Aus der Samariterschule

Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Aus der Samariterschule
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 310–312
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Informationen zur Erste Hilfe nach Friedrich von Esmarch
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[310]

Aus der Samariterschule.

Praktische Winke für die Leistung der ersten Hülfe bei plötzlichen Unglücksfällen.

Mit welchen Erfolgen in überraschend kurzer Zeit die Bemühungen der St. John-Ambulance in England gekrönt wurden, das lebt noch in frischer Erinnerung unserer Leser (vgl. „Gartenlaube“ Nr. 14!). Auch der Ruf, welchen vor wenigen Monaten der hochverdiente Professor Esmarch zur Gründung von Samariterschulen an das deutsche Volk ergehen ließ, verhallte nicht ungehört. Er hat bereits in den großen Städten, den Centren des Verkehrs und der Bildung, gezündet, und er wird von hier aus sicher in [311] die weitesten Schichten des Volkes dringen. Freilich wird zur Erreichung des hohen Ziels noch eine machtvolle Agitation entfaltet werden müssen; die Apostel des Samariterdienstes dürfen in ihren Belehrungen nicht erlahmen, und die Presse, die Trägerin und Verbreiterin des Fortschritts, hat die Pflicht, das Volk über die Ziele und den hohen Nutzen dieser wohlthätigen und menschenfreundlichen Gründung in der eingehendsten Weise aufzuklären.

Wir glauben nun, diese Pflicht am besten zu erfüllen, indem wir im Nachstehenden den von Professor Esmarch soeben herausgegebenen und für Aerzte, welche Samariterschulen gründen wollen, bestimmten Leitfaden[1] theilweise citiren. Mögen sich unsere Leser dadurch veranlaßt fühlen, dort, wo Samariterschulen bereits bestehen, denselben beizutreten und, wo sie bis jetzt noch fehlen, an der Agitation zur Gründung derselben den regsten Antheil zu nehmen.


1.0 Die erste Hülfe bei Verwundungen.

Schon einmal hat die „Gartenlaube“ von den großen Fortschritten, welche die moderne Chirurgie in der Behandlung der Wunden gemacht hat, ausführlich berichtet. (Vergl. Jahrg. 1881, Nr. 12.) Wir erinnern hier nur an die Entdeckung der Ursachen, durch welche die Eiterung und die Wundfäulniß hervorgerufen werden und welche stets in der Verunreinigung der Wunde durch mikroskopische Fäulnißerreger gesucht werden müssen, und an die von dem berühmten schottischen Chirurgen Lister[WS 1] eingeführte Methode der antiseptischen, das heißt fäulnißwidrigen Wundbehandlung, durch welche die von der Luft in die Wunde etwa gelangenden Fäulnißkeime getödtet und unschädlich gemacht werden. Nach dieser Methode, welche in dem oben angeführten Artikel der „Gartenlaube“ mit vollstem Recht als eine „Großthat der Humanität“ bezeichnet wurde, muß auch der Laie verfahren, wenn er genöthigt ist, bei plötzlichen Unglücksfällen einem Verwundeten die erste Hülfe zu leisten, und er wird die Grundsätze derselben am besten kennen lernen, wenn er erfährt, wie gegenwärtig von den Aerzten behufs einer Operation eine Wunde gemacht und wie diese Wunde verbunden wird. Hören wir also, was hierüber Professor Esmarch in seiner Samariterschule vorträgt:

„Wenn die Aerzte z. B. irgendwo am Körper eine Geschwulst (eine Balg- oder Fettgeschwulst) fortnehmen müssen, so wird zunächst der Patient auf einem Tische bequem gelagert und durch Vorhalten einer mit Chloroform benetzten Gazemaske betäubt. Unterdessen waschen sich nicht blos der Operateur, sondern auch seine Assistenten und Alle, welche bei der Operation Hülfe zu leisten haben, die Hände und Arme auf das Sorgfältigste mit Seife und Bürste und spülen sie darnach gründlich mit Carbolwasser ab. Alle Instrumente, Schwämme und sonstige Utensilien, welche bei der Operation gebraucht werden, müssen vorher noch einmal gründlich gereinigt und dann in Carbolwasser eingetaucht werden. Ehe die Operation beginnt, wird mit Hülfe eines Zerstäubers (Refraicheurs, Sprühapparats) ein starker Nebel von Carbolwasser erzeugt, welcher während der ganzen Operation und bis zur Beendigung des Verbandes sich sowohl auf den Patienten, wie auch auf den Operateur und alle Umstehenden niedersenkt und sie bei langer Dauer nicht selten durchnäßt. Er tödtet die in der Luft schwebenden Keime der Fäulnißerreger, ehe sie sich auf die Wunde niedersenken. Auch der Körpertheil, an welchem die Operation vorgenommen werden soll, wird vorher durch Rasiren, durch Bürsten mit Seife und durch Waschen mit Aether und Carbollösung auf das Gründlichste gereinigt.

Nun erst wird die Operation ausgeführt, bei welcher nichts mit der Wunde in Berührung kommen kann, was vergiftend auf dieselbe wirken könnte.

Ist die Geschwulst herausgelöst und die Blutung durch Unterbindung der Adern mit carbolisirten Darmsaiten gestillt, dann wird die ganze Wunde noch einmal mit Carbolwasser ausgespült. Darauf legt man an einigen Stellen kleine Röhren (Drainröhren) ein, welche die etwa in der Tiefe sich ansammelnden Wundflüssigkeiten ableiten sollen und schließt nun die Wunde genau durch die Wundnaht.

Dann folgt der Verband. Die Wunde und die ganze Umgebung derselben wird in ein dickes Polster eingehüllt, welches aus einem der bekannten antiseptischen Verbandsstoffe besteht (aus Carbolwatte, Carbolgaze, Jodoformtorf oder dergl.); dasselbe wird durch eine carbolisirte Gazebinde festgewickelt. Darüber legt man eine elastische Gummibinde, welche den Verband so fest andrückt, daß von den Rändern her keine Luft zu der Wunde treten kann. Dieser antiseptische Verband bleibt gewöhnlich acht bis vierzehn Tage (je nach der Größe der Wunde) unberührt liegen, und wenn er dann abgenommen wird, findet man in der Regel die ganze Wunde vollständig durch erste Verklebung geschlossen, und in der Regel hat auch der Operirte während dieser ganzen Zeit keine Schmerzen empfunden, kein Wundfieber gehabt, keinen Eiter verloren und ist allen den Gefahren, welche die Eiterung mit sich bringt, glücklich entronnen.

Auch die von faulendem Eiter herrührenden üblen Gerüche, welche früher die Krankenzimmer und Hospitäler verpesteten, kommen jetzt nur noch ausnahmsweise vor, und zwar in solchen Fällen, welche nicht von Anfang an antiseptisch behandelt werden konnten.

Wenn ich Ihnen nun gezeigt habe, mit welcher Sorgfalt und Vorsicht wir Aerzte zu verhüten suchen, daß irgend welche Schädlichkeiten die frische Wunde treffen, so werden Sie mir Recht geben, wenn ich auf die Frage:

Wie soll sich der Laie bei Verwundungen verhalten?

die Antwort gebe: er soll vor Allem sich den Grundsatz zu eigen machen, den auch der Arzt als den wichtigsten für sein Handeln anerkennt und welcher lautet: Nur nicht schaden!

Wie gefährlich jede Verunreinigung für die Wunden ist, habe ich Ihnen aus einander gesetzt. Man bringe daher weder Charpie, noch Heftpflaster, noch gebrauchte Schwämme, noch schmutzige Leinwand mit der Wunde in Berührung, fasse sie auch nicht mit schmutzigen Fingern an!

Ist die Wunde verunreinigt (durch Sand, Erde, Straßenkoth etc.), so soll man sie und ihre Umgebung abwaschen und abspülen, aber nur mit reinem Wasser und reiner Leinwand (Taschentuch, Handtuch, Serviette etc.).

Ganz klares Brunnenwasser, See- oder Flußwasser darf zur Noth gebraucht werden; besser ist solches Wasser, welches schon gekocht hat, weil durch Kochen die Fäulnißerreger zerstört werden.

Am besten ist es, dem Wasser eines der fäulnißwidrigen Mittel zuzusetzen, und ich spreche hiermit den Wunsch aus, daß in jeder Haushaltung ein Glas mit einer der früher genannten antiseptischen Lösungen (Carbol-, Salicyl-, Borlösung), welche in jeder Apotheke zu haben sind, vorräthig gehalten werden möge.

Wenn man dann als Verband auf die Wunde ein Stück reine Leinwand (Compresse) legt, welche in diese Flüssigkeit getaucht ist, so ist man sicher, dem Verwundeten wenigstens keinen weiteren Schaden zu thun, bis der Arzt kommt.

Ist kein Arzt in der Nähe und muß der Verwundete zu ihm hingebracht werden, so ist es nothwendig, diesen vorläufigen Verband mittelst eines Tuches oder einer Binde auf der Wunde zu befestigen und zugleich das verwundete Glied gut zu unterstützen.

Ist die Wunde mit einer Schicht von geronnenem Blute überzogen, so hüte man sich, dieselbe abzuwischen oder wegzuspülen, weil man dadurch die Blutung auf’s Neue hervorrufen könnte!“

Wir begegnen in der Regel bei den Wunden noch einer anderen Erscheinung, welche oft den Tod des Verletzten verursacht, der Blutung, deren Gefährlichkeit von der Größe und der Art der geöffneten Adern abhängt. Aber auch diese Gefahr wußte die Chirurgie in der jüngsten Zeit auf die sinn- und erfolgreichste Weise zu mildern, indem sie gegen dieselbe das einfache Mittel der elastischen Einschnürung anwandte. Wir verzichten jedoch darauf, auf dieses Capitel hier näher einzugehen, da wir zu unserer Freude von dem großen Chirurgen, welcher dieselbe erfunden und eingeführt hat, von Professor Fr. Esmarch selbst, einen speciell dieses Thema behandelnden Artikel für die „Gartenlaube“ freundlichst zugesagt erhielten.


2.0 Die erste Hülfe bei Brandverletzungen.

Es sei uns noch gestattet, auf die Verhütung und Behandlung einer Verletzung einzugehen, welche in Folge von Unvorsichtigkeiten leider so oft in den Familien vorkommt und von den schmerzlichsten und gefährlichsten Folgen begleitet sein kann. Es ist dies die durch Einwirkung starker Hitze, des Feuers, der Flamme oder geschmolzener Metalle auf die Haut und die darunter liegenden Theile entstehende Verbrennung, oder die durch heißes Wasser oder [312] Dampf verursachte Verbrühung. Die ermahnenden Worte, welche Professor Esmarch diesem Capitel seiner Samaritervorträge vorausgehen läßt, verdienen wahrlich tausend- und aber tausendmal gedruckt und wiederholt zu werden. Den Hausvätern und Hausmüttern möchten wir sie vor Allem an’s Herz legen.

„Außer den Theaterbränden, welche so massenhafte Opfer fordern,“ sagt unser Gewährsmann, „sind es die Gasexplosionen, welche meist vom gedankenlosen Offenlassen der Gashähne herrühren, sind es die Petroleumbrände, welche durch leichtsinnigen Gebrauch des Petroleums zum Anheizen oder durch sorglose Behandlung der Petroleumlampen verursacht werden.

Im Allgemeinen scheint das weibliche Geschlecht in dieser Beziehung unvorsichtiger zu sein als das männliche. Wie häufig gerathen nicht die leichten Kleider der Damen in Brand dadurch, daß sie mit Kerzen oder Spirituslampen, mit Benzin und Petroleum sorglos umgehen!

Wie viele Feuersbrünste dadurch entstehen, daß man Kinder mit Zündhölzchen spielen läßt, darüber berichten ja fast täglich die Zeitungen, und wie oft es vorkommt, daß gedankenlose Mütter oder Kindermägde Gefäße mit kochend heißer Milch oder Suppe so hinstellen, daß kleine Kinder sich dieselben über Gesicht und Hals, Brust und Arme reißen, das müssen wir leider nur zu oft in der Klinik erfahren, wo wir die nach solchen Verbrennungen zurückbleibenden entdeckenden Narben auf operativem Wege zu beseitigen haben. Wie viele Unglücksfälle der Art aber könnten verhütet werden, wenn Jedermann es für seine Pflicht hielte, recht eindringlich zur Vorsicht aufzufordern, so oft er Zeuge solcher Unvorsichtigkeit sein muß. Aber Viele schweigen und gehen ihres Weges, wie der Priester und der Levit, und entschuldigen sich selbst mit dem Worte: ‚Was geht es mich an! Laß doch Jeden für sich selbst sorgen!‘ Wer aber ein Samariter sein will, der übernimmt nach meiner Auffassung von unserem Werke auch die ernste Verpflichtung, in allen solchen Fällen energisch seine Stimme zu erheben und zur Vorsicht zu ermahnen, selbst wenn es als unberufene Einmischung in anderer Leute Angelegenheiten erscheint.

Dulde doch Niemand von uns in seinem Hause, daß die Petroleumkanne nach Sonnenuntergang geöffnet werde und wo ein Licht oder ein Feuer in der Nähe ist, oder daß die Dienstboten Morgens in der Küche mit Petroleum das Feuer anlegen oder daß Abends bei Licht noch mit Benzin die Flecken aus den Kleidern beseitigt werden. Sorge doch Jeder, daß nicht Zündhölzer oder Gefäße mit heißen Flüssigkeiten sich im Bereiche seiner Kinder befinden! Und wer seiner Frau oder seinen Töchtern leichte Stoffe zu Ballkleidern oder Vorhängen schenken will, der lasse sie doch vorher unverbrennlich machen!

Das Verfahren ist so einfach und so billig, und die Farben der Stoffe werden dadurch nicht verdorben. Es sollte allgemein bekannt sein, daß es genügt, solche Stoffe in eine Lösung von schwefelsaurem Ammoniak zu tauchen und sie darnach wieder zu trocknen und zu bügeln. Kommen sie dann mit einer Flamme in Berührung, so lodern sie nicht auf, sondern verkohlen langsam wie Zunder.

Wie kann man aber helfen, wenn z. B. die Kleider einer Frau in Brand gerathen sind? Wie geht es gewöhnlich dabei zu? Flammen hüllen die Unglückliche ein, versengen ihre Arme und Hände, ihren Hals und ihr Gesicht; Haare und Mütze lodern hell auf. Am besten würde es sein, wenn sie sich gleich zu Boden würfe und sich herumrollte und so die Flammen durch Druck erstickte. Aber dazu fehlt gewöhnlich die Geistesgegenwart; laut schreiend stürzt sie fort; der Zug verstärkt die Flammen, und wie eine wandernde Feuersäule rast die Unglückliche von dannen.

Was ist da zu thun? Man laufe nicht fort, um Wasser zu holen, sondern ergreife die erste beste Decke oder ziehe rasch den eigenen Rock aus, umwickle damit die Brennende, werfe sie nieder auf den Boden und rolle sie, bis die Flammen erstickt sind. Dann erst hole man Wasser, viel Wasser, begieße, durchnässe sie gründlich von oben bis unten; denn die heißen, verkohlten Kleider brennen noch weiter in’s Fleisch hinein. Ebenso kühlt man bei Verbrühungen durch heißes Wasser oder Dampf (Kesselexplosionen) zunächst durch reichliches Uebergießen mit kaltem Wasser Körper und Kleider ab.

Darnach trage man die Verbrannte behutsam in ein warmes Zimmer, lege sie auf den Boden auf einen Teppich, oder auf einen Tisch, nicht in ein Bett, weil man in einem solchen nicht gut weiter hantiren kann, und schicke sofort zum Arzte. Klagt die Verbrannte über Durst, so gebe man einen warmen, erregenden Trank (Thee, Grog), weil nach stärkeren Verbrennungen die Temperatur des Körpers alsbald zu sinken beginnt.

Dann müssen zunächst die Kleider entfernt werden, wobei man mit der größten Vorsicht und Sorgfalt verfahren muß. Dazu nehme man womöglich zwei Personen zu Hülfe, von denen eine sich auf die andere Seite des Verbrannten stellt, die zweite das Nöthige zureicht.

Man nehme darauf eine gute große Scheere oder ein scharfes Messer und schneide vorsichtig alle Kleidungsstücke so durch, daß sie von selbst abfallen. Nichts darf durch Ziehen oder Reißen entfernt werden, weil man sonst die Blasen zerreißt. Man versuche nur nicht, aus unzeitiger Sparsamkeit, etwas von der Kleidung erhalten zu wollen. Ist etwas an der Haut festgeklebt, so lasse man es daran sitzen und umschneide es mit scharfem Messer oder Scheere. Langsames Durchsägen mit stumpfen Messern macht unsägliche Schmerzen. Nur muß man keine Blasen abreißen; denn die Oberhaut bildet den besten Schutz für die sonst entblößte Unterhaut. Höchstens darf man sie, wenn sie recht gespannt sind, mit einer Nadel aufstechen, damit das Wasser ausfließt.

Ist immer noch kein Arzt zur Stelle, so ist die nächste Aufgabe, die verbrannten Hautstellen vor dem Einflusse der Luft zu schützen. Dabei ist zu beachten, daß Umschläge von kaltem Wasser gewöhnlich die Schmerzen vermehren. Viel wohlthuender ist es, der Haut einen Ueberzug von Fett, Oel oder einer trockenen Substanz zu geben, unter welcher sich gewöhnlich bald die Schmerzen vermindern.

Man begieße also die verbrannten Stellen reichlich mit Oel (Lampenöl, Salatöl, Ricinusöl, oder was gerade zur Hand ist) oder bestreiche sie mit Fett, Schmalz, Butter, Gummischleim oder flüssigem Leim oder bepulvere sie mit Mehl, Stärke, Kohlenpulver, doppeltkohlensaurem Natron (Bullrich’s Salz) oder hülle sie sorgfältig ein in reine lockere Watte, von der man zuvor den glänzenden Ueberzug abgezogen hat. Ist eine Apotheke in der Nähe, so schicke man nach Brandsalbe, einer Mischung von Leinöl und Kalkwasser, mit der man die verbrannten Stellen beträufelt; darüber legt man Watte oder kleine Läppchen von feiner Leinwand.

Aber auch das antiseptische (fäulnißwidrige) Verfahren, welches ich bei der Wundbehandlung schilderte, ist in neuerer Zeit bei Verbrennungen mit dem besten Erfolge angewendet worden.

Der Eiter, den die Brandwunden[WS 2] in großer Menge absondern, nimmt sehr bald durch Fäulniß einen sehr üblen Geruch an, was die Kranken nicht nur auf das Aeußerste quält, sondern sie auch allen früher geschilderten Gefahren der Eiterung aussetzt. Es ist deshalb nothwendig, die angewendeten Mittel mit irgend einer antiseptischen Substanz zu vermischen, z. B. Carbolsäure oder Thymol dem Oel zuzusetzen, oder dasselbe nachträglich aufzulegen, wenn es anfangs nicht zur Hand war. Dies kann immer noch geschehen, wenn erst der Arzt da ist. Diese antiseptischen Mittel, namentlich das Thymol, verhüten nicht nur den üblen Geruch des Eiters, sondern pflegen auch die Schmerzen wesentlich zu lindern. Es ist deshalb zu wünschen, daß die Apotheker stets Brandsalbe vorräthig halten, welche mit (1 0/0) Thymol vermischt ist.“

Wir beschließen hiermit unsere Auszüge aus den Vorträgen der Samariterschule; denn es kann nicht unsere Aufgabe sein, durch eine Reihe von Artikeln die Leser zur richtigen Leistung der ersten Hülfe in der Noth auszubilden. Dazu ist der lebendige Vortrag eines erfahrenen Arztes nothwendig, der außerdem seinen Schülern Vieles durch Abbildungen verständlich macht; dazu sind vor Allem praktische Uebungen nöthig, welche unter seiner Leitung auszuführen sind. Glaube daher Niemand, wer solche Aufsätze oder Bücher gelesen, er sei nunmehr ein fertiger Samariter und wisse schon das Nöthige! Nein, wer das Herz hat, seinem Nächsten in der Noth beizuspringen, der strebe zunächst mit aller Kraft danach, daß in seiner Heimath eine Samariterschule gegründet werde, und besuche sie dann fleißig! Er lege nicht die Hände in den Schooß und denke kleinmüthig, daß unsere Zeit abgestorben sei für die edlen Werke der Nächstenliebe! Wahrlich, das Jahrhundert, in welchem das rothe Kreuz überall zu Ehren gelangt ist, in welchem die menschenfreundliche Vorsorge für die Arbeiterclassen ihre Triumphe feiert, in welchem Kindergärten, Kinderheilstätten und Feriencolonien zur Blüthe gedeihen, es wird auch die Samariterschulen fördern und unterstützen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Joseph Lister (1827-1912)
  2. Vorlage: Bandwunden
  1. „Die erste Hülfe bei plötzlichen Unglücksfällen“ von Dr. Friedrich Esmarch. (Leipzig, F. C. W. Vogel. Preis 1,50 Mark.)

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