Auszüge aus dem Berichte des Schiffers Turner von seinem Besuche auf den Sandwichs-Inseln

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Titel: Auszüge aus dem Berichte des Schiffers Turner von seinem Besuche auf den Sandwichs-Inseln
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aus: Das Ausland, Nr. 83–84. S. 329–330; 336.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Auszüge aus dem Berichte des Schiffers Turner von seinem Besuche auf den Sandwichs-Inseln.

(Im Juli 1827.)

Auf Anordnung des Marine-Departments der Vereinigten Staaten ward von der Flotille im stillen Meere der commandirende Schiffer Turner mit dem Kriegs-Cutter, the Peacock, beordert einige der Societäts-, der Sandwichs- und andere Inseln zu besuchen, wo die Kauffahrer der Vereinigten Staten anzulegen pflegen, um Lebensmittel einzunehmen, Schiffsschaden auszubessern und Handel zu treiben. Der wackre Seeman hatte zugleich den etwas schwierigen Auftrag, mit den etwa auf jenen Inseln herrschenden Oberhäuptern förmliche Verträge in Betreff der Sicherung des nordamerikanischen Handels abzuschließen. Er hat sich, nach dem Berichte seines Oberbefehlshabers, Commodore Hull, dieses Auftrags auf eine sehr befriedigende Weise entledigt. Ueber seine Kreuzzüge hat er mehrere Bruchstücke in verschiedenen nordamerikanischen Blättern mitgetheilt, vornämlich über die Sandwichs-Inseln, welche wir hier zusammenstellen. –

Keine Nation treibt so bedeutende und mannigfaltige Handelsgeschäfte auf allen Inseln des stillen Oceans und durch denselben hin nach China und Ostindien als die nordamerikanische – wir sagen alle Inseln, denn schwerlich gibt es eine entdeckte, wo nicht einmal ein Kauffahrer der Vereinigten Staaten angelegt hätte, um zu sehen, was dort zu machen sey. Mit einer Kühnheit, welche die erfahrensten Nautiker in Erstaunen setzen muß, durchirren diese Schiffer mit ihren leichten Fahrzeugen, vornämlich mit den in Baltimore gebauten Schoonern, welche ganz eigentlich für diesen Handel eingerichtet sind, die gefährlichsten Korallenriffe und Niederungen, und selten hört man daß ein Schiff Schaden gelitten hat; denn wo gibt es Matrosen, welche so sorgsam aufpassen, wie die Nordamerikaner? Aus den Inseln Australiens, sowie von der amerikanischen Nordwestküste, sammeln sich diese Kauffahrer die mannigfaltigen Waaren, welche auf den ostindischen Inseln und an den Küsten der chinesischen Reiche – die ihnen nicht verschlossen sind, weil sie alles für ihren Verkehr wagen – Absatz finden, und zugleich verbreiten sie mancherlei Bedürfnisse und Annehmlichkeiten der civilisirten Welt unter die Kinder der Natur, welche jene paradiesischen Eilande bewohnen. Da der Anblick eines Kriegsschiffs unter amerikanischer Flagge bei allen diesen Insulanern, selbst bei denen, welche, wie die auf den Sandwichs-Inseln, schon bewanderter in der Welt sind, vortheilhaft für die ab- und zugehenden Kauffahrer der Vereinigten Staaten wirkt, so war jener Kreuzzug, den Turner vollführte, von hoher Wichtigkeit. Die Russen, welche oft mit Fregaten jene Eilande besuchten, hatten dadruch den Oberhäuptern nicht wenig imponirt. Daß aber die Nord-Amerikaner ein großes Interesse haben, namentlich auf den Sandwichs-Insel als eine Seemacht zu gelten, erklärt schon der einzige Umstand, daß während des Jahres 1826 in dem einzigen Hafen Hannahrourah, dem Haupthandelsplatz auf den Sandwichs-Inseln, nicht weniger als 87 amerikanische Schiffe mit 2000 Seeleuten und einem Werth von 5 Millionen Dollars an Bord eingelaufen sind. Dieser herrliche, als Ankerplatz und zum Ausbessern beschädigter Schiffe höchst vorzügliche Hafen Hannahrourah auf der Insel Woahu, ist zugleich die Residenz der Regenten der sämmtlichen Sandwichs-Inseln und war das vorzüglichste Augenmerk Turners. Er fand mit seinem kleinen Kriegsschiffe die beste Aufnahme, und es gelang ihm den Vornehmen der Insel, – welche alle selbst Handel treiben, namentlich mit Sandelholz – begreiflich zu machen, daß sie von keiner Nation wohlfeiler und reichlicher mit europäischen Bedürfnissen versorgt werden können, als von den Amerikanern. Es scheint sogar zum Abschlusse eines schriftlichen Handelstractats gekommen zu seyn, doch werden dessen Bedingungen nicht näher mitgetheilt. Der wichtigste, einflußreichste Mann auf der ganzen Insel und am Hofe von Woahu ist der Premier-Minister Karaimoku, auch Billy Pitt genannt. Er diente bereits dem Könige Reho-Reho, der mit seiner Gemahlin Ka-mera-mera im Juli 1824 in England starb, und ist jetzt Vormund oder Stellvertreter des jungen Königs Keopulani (geboren 1814.) Dieser Premierminister am Hofe von Woahu ist wirklich ein Mann von überwiegendem Talente und beweist viel Scharfsinn und Einsicht in die Verhältnisse der Völker; als Rathgeber und Krieger war er von Jugend auf bei seiner Nation geachtet. Er ist ein wohlgestalteter, schöner Mann, 50 bis 60 Jahre alt, und geht gewöhnlich in einem Anzuge von bleifarbigem Seidenkamelot mit einer weißen Marseille-Weste und weißen seidenen Strümpfen. Dadurch, daß er selten oder nie dem unter dem Adel von Woahu allgemein herrschenden Laster der Trunkenheit fröhnt, zeichnet er sich vortheilhaft aus. Er spricht gut englisch und ist ein Mann von der heitersten Laune. Eines Abends trank der Premierminister, von einem seiner Freunde begleitet, bei Turner Thee. [330] Als diese Sandwichs-Insulaner genug getrunken hatten, kehrten sie die Tassen um und legten die Theelöffel queer darüber. Turner fragte nach der Ursache. Karaimoku antwortete: Die Fremden machen es so, wenn sie nicht mehr Thee wollen. „vielleicht die Matrosen im Schiffsraum, erwiederte Turner, feine Herren lassen blos die Löffel in den leeren Tassen.“ Eines Abends waren jene beiden Oberhäupter wieder bei Turner zum Thee. Als Karaimoku zur Genüge hatte, folgte er sorgfältig Turners Rath, weil es so in feiner Gesellschaft Sitte sey; sein Freund aber hatte die Lehre vergessen und kehrte seine Tasse wieder um; da rief Karaimoku lachend: „Seht, der Kerl gehört in den Schiffraum; er hat seine Tasse umgekehrt.“

[336] Ahnenstolz herrscht auf den Inseln in einem so hohen Grade, wie bei den ältesten Monarchien Europa’s, und die Nachkömmlinge der alten Könige von Owaihi sind so eitel auf ihre Herkunft, als wären sie Sprößlinge der hohen Häuser Este oder Habsburg.

Der Adel besteht aus drei Classen; die erste Classe umfaßt die königliche Familie und deren nächste Anverwandte; die zweite begreift die Verwalter der erblichen Aemter und die Befehlshaber auf den übrigen Inseln; denn alle Sandwichs-Inseln stehen jetzt unter Woahu; die dritte Classe besteht aus den Regenten der Districte und aus den Oberhäuptern untern Rangs. Diese Classe ist nicht zahlreich und wenig geachtet; die zwei ersten Classen nennt man die hohen Chefs; ihre Zahl ist nur geringe, sie sind durch Blutsverwandtschaft und Heirath aufs engste verbunden und bilden eigentlich nur eine einzige Familie. Alle übrigen Sandwichs-Insulaner sind Leibeigene, müssen für die Häuptlinge arbeiten, besitzen eigentlich gar kein Eigenthum, haben nicht das Vorrecht, europäische Kleidungsstücke zu tragen und sich zu berauschen; trifft dieß dennoch ein, so erhalten sie tüchtige Schläge, womit überhaupt der Adel gegen das gemeine Volk sehr freigebig ist. Uebrigens ist dieses Adelssystem noch unendlich höflicher, als die ehemalige Courtoisie Frankreichs. Das Salische Gesetz steht tief unter der Lehnsordnung der Sandwichs-Inseln; denn der Rang ist nicht in männlicher, sondern in weiblicher Linie erblich. Die edlen Frauen von Woahu müssen dem Himmel danken, daß sie auf den Inseln der Südsee und nicht in den Burgen der alten Welt geboren sind. Diese Damen von hohem Adel haben den Vorzug ihrer Geburt vornämlich durch Wohlbeleibtheit und Feistigkeit zu erhärten. Die Befehlshaberin von Atooi (Tauai), die Schwester des Taumaurai wiegt an vierhundert Pfund; Namahaua, eine der Gemahlinnen des Tameha-meha, Großvaters des jetzigen Königs, wiegt 290 Pfund; ihre Schwestern Kaahumanu und Kalakua fast eben so viel; ihr Bruder Kuakini, Befehlshaber von Oaihi, kaum 25 Jahre alt, 325 Pfund. – Um zu solcher stattlichen Feistigkeit anzuschwellen, mästen sich diese vornehmen Herrschaften von frühster Jugend namentlich mit Poe, einem Brei von der höchst nahrhaften Taro-Wurzel, welche das Hauptnahrungsmittel der Insulaner bildet. Uebrigens wissen die Damen nichts von Sorgen, Liebeswehen und Sentimentalität, wovon sie abmagern könnten, und auch bei ihnen gehört es zum guten Ton, täglich so viel starke Weine und Rum zu sich zu nehmen, daß sie aufs furchtbarste berauscht hinsinken. Statt daß sich die nordamerikanischen und europäischen Damen zuweilen noch Schooshündchen und Schooskätzchen erziehen, haben die vornehmen Sandwichs-Insulanerinnen noch immer eine entschiedene Vorliebe für – Schweine, nicht für Spanferkel, nein für erwachsene Eber und Säue. Diese Lieblingsschweine genießen am Hofe so großer Vorrechte, wie in manchen europäischen Palästen die Jagdhunde. Turner fand im Palaste zu Woahu ein Schwein dieser Art, etwa 400–500 Pfund schwer, nach der verwittweten Königin Kaahumanu genannt, welches ungehindert durch alle Thüren brach und allenthalben herum schnuffelte; nicht selten bettete es den gewaltigen Leib auf dem Sammt und Seidenzeuge des königlichen Lagers. Eine Katze darf, nach dem Sprichwort, wohl einen König ansehen, aber daß ein Schwein ein königliches Lager besudeln darf, ist doch das Non plus ultra des Radicalismus.

Die Namen der Vornehmen sind oft von sehr poetischer Bedeutung. Keo-pulani bedeutet: Anhäufung der Himmelswolken; Tameha-meha, der Einzige; Tameha-maru – ein Name, den die Königin nach dem Tode ihres Vaters annahm – Schatten des Einzigen; Kuahumahu heißt der Feder-Mantel; Kalakua: der Weg der Götter; Kapiolani: die Gefangene des Himmels; Lea lea hoku: das Halsband aus Sternen.

Als ein Beweis, wie beliebt die amerikanischen Missionäre auf den Sandwichs-Inseln sind, mag folgender Brief der obenerwähnten Königin Kuahumahu, auf Atooi dienen.

Kairua, den 15. November 1826.

Liebe für Euch, Hr. Loomis, so wie für Frau Loomis, Hrn. Chamberlain, Hrn. und Frau Ruggler. Ich habe Neigung für Euch, Hr. Loomis, weil Ihr mich gefragt habt, was Eure (der Missionäre) Fehler sind. Das ist gut. Ich sage Euch jetzt die Wahrheit. Ich weiß nicht, was Eure Fehler sind. Eins weiß ich von Euch, das Wort Gottes, welches Ihr mir gesagt habt – mein Herz erkennt: es ist gut Ding. Ich betrachte es jetzt – da bin ich – ich werde nicht zurückkehren – da bin ich für immer. Ich weiß keinen Fehler von Euch, dessen ich erwähnen könnte; auch nicht von Herrn Bingsham, oder Herrn Bishop, oder Herrn Thurston, oder Herrn Whitney, oder Herrn Ely – ich weiß von Euch allen nicht den geringsten Fehler. Es sind Eure Landsleute, die machen Verwirrung, Leute aus Amerika und England, und wir werden auch von ihnen getadelt. Aber wir werden doch nicht abfallen – das Volk folgt sehr Jesu Christo nach. Es ist nicht unsertwegen (der Häuptlinge und Missionäre wegen), daß dessen (des Volkes) Hass erregt ist. Das ist meine Meinung. Ich sage Euch, Herr Loomis, grüßt den Präsidenten der Vereinigten Staaten von mir und auch alle Missionäre und alle Freunde. unser aller Liebe ist dort. – Sagt ihnen allen, wie mein Herz geleitet ist auf die wundervollen Werke Jehovah’s. Unsere Herzen sind durch den Geist Gottes dahin geleitet. So sind wir alle. Wir und alle unsere Freunde werden nicht abfallen. Das Uebel kommt über uns alle, aber wir werden uns nicht durch dessen Versuchung in die Schlinge ziehen lassen. Das wäre gewiß schlecht. Wir sind unser sicher. Von Elisabeth Kuahumahu, Schwester von Euch allen. Wir sind alle Diener Jesu Christi.