine EH continuiret, so heisset AG die kleine oder die streichende Defenslinie (la ligne de defense flanquante). Hingegen die Linie AH, welche von der Bollwerkspünte A gegen das Ende der Flanque H des überstehenden Bollwerks gezogen wird, nennet man die beständige Defenslinie (la ligne de defense fichante). [Fig. 3]
41. Die beständige Defenslinie kan nicht über 60 Ruthen seyn.
42. Vauban erlaubet bis 75°. Es können aber nicht so wohl in Bestürmung der Festung die Cartetschen gebraucht werden.
43. Das Stück von der Cortine GH, welches die beiden Defenslinien abschneiden, nennet man die Second Flanc, oder Nebenstreiche. [Fig. 3]
44. Die Linien CO und CE, welche den Eingang in das Bollwerk formiren, nennet man die Kehllinien (Demigorges). [Fig. 3]
45. Grosse Kehlen sind besser als enge (§. 32. 35.).
46. Die Linie CD, welche aus der Cortine EH und zwey Kehllinien CE und HD bestehet, [581] das ist, die Seite von der Figur des Platzes, wird die innere Polygon genennet. [Fig. 3]
47. Die Linie AC, welche von der Kehle C bis an die Bollwerkspünte A gezogen wird, heisset die Capital- oder Hauptlinie (la Capitale). [Fig. 3]
48. Der Radius CI, damit der Circul beschrieben wird, darein man die innere Polygon träget, wird der kleine Radius genennet. [Fig. 3]
49. Der Radius AI, damit der Circul beschrieben wird, der durch die Bollwerkspünten gehet, heisset der grosse Radius. [Fig. 3]
50. Der Polygonwinkel OCE ist derjenige, den die äusseren Polygonen AB und AK, oder auch die inneren Polygonen MC und DC mit einander machen. [Fig. 3]
51. Der Bollwerkswinkel FAN ist derjenige, den die Facen AN und AF mit einander machen. [Fig. 3]
52. Damit er der Gewalt des groben Geschützes widerstehen kan, und das Bollwerk nicht zu enge wird; soll er nicht unter 60 Graden seyn.
[582]53. Der Streichwinkel AHE ist derjenige, welchen die beständige Defenslinie AH mit der Cortine HE machet. [Fig. 3]
54. Der kleine Winkel GAB (Angle diminué) ist derjenige, den die kleine Defenslinie AG mit der äusseren Polygon AB machet. [Fig. 3]
55. Der Schulterwinkel AFE (Angle de l’Espaule) ist derjenige, den die Face mit der Flanque machet. [Fig. 3]
56. Der Centriwinkel (Angle de Centre) CID ist derjenige, den die beiden Radii CI und DI, so aus den Enden der inneren Polygon CD gezogen werden, mit einander machen. [Fig. 3]
57. Die Berme (Berme) ist ein Gang oder breiter Rand um den Fuß des Walles unten an dem Graben.
58. Weil die Berme nicht allein hindert, daß der Wall, wenn er sich setzet, nicht einfället; sondern auch die Erde oder Ziegel aufhält, wenn die Brustwehre eingeschossen wird, daß sie nicht in den Graben fallen, und ihn dem Feinde zum Vortheile füllen kan: so soll überall um den Wall eine Berme angeleget, und entweder mit lebendigem Dorngehecke besetzet, oder verpallisadiret werden.
[583]59. Die FAUSSEBRAYE, oder der untere Wall, ist ein Gang um den Wall mit einer Brustwehre und dazu gehörigen Banquet.
60. Wenn die Faussebraye niedrig ist, so kan man daraus das Glacis nicht bestreichen, und sie dannenhero nicht eher brauchen, als bis der Feind in den Graben kommet. Ist sie dabey enge, so verlieret sie öfters gar ihren Gebrauch. Denn wenn der Feind die Brustwehren des oberen Walles einschiesset, wird die Faussebraye davon gefüllet, ehe man sie brauchen kan.
61. Derowegen wenn man eine Faussebraye haben will, so soll sie billig etwas erhöhet werden. Dabey aber muß sie geräumig und von dem oberen Walle durch einen besonderen Graben abgeführet seyn.
62. Man soll den Graben lieber breit, als tief machen.
Wenn der Graben sehr breit ist, so brauchet der Feind eine grosse Gallerie darüber, und also fället es ihm beschwerlicher, über einen breiten, als über einen schmalen Graben zu kommen. Ist er sehr tief, so kan man ihn nicht recht horizontal bestreichen; in welchem Falle doch die Kugeln am besten rasiren. Demnach bringet ein breiter [584] und nicht allzutiefer Graben den Belagerten Vortheile, dem Feinde aber ist er nachtheilig.
63. Damit der Graben von der Flanque ganz bestrichen werden kan; machet man ihn beynahe der Flanque gleich, und ziehet ihn daher mit der Face parallel, wenn die Flanque auf der Defenslinie perpendicular stehet. In andern Fällen lässet man ihn gegen die Schulterwinkel zulaufen.
64. Um der Festigkeit willen giebet man dem Graben beiderseits eine Böschung, wie dem Walle, daß also die Unterbreite des Grabens kleiner wird, als die obere. Die Schranken der Tiefe des Grabens setzet man insgemein zwischen 1° und 2°: die Breite muß grösser seyn als die Länge der grösten Bäume, 8 bis 12 Ruthen, damit der Feind nicht mit leichter Mühe seine Gallerie über den Graben schlagen kan.
65. Die Aussenwerke (les Dehors) sind alle diejenigen, welche man über den Graben des Hauptwalles hinausleget, theils den Feind dadurch fein lange von der Festung entfernet zu halten, theils die Werke des Hauptwalles dadurch zu bedecken, theils die Macht des Feindes durch derselben Bestürmung zu brechen, theils aus andern dergleichen Absichten.
66. Weil diese Absichten bey Fortificirung eines Ortes höchst nöthig sind; so sind auch die Aussenwerke bey einer Festung nöthig, wenn sie nur starke Defension haben, und so angeleget werden, daß [585] sie nicht der Feind, wenn er sie mit Sturm erobert, zu Batterien wider den Hauptwall gebrauchen kan.
67. Das Ravelin (Ravelin) ist ein Werk, welches bloß zwey Facen hat, fc und cd, und vor die Cortine geleget wird.
68. Der halbe Mond (Demi-lune) ist ein Werk, welches gleich einem Bollwerke ausser den Facen VZ auch Flanquen ZY, obwol ganz kleine hat, und am gewöhnlichsten vor die Bollwerkspünte, jedoch auch vor die Cortine, wie in unserem Risse, geleget wird. [Fig.II]
69. Aus dem halben Monde vor der Bollwerkspünte sind die Contregarden entstanden, als man ihre Facen mit den Facen des Bollwerks parallel bis an den Graben des Ravelins gezogen.
70. Die einfache Scheere (simple Tenaille) ist ein grosses Werk, welches aus zwey Facen AD und BD, die einen einwärtsgebogenen Winkel formiren, bestehet.
71. Die doppelte Scheere (double Tenaille) ist ein Werk, welches aus zwey kleinen einfachen Scheeren zusammengesetzet wird.
[586]72. Das Hornwerk (Ouvrage à Cornes) bestehet aus zwey halben Bollwerken AHE und FGB und einer Cortine EF. [Fig.4]
73. Das Kronwerk (Ouvrage couronné) ist ein doppeltes Hornwerk, welches wie der Theil der Festung Fig. 3. Tab. I. aussiehet.
74. Die CONTRESCARPE ist das äusserste Werk an einer Festung, welches aus einem Gange um den Graben und einer Brustwehre, deren Abdachung sich mit dem ebenen Felde verlieret, bestehet. Der Gang wird der verdeckte Weg (Chemin couvert), die Brustwehre das GLACIS (ingleichen Esplanade) genennet.
75. Das Glacis wird mit dem Graben überall parallel gezogen, ausser wo man in den bedeckten Weg Waffenplätze a (Places d’armes) zu Versammlung der Soldaten anleget. [Fig. III]
76. Weil die Abdachung des Glacis sich mit dem ebenen Felde verlieret; so kan es nicht eingeschossen werden. Und dannenhero ist die Contrescarpe eines von den wichtigsten Werken der Festung: um welcher Ursachen willen einige verlangen, man solle, wenn nur Raum vorhanden, eine doppelte Contrescarpe machen.
[587]77. Damit aber auch der Feind sie nicht ersteigen kan, soll sie verpallisadiret werden.
78. Man hält die Festung mehr als für halb verlohren, wenn der Feind die Contrescarpe erobert, sonderlich wenn sie so angeleget worden, daß es ihm viel Mühe kostet, sich ihrer zu bemeistern.
79. Pallisaden sind Pfähle von Holze 5 bis 6 Schuhe lang, und sowol unten als oben spitzig, welche 5’ tief in die Erde so nahe neben einander gesetzet werden, daß man zwischen zweyen nur mit einer Musquete durchkommen kan.
80. Traversen sind Brustwehren, die man quer über den Wallgang und den bedeckten Weg leget, als po. [Fig. II]
81. Sie hindern also, daß der bedeckte Weg nicht kan enfiliret, das ist, von dem feindlichen Geschütze nach der Länge durchstrichen werden: dienen zur Retirade, wenn der Feind in die Contrescarpe einbricht, auch zur Bedeckung wider die Bomben. Denn die Soldaten können sich dahinter legen, und die Bomben über sich wegschlagen lassen.
82. Die CAPONIERES sind in die Erde 4 bis 5 Schuh eingegrabene Gänge, die oben [588] entweder gewölbet, oder mit hölzernen Decken versehen, und so stark mit Erde überschüttet sind, daß keine Bombe, noch Carcasse durchschlagen kan.
83. Man leget sie dannenhero unter dem Glacis, ingleichen unter dem Walle an der Faussebraye, zuweilen auch unter den Brustwehren an; damit die Soldaten sich hineinretiriren können, wenn die Bombardirung geschiehet.
84. Halb-CAPONIERES sind aus Holz zusammengeschlagene Gallerien, welche an die Brustwehren, sonderlich das Glacis gesetzet werden. Ihre Höhe an der Brustwehre ist ohngefehr 9’, an dem andern Ende 8’. Oben werden sie stark mit Brettern verschlagen und mit Sandsäcken oder Erde bedecket.
85. Sie dienen also zur Bedeckung der Soldaten wider die Handgranaten.
86. Endlich die CONTRA-Minen sind gewölbte Gänge unter den Facen, die zu dem Ende angeleget werden, damit man desto leichter die Minen des Feindes entdecken, und das Pulver daraus nehmen kan.
87. Nachdem die Ingenieurs die bisher erkläreten Gründe viel oder wenig erwogen, oder auf das eine mehr als auf das andere gesehen, haben sie verschiedene Manieren zu fortificiren [589] erdacht: davon wir nur diejenigen erklären wollen, die Vauban ersonnen, weil sie nicht allein für andern berühmt sind, sondern auch von Anfängern am leichtesten begriffen werden. Wer aber nach diesem vielerley Manieren sich bekannt zu machen Lust hat, und die bisher erklärten Gründe zu Beurtheilung der Festungen anzuwenden sich üben will, der darf nur Sturms Architecturam militarem hypotheticam und zwar die neue Auflage in 4. nachschlagen.
Den Grundriß des Hauptwalles nach Vaubans erster Manier zu machen.
1. Beschreibet mit dem grossen Radio einen Circul, und traget in demselben die äussere Polygon AB herum. [Fig. II]
2. Theilet diese in zwey gleiche Theile in E (§. 90. Geom.), und richtet in E auf AB den Perpendicul EF auf (§. 70. Geom.).
3. Theilet die äussere Polygon AB im Vierecke in 8, im Fünfecke in 7, und in den übrigen Vielecken in 6 gleiche Theile (§. 154. Geom.), und nehmet einen davon für die Länge des Perpendiculs EF.
4. Ziehet aus A und B durch F die Defenslinien AH und BG.
[591] 5. Theilet die äussere Polygon AB in 7 Theile ein (§. 154. Geom.), und traget zwey von dergleichen Theilen auf die Defenslinien AH und BG aus A in D und aus B in C für die Facen.
6. Setzet den Zirkel in C, und thut ihn auf bis D; so könnet ihr mit dieser Eröffnung den Defenslinien aus C und D ihre gehörige Länge bis G und H determinieren, und die Flanquen DG und CH ziehen.
7. Theilet die Flanque DG in drey gleiche Theile (§. 154. Geom.), und nehmet den dritten Theil DI für das Orillon, welches ihr durch einen Bogen ausziehen müsset, der die Defenslinie HA berühret.
8. Verlängert die Defenslinie BG bis in L, so daß GL=30’. Ziehet durch I aus der überstehenden Bollwerkspünte B gleichfalls eine Linie BK, und machet IK=GL.
9. Machet aus K und L mit KL einen Durchschnitt in M, und beschreibet aus M mit eben der Eröffnung des Circuls den Bogen KL; so ist der ganze Umriß fertig, den ihr
10. vermöge folgender Tafel dergestalt ausziehen könnet, daß ihr mit dem ganzen Umrisse in der Weite des Wallganges und der Brustwehre, ingleichen des Banquets, Parallellinien ziehet.
[592]
Namen der Theile | Breiten. | Höhen. |
Innere Böschung | ||
der Mauer | 1 Schuh | 12 |
der Erde | 3 | 16 |
Der Wallgang | 30 | 18 |
Das erste Banquet | 1 | 1 |
Das andere | 3 | 1 |
Innere Böschung der Brustwehre | 1 | |
Die äussere | 2 | |
Die Brustwehre | 19 | von innen 4 von aussen 1 |
Der Graben | oben 114 unten 108 |
18 |
89. Die Tenaille vor der Cortine zu zeichnen.
1. Schneidet aus C in N und aus D bis O von den Defenslinien 18' ab, und ziehet NP mit der Flanque CH parallel u. s. w.
2. Theilet FN in zwey gleiche Theile in Q (§. 90. Geom.); so ist QN die Face.
3. Lasset von Q auf die Defenslinie AH ein Perpendicul QT fallen (§. 70. Geom.). Dieses ist die Flanque.
4. Wenn ihr auf der andern Seite eben so verfahret, so giebet sich die Cortine TS, und ihr könnet, nachdem solchergestalt der Umriß fertig,
[593] 5. auf gewöhnliche Weise die Tenaille ausziehen, wenn ihr für den ganzen Wall bey ber Cortine TS 30’, in den übrigen Theilen TN und SO 42’ rechnet, wovon die Brustwehre 18’ bekommmet.
Ihr könnet auch nur die einfache Tenaille OFN annehmen, und sie gehöriger massen ausziehen.
90. Das Ravelin und den halben Mond vor der Cortine zu zeichnen.
1. Setzet den Zirkel in H, und thut ihn auf bis D, und beschreibet den Bogen DV.
2. Setzet ihn darauf an das Ende der andern Defenslinie G, und beschreibet von dem andern Schulterwinkel C den Bogen CV.
3. An den Punct des Durchschnittes V und den Schulterwinkel D leget das Lineal; so könnet ihr die Face VW und auf gleiche Weise die Face VX ziehen.
Solchergestalt ist des Ravelins Umriß fertig. Verlanget ihr aber einen halben Mond; so
4. traget ferner aus W in Z 60’ und
5. lasset von Z auf WY das Perpendicul ZY fallen (§. 69. Geom.).
6. Endlich führet in der Breite von 6’ den Graben herum.
91. Wenn man den Riß ausziehen, und ein Profil für das Ravelin verfertigen will, so brauchet man folgende Tafel: [594]
Namen der Theile | Breiten | Höhen |
Innere Böschung | 6 Schuh | |
Der Wallgang | 25 | 13 |
Das erste Banquet | 1 | 1 |
Das andere | 3 | 1 |
Böschung der Brustwehre | 1 | |
Die Brustwehre | 15 | von innen 4 von aussen 1 |
Aeussere Böschung des Walles | 8 | |
Der Graben | oben 72 unten 68 |
12 |
92. Die Brillen zu beiden Seiten des Ravelins oder halben Mondes zu zeichnen. [Fig. II]
1. Verlängert die Face des halben Mondes WV über den Graben, so daß ab 12 bis 15° wird.
2. Hingegen an dem grossen Graben schneidet von d bis e 5° bis 6° ab; so
3. könnet ihr die Linien ab und bc ziehen, welche den Umriß der Brille geben, und
4. endlich dieselben nach gewöhnlicher Art völlig ausziehen.
93. Der Wallgang wird 15’ breit, 8 Schuhe hoch gemacht; das übrige bleibet, wie vorhin (§. 91.). Der Graben ist oben 54’, unten 51’ breit und 8’ tief.
[595]94. Die kleine Brille zu zeichnen, welche zu Bedeckung des halben Mondes zwischen die großen geleget wird. [Fig. II]
1. Schneidet für die Kehlen ef und hi 7° ab.
2. Machet mit der Weite von 10° einen Durchschnitt in g aus f und i; so könnet ihr die Facen fg und gi ziehen.
3. Führet den Graben in der Weite von 20° herum.
95. Die Brustwehre wird auf ebener Erde aufgerichtet, und bekommet der Wallgang keine Erhöhung.
96. Die Waffenplätze (Places d’Armes) in der Contrescarpe zu zeichnen.
1. Nachdem ihr mit dem äussersten Graben den bedeckten Weg in der Breite von 36 (davon das erste Banquet 1, das andere 8 bekommet, damit Raum für die Pallisaden vorhanden,) parallel herum gezogen: so schneidet für die Kehlen der Waffenplätze kl und km in den Schenkeln der einwärts gebogenen Winkel 5° ab, und
2. machet aus m und l mit der Weite von 6° einen Durchschnitt in n; so könnet ihr die Facen mn und ln ziehen.
97. Die Traversen in der Contrescarpe zu zeichnen. [Fig. II]
[596]1. Nachdem ihr mit dem bedeckten Wege und den Facen der Waffenplätze in der Weite von 144’ das Glacis parallel herumgezogen (§. 67. Geom.) so ziehet eine Brustwehre nebst ihrem Banquet mit den Facen des Waffenplatzes parallel, und zwar an demselben herunter, in der Weite von 1 bis 2° durch den ganzen bedeckten Weg, bis an das Glacis.
2. Damit ihr aber den Gang andeutet, der an dem Glacis gelassen wird, in den Waffenplatz zu kommen; so schneidet in das Glacis 3’ bis 4’ ein.
3. Die Traversen op, welche an der Rundung des Grabens vor den Brillen in dem bedeckten Wege querüber geleget werden, damit man denselben nicht enfiliren oder frey bestreichen kan, ziehet mit dem vorigen parallel.
98. Ein Hornwerk zu zeichnen.
1. Wenn das Hornwerk vor die Cortine kommet; so traget auf die Linie, die sie mitten rechtwinklicht durchschneidet, aus der Spitze des Ravelins 44 Ruthen. Kommet es vor das Bollwerk, so träget man die Weite aus der Spitze des Bollwerks auf die verlängerte Capital.
2. Ziehet AB auf CD perpendicular, und machet AC = CB = 30°, CD = 10°, und BG = AH = 18°.
[597] 3. Ziehet die Flanquen GF und HE auf AF und BE perpendicular; so giebet sich zugleich die Cortine EF.
4. In der Weite von 5 Ruthen ziehet den Graben mit den Facen; die Brustwehre in der Weite von 18 Schuhen, den Wall in der Weite von 4 Ruthen, mit dem ganzen Umfange parallel.
99. Ein Profil zu zeichnen.
1. Auf eine Linie Cb traget aus C in Q die Anlage der Böschung der Mauer, aus Q in R die Breite ihres Randes aus R in D die Anlage der inneren Böschung, aus D in S die Breite des Wallganges, aus S in T und aus T in V die Breite des Banquets, aus V in W die Anlage der inneren Böschung der Brustwehre, aus W in X die Breite der Brustwehre, aus X in Y ihre äussere Böschung, aus Y in M die Breite des Randes, und aus M in N die Anlage für die Böschung der Futtermauer, aus N in Z die Anlage der inneren Böschung des Grabens, aus Z in b die Breite des Grabens, und so weiter fort bis auf die Anlage des Glacis (§. 88. 91. 96. 97.)
2. Richtet überall Perpendicularlinien auf, und machet QP = BR der Höhe der inneren Mauer, AD und SE der Höhe der Banqueten, Lc der inneren und Od der äusseren Höhe der Brustwehre, dX aber, GY und MH der Höhe der äusseren Mauer, Za der Tiefe des Grabens u. s. w. gleich; so könnet ihr
[598] 3. das Profil ausziehen, wie aus der Figur zu ersehen.
100. Den Grundriß nach Vaubans verstärkter Manier zu fortificiren zu machen. [Fig. III]
1. Beschreibet mit dem grossen Radio einen Circul, und traget die äussere Polygon AB darinnen herum in der Grösse von 90°.
2. Theilet sie in zwey gleiche Theile in F, und richtet daselbst das Perpendicul FC auf (§. 70. Geom.), von eben der Grösse, wie in der vorigen Manier (§. 88.).
3. Ziehet die Defenslinien AB und BG, schneidet wie vorhin (§. 88.) die Facen AD, BE ab, und determiniret aus D und E mit der Weite ED die Puncte P und G; so könnet ihr die Flanquen DG und EP ziehen, auch mit der Weite von 12’ so wohl die Tenaille von den Bollwerken durch den Graben IYPE und DGLH, als mitten bey C ihre beiden Theile von einander selbst absondern.
4. Damit ihr aber die Bollwerke absondert, so ziehet durch die Enden der Flanquen P und G mit den Facen EB und AD die Parallellinien GM und PK (§. 67. Geom.).
5. Ziehet ferner mit GP in der Weite von 3 bis 4° die innere Polygon NO parallel, und in eben der Weite die Defenslinie TQ mit PK parallel.
[599] 6. Schneidet für die Face QR 5, 6 bis 7° ab, und
7. ziehet die Flanque RS entweder auf die Cortine perpendicular (§. 69. Geom.), oder mit der Flanque EP parallel (§. 67. Geom.).
8. Setzet hierauf den Zirkel in die Bollwerkspünte B, und beschreibet in der Weite von 9 Ruthen den Bogen V; so könnet ihr den Graben auf gewöhnliche Weise ziehen.
9. Traget aus den Schulterwinkeln E und D in Z 5° bis 6°, und machet aus ihnen in der Weite von 22° einen Durchschnitt in c; so könnet ihr aus c gegen Z die Facen des Ravelins cd und cf ziehen.
10. Mit diesen ziehet gegen die Schulterwinkel die Facen des inneren Ravelins be und bg parallel, und
11. sondert es mit Graben von 3° von dem äusseren ab, und um das grosse ziehet einen Graben von doppelter Breite.
12. Die Waffenplätze und Traversen in der Contrescarpe nebst dem bedeckten Wege und Glacis werden wie in der vorigen Manier (§. 96. 97.) gezeichnet.
Reguläre Festungen werden genennet, in welchen alle gleichnamige Linien und Winkel von einerley Grösse sind.
102. Es werden die regulären Festungen erbauet, wenn der Platz reguläre Figur hat. Und ist eben die reguläre Fortification, welche in dem vorhergehenden andern Theil beschrieben worden.
103. Eine irreguläre Festung heisset diejenige, in welcher die gleichnamigen Linien und Winkel nicht einerley Grösse haben.
104. Einen irregulären Platz zu fortificiren, da die Seiten eine geschickte Länge und die Winkel eine geschickte Grösse haben.
1. Auf eure irreguläre Polygon AB richtet mit der regulären Polygon AC einen gleichschenkelichten Triangel ACB auf.
[601] 2. Traget aus C auf CA die nöthigen Linien CD, CE etc. die ihr zum Aufrisse der regulären Festung brauchet.
3. Endlich ziehet durch die Puncte D, E, die Linien DF, EG u. s. w. mit AB parallel.
Diese sind die zu dem Grundrisse der irregulären Festung nöthige Linien.
Man soll erweisen, daß, wie die zum Risse nöthigen Linien sich in der regulären Fortification zu ihrer Polygon, also auch die gefundenen gleichnamigen für den Riß zu der irregulären Festung zu ihrer Polygon verhalten. Nun ist DF und EG mit AB parallel gezogen worden. Derowegen ist CA : AB = CD : DF, und CA : AB = CE : EG (§. 149. Geom.) folgends, CA : CD = AB : DF und CA : CE = AB : EG (§. 83. Arithm.). W. Z. E.
105. Die Linien werden für geschickt gehalten, wenn sie zwischen 80° und 100° fallen, nach zwölffüßigem Maasse.
106. Wenn die irreguläre Polygon eine Linie, die zwischen 80° und 100° fället, mehr als einmal in sich begreiffet, so wird sie in etliche Polygon eingetheilet, und bekommen einige Bollwerke eine gerade Kehle.
107. Solchergestalt muß eine Linie, die in zwey äussere Polygonen eingetheilet werden soll, nicht unter 160 zwölffüßigen Ruthen seyn.
[602]
108. Eine Linie zu fortificiren, die unter 160, aber über 100° hat oder die für ein Bollwerk zu groß, für zwey zu klein ist.
Der Herr Sturm giebet in seinem Veritable Vauban lib. 4. c. 1. §. 4. p. 171. folgende Auflösung.
1. Theilet die Seite AB in zwey gleiche Theile in C, und richtet den Perpendicul CD von 15 bis 20 Ruthen auf.
2. Verlängert CD in O bis CO 50°, und machet die Winkel KOD und DOM von 50°.
3. Nehmet GE und FH jedes 8° an, und ziehet EI und LF mit KG und MH parallel in der Grösse von 20°.
4. Endlich durchschneidet mit der Weite HL aus H die Linie OH in M, und mit der Weite GI aus G die Linie OG in K; so geben sich die Flanquen KI und LM.
1. Beschreibet die Bollwerke DCA und FEB dergestalt, daß die Defenslinien einander mitten in der Cortine durchschneiden.
2. Verlängert sie über die Cortine nach Gutbefinden, und richtet
3. die Flanquen GH und KI zur Defension der Facen FE und DC darauf perpendicular auf.
109. Eine Linie zu fortificiren, die allzukurz ist.
[603]
Da nach regulärer Art eine allzukurze Linie zu fortificiren unmöglich ist, weil die Bollwerke allzukleine Flanquen und öfters auch gar spitzige Winkel bekommen würden; so kan man sie nach Gelegenheit nur dergestalt einschneiden, daß die Theile von den anliegenden Werken, und diese wieder von ihnen können defendiret werden. Im übrigen muß man zu den Aussenwerken seine Zuflucht nehmen.
110. Einen allzuspitzigen Winkel zu fortificiren.
Wenn er nicht unter 60° ist, und die andern Umstände leiden es; so könnet ihr ihn zum Bollwerkswinkel annehmen, und dannenhero die Facen an den beiden Seiten der Figur, die ihn einschliessen, abschneiden, und von deren Ende die Flanquen herunter ziehen.
Er mag so spitzig seyn, als er will, so könnet ihr ein Hornwerk darauf setzen.
Wenn die Schenkel des Winkels sehr lang sind; so lasset den Winkel, wie ihr ihn findet, und leget zu seiner Defension zu beiden Seiten halbe Bollwerke an.
111. Einen einwärtsgebogenen Winkel zu fortificiren.
Einen einwärtsgebogenen Winkel pfleget man [604] öfters zu lassen, wie er ist, und nur mitten ein Ravelin hinzulegen. Oder man ziehet die beiden Winkel zur Seiten zusammen, und nimmet sie für die Polygon an, wenn sie groß genug ist.
112. Die Castelle oder Citadellen sind kleine Festungen, die man an die grossen Städte leget, um dadurch sowol die Einwohner im Gehorsam zu erhalten, als auch die Festungen zu verstärken.
113. Wenn ihr eine Citadelle an eine Festung legen wollet, so zeichnet sie vorher auf dem Papiere besonders. Man nimmet aber dazu wenigstens ein reguläres Vierecke; höchstens ein Sechsecke. Schneidet den Riß aus, und verschiebet ihn auf dem Risse der Festung so lange, bis 2 Bollwerke in die Stadt hineinkommen. Merket mit Puncten, wo sie die Festung durchschneidet; so sehet ihr, was von der Festung niedergerissen werden muß, und ihr könnet den Riß in eines bringen.
114. Feldschanzen heissen alle Werke, die auf dem Felde entweder zur Versicherung eines Passes, oder zu einer sicheren Retirade, oder zu Defendirung der Linien, welche man um das Lager gezogen, oder aus andern Absichten in der Eile aufgeworfen werden.
115. Weil sie keine Belagerung gleich den Festungen ausstehen dürfen: so können ihre Brustwehren auch viel schwächer, und ihre Graben viel kleiner als an der Festung seyn (§. 2.); wie aus folgendem Täfelein zu ersehen.
[605]
Namen | Breiten | Höhen |
Der Wallgang | 14 bis 18 Sch. | 3 bis 6 Sch. |
Die Brustwehre | 9 bis 10 | 6 bis 7 |
Das Banquet | 3 | 1 |
Der Graben | 24 bis 30 | 8 bis 10 |
115. Wenn das Werk die völlige Figur eines rechtwinklichten Viereckes hat, nennet man es eine Redoute.
117. Eine Schanze, die aus lauter Scheeren zusammengesetzet ist, wird eine Sternschanze genennet.
118. Eine dreyeckigte Feldschanze zeichnen.
1. Theilet die Weite des gleichseitigen Dreyeckes AB in zwey gleiche Theile in D, ingleichen in fünfe. (§. 154. Geom.).
2. Machet die Kehlen Dg und De, ingleichen die Flanquen gh und ef = AB.
3. Ueber hf beschreibet einen halben Circul, und theilet ihn in zwey gleiche Theile in i; so geben sich die Facen hi und if.
119. Eine Redoute zu zeichnen.
[606]Zeichnet ein Quadrat, dessen Seite ohngefehr 12° lang (§. 98. Geom.), oder ein Rectangulum, dessen eine Seite 12 bis 20, die andere nur 2° ist (§. 99. Geom.), und ziehet darum den Graben, inwendig aber die Brustwehre mit ihrem Banquette und den Wallgang, wie in folgendem Täfelein zu finden.
Namen | Breiten | Höhen | ||
Die äussere Böschung | 1 oder ’ | |||
Die innere Böschung | ||||
Der Wallgang | 14 | 3 oder | 1 | |
Die äussere Böschung der Brustwehre | 3 | 2 | ||
Die innere | 1 | |||
Die Brustwehre | 5 | 4 | innen 6 aussen 4 |
|
Die Berme | 3 | 1 | ||
Der Graben | 20 | 8 | 6 | 5 |
Die in der anderen Reihe befindliche Zahlen werden für kleine Redouten genommen.
120. Eine viereckigte Feldschanze zu zeichnen.
1. Beschreibet auf einer Linie von ohngefehr 15° ein Quadrat (§. 98. Geom.). [607] 2. Theilet jede Seite in zwey gleiche Theile in C (§. 90. Geom.).
3. Richtet in C ein Perpendicul CD auf (§. 70. Geom.) = AB, und ziehet die Defenslinien AF und BE.
4. Von ihnen schneidet die Facen AH und BG ab = AB.
5. Endlich lasset die Flanquen FG und EH auf die Defenslinien perpendicular herunter fallen (§. 69. Geom.); so könnet ihr auch die Cortine ziehen.
121. Eine fünfeckichte und sechseckichte Feldschanze zu zeichnen.
1. Beschreibet auf einer Linie von 15 Ruthen ein reguläres Fünfecke oder ein Sechsecke (§. 106. Geom.).
2. Im übrigen verfahret wie vorhin (§. 120.) nur daß ihr dem Perpendicul CD von AB gebet.
122. Eine Sternschanze zu zeichnen.
1. Beschreibet ein Vier- Fünf- oder Sechsecke (§. 98. 106. Geom.).
2. Fället das Perpendicul CD, wie vorhin (§. 120.); so könnet ihr die Tenaille ADB ziehen.
[608]123. Eine halbe Redoute zu zeichnen.
1. Theilet eine gerade Linie von 20° in 4 gleiche Theile (§. 154. Geom.).
2. Ueber den mittleren beiden Theilen richtet mit einer Seite von 7° einen gleichschenkelichten Triangel auf (§. 54. Geom.). So ist der Umriß der halben Redoute fertig.
Circumvallationslinien sind eine Brustwehre mit einem Graben, die der Feind um sein Lager gegen das Feld aufwirfet.
125. Sie hindern also, daß niemand in das Lager von aussen hineinkommen kan, und müssen zur Defension hin und wieder halbe und ganze Redouten oder auch andere Feldschanzen aufgeworfen werden (§. 118. & seqq.).
126. Sie sind also nöthig, wenn der Feind in der Nähe campiret und man vermuthet, er werde durch einen Succurs die Festung zu entsetzen suchen.
127. Die Höhe der Brustwehre ist 5’ bis 6’ oder auch wol 8’ bis 9’, die Dicke 8’ bis 10’. Sie bekommen 2 bis 3 Banquette. Die Breite des Grabens ist 10’ bis 12’ die Tiefe 5’ bis 6’. Die Feldschanzen werden in der Weite von zwey Musqueten-Schüssen an die Linie geleget, damit man von beiden das Mittel erreichen kan.
[610]128. Contravallationslinien sind eine Brustwehre mit einem Graben, die der Feind gegen die Festung aufwirfet.
129. Sie hindern also, daß die Belagerten, wenn sie einen Ausfall thun, nicht in das Lager dringen können, und werden daher gebrauchet, wenn eine starke Besatzung in der Festung lieget.
130. Alle Werke, die der Feind aufwirfet, theils sein Lager zu verschanzen, theils sich sicher zu der Festung zu nahen, pfleget man zusammen TRENCHEEN zu nennen.
131. Wenn ein starker Fluß durch die Stadt fliesset, so wird eine Brücke über ihn geschlagen, damit die Quartiere von beiden Seiten der Stadt mit einander Communication haben. Zu ihrer Bedeckung und Defension werden an beiden Ufern Werke aufgeworfen.
132. Approchen oder Laufgraben sind Graben mit einer Brustwehre gegen die Festung zu, darinnen man sicher bis an die Contrescarpe gehen kan.
133. Die Approchen zu führen.
1. Commandiret des Nachts einige Mannschaft mit Gewehre versehen in der Beite von 70° bis 75° von der Festung, und stellet sie 3’ bis 5’ weit von einander in einer gegen die Festung schiefen Linie, die ihr mit einem ausgespanneten Stricke, [611] 30, 40 bis 50 und mehrere Schuhe lang bezeichnet. Lasset dieselbe sich geschwinde 3’ tief in die Erde eingraben, und das ausgegrabene Erdreich gegen die Festung zuwerfen, damit sie dorthin bedecket sind und die Belagerten die Approche nicht bestreichen können.
2. Diesen kleinen Graben lasset durch andere erweitern, so daß er endlich eine Breite von 10’ bis 12’ bekommet, und die ausgegrabene Erde alle gegen die Festung zuwerfen. Die Tiefe muß wenigstens 3’ bleiben, kan aber auch wol 6’ bis 7’ werden, nach Beschaffenheit des Erdreiches.
3. An das Ende der Linie leget eine Redoute A, oder einen Waffenplatz, damit sich die Mannschaft darinnen aufhalten kan, den Approchirern zu succurriren, wenn Ausfälle geschehen, oder auch diese sich darein retiriren können.
4. Von der andern Seite ziehet wieder eine dergleichen Linie, und denn wieder zurücke noch eine andere u. s. w. bis ihr endlich an das Glacis der Contrescarpe kommet.
5. Zwischen die Approchen könnet ihr Batterien D legen, um nach und nach die Brustwehren der Festung davon zu bestreichen, und aus Mörsern mit Bomben und Granaten auf die Werke oder in die Stadt selbst zu spielen.
Wenn der Boden sandicht, felsicht oder morastig ist; so setzet sie aus Schanzkörben in einer geraden Linie gegen die Face, die ihr attaquiren wollet, [612] zusammen, viel weiter als die vorigen, in Gestalt lauter hinter einander gelegter Redouten.
134. Zuweilen werden die Approchen doppelt geführet, und mit Communicationslinien BC an einander gehänget. [Fig. 9]
135. Die Batterie ist eine Bettung für die Stücke an einer Brustwehre mir Schießscharten.
136. Eine Batterie zu zeichnen.
1. Wenn ihr wisset, wie viel Stücke auf eine Batterie gepflanzet werden sollen; so traget auf eine Linie AB für jedes Stücke 12’, und verlängert sie beiderseits aus B in D und A in C um 6’, daß also die gantze Linie DC für eine Batterie von 3 Stücken 4° ist.
2. Traget aus D in E und C in F auf die Perpendicularlinien DI und CK 15’ bis 24’ für die Brustwehre, darein die Schießscharten kommen: ferner aus E in G, und aus F in H, nach Beschaffenheit der Länge der Stücke, ohngefehr 15’ bis 18’ für die Breite der eichenen oder fichtenen Bretter, damit die Bettung für die Stücke gemacht wird, und endlich aus G in I und H in K noch so viel Schuhe, als das Stücke für seine Länge und zu dem Zurücklaufen erfordert, nemlich 10’ bis 15’, daß die Linie EI ohngefehr 30’ ist.
3. Mit den Linien DC, CK, KI und ID ziehet in [613] der Weite von 5’ die Böschung parallel, und ferner mit diesen auf den drey Seiten, wo die Brustwehre ist, in der Weite von 4’ andere Parallellinien, welche die Berme vorstellen.
4. Theilet die Linie MN in 2 gleiche Theile in L (§. 90. Geom.), und traget aus L beiderseits in O 5’ bis 6’ für die Breite der Auffahrt.
5. Aus O richtet die Perpendicularen OP auf, welche der Böschung von der Auffahrt gleich sind, und also ohngefehr 4’.
6. Lasset unten einen Platz so groß als die Batterie MQRN.
7. Zu der Rechten der Auffahrt machet ein Quadrat W, dessen Seite 10’ hält (§. 98. Geom.) den Keller zu bedeuten, darinnen das Pulver verwahret wird.
8. Theilet abermals die Linie QR in 2 gleiche Theile in S und traget aus S in T und V für den Eingang beiderseits 5’ bis 6’.
9. Ziehet in der Weite von 8’ bis 10’ einen Graben um die ganze Batterie mit den Seiten parallel herum (§. 67. Geom.).
10. Traget aus b in c 5’, aus c in d 2’, und denn ferner wechselsweise 8’ und 4’, bis endlich hinten wiederum ea 5’ übrig bleibet.
11. Hingegen auf der Linie BA traget aus B in f 2’, aus f in g 8’, und denn ferner wechselsweise 8’ und 4’, bis endlich hinten wiederum hA 2’ übrig bleibet.
12. Ziehet die Theilungspuncte der beiden Linien AB und ab durch gerade Linien zusammen; so geben sich die Schießscharten.
[614]137. Wenn die Batterie wirklich gebauet wird, so werden die Bretter auf Balken genagelt, und der Raum hinter den Brettern wird mit geflochtenen Decken belegt, damit die Räder nicht in die Erde einschneiden, und man desto reinlicher auf der Batterie herum gehen kan. Es werden aber um des Zurücklaufens der Stücke willen die Balken an der Brustwehre etwas niedriger als hinten geleget. Sonst liegen sie von einander nach der Breite der Batterie 8 bis 10’.
138. Die Höhe der Batterie richtet sich nach der Höhe der Gegend. Die Brustwehre ist 6’ hoch, davon bekommen die Schließ-Scharten 3’ zu ihrer Höhe; die Tiefe des Grabens ist gleichfalls 6’.
139. Sappiren heisset die Contrescarpe durchbohren, um einen bedeckten Gang in den Graben zu bekommen.
140. Die Contrescarpe mit Sturm zu erobern.
1. Wenn ihr euch der Contrescarpe bemeistern wollet; so suchet vorher von euren Batterien durch stetes Feuren alle Oerter der Festung zu ruiniren, daraus der Ort, auf welchen die Attaque gerichtet ist, defendiret werden kan.
2. Erkundiget euch zuvor, ob die Contrescarpe unterminiret ist, entweder durch Spionen, oder durch Ueberläufer, wenn die Beschaffenheit der Festung euch nicht vorhin bekannt ist. Denn wenn Minen vorhanden, müsset ihr an dem Orte, wo die Soldaten zum Sturm sich sammlen, [615] 3 bis 4 Gruben 18 bis 20 Fuß tief graben, wenn es wegen des Wassers geschehen kan, und aus diesen Gruben Gänge gegen die Pallisaden 5’ hoch und 3’ breit führen, um die Minen zu entdecken.
3. Lasset die Granadirer häufig Granaten in den bedeckten Weg werfen, und brechet mit Macht hinein.
4. Machet euch aber bald eine Bedeckung mit Faschinen und Schanzkörben ABCD und Sandsäcken.
141. Wenn es unmöglich fället, den Feind aus der Contrescarpe zu schlagen, so müssen die Belagerten entweder durch Capitulation die Festung dem Feinde übergeben, und der Belagerung ein Ende machen; oder den Feind die Attaque continuiren lassen, und sich aus der Contrescarpe in das nächstgelegene Werk retiriren.
142. Durch Sappiren der Contrescarpe sich zu bemeistern.
1. Führet gerade gegen den Schulterwinkel zu von den letzten Approchen an durch das Glacis einen so weiten Gang, daß 2 bis 3 Musquetirer zugleich neben einander darinnen gehen können, der aber nirgend von der Festung enfiliret werden kan.
2. Bedecket ihn gegen die Seiten mit der Erde, welche ausgegraben wird, von oben mit Faschinen [616] und anderen Blendungen, damit man für dem Feuren der Belagerten darinnen sicher ist.
3. Leget wechselsweise Traversen darein, damit desto mehrere Bedeckung in ihm ist.
So ist die Sappe fertig und dadurch die Contrescarpe geöffnet, daß man sich darein logiren kan.
143. Der Gang, den sich der Feind über den Graben machet, wird die Gallerie genennet.
144. Eine Gallerie über den Graben für die Minirer zu machen.
1. Ruiniret vorher die Flanque, welche die Face defendiret, so unterminiret werden soll, durch die Gewalt eurer Canonen von euren Batterien.
2. Füllet den Graben mit Faschinen, darein ihr schwere Steine gestecket, damit sie untersinken. Denn die Faschinen werden aus Weiden zusammengebunden.
3. Auf den aufgefülleten Gang richtet die Joche auf, die 6’, 7’ bis 8’ hoch, und 4 bis 5’ breit sind.
4. Darüber machet ein Dach von Brettern, 2 Zoll dicke, und mit Blech beschlagen, damit es das Feuer nicht anzünden kan, und was von dem Walle darauf geworfen wird, herunter fället.
[617] 5. Auf der Seite, wo sie von dem Walle beschossen werden kan, verschlaget sie mit eben solchen Brettern, und versetzet sie mit Schantzkörben: auf der andern Seite aber könnet ihr mit schlechten Brettern zufrieden seyn.
145. Wenn ihr mit der Gallerie bis an die Face des Bollwerkes gekommen; so müsset ihr die Lücke an der Böschung gleichfalls mit einem Dache verdecken, damit niemand hineinsehen kan, und ihr sicher hineingehen könnet, wohin ihr wollet.
146. Wenn die Brêche zum Stürmen bequem ist, ohne daß sie erst durch Unterminiren erweitert werden darf; so hat man dergleichen Gallerie nicht nöthig, sondern darf nur den Graben füllen, damit man unter stetem Canoniren auf die Werke, welche die beängstigte Linie defendiren sollen, Sturm laufen kan.
147. Wenn es so weit gekommen, daß alles zum Hauptsturm fertig, pflegen die Belagerten gemeiniglich die Chamade zu schlagen, und durch Accord der Festung dem Feinde zu übergeben.