Aus den Tagen des letzten Ritters

Textdaten
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Autor: Dr. Ks.
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Titel: Aus den Tagen des letzten Ritters
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 701, 702
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[701] Aus den Tagen des letzten Ritters. Es ist wahr, im Mittelalter nahm der Handwerksmann innerhalb der Gesellschaft eine ziemlich tiefstehende Stellung ein. Der fahrende Ritter, der stolze Kaufherr, selbst der zerlumpte Scholar sah mit einer Art Verachtung auf das städtische Pack, das sich nach Knieriemen und Ahle bückte, herab. Doch würden wir sehr irren, wenn wir dieses übrigens nicht durchgehends und allerwärts bestehende Verhältniß auf den Mangel gesunden Ehrgefühls innerhalb der Handwerksschichten selbst zurückführen wollten. Der ehrsame Nürnberger und Augsburger Meister blickte mit Stolz auf sein Handwerk; sein Wort galt in der Gemeinde. Die Zunft, der er angehörte, wachte eifersüchtig auf die Beobachtung der Standesehre, und tausendfältig waren in Uebertretungsfällen die kleinen Mittel, mit denen die Zunft, namentlich in kleineren Städten, die Ehre eines Mannes, dem von Rechtswegen nicht beizukommen war, empfindlich zu schädigen verstand. In Erfurt lebte gegen die Neige des fünfzehnten Jahrhunderts ein Schneiderlein Namens Hans Vischer. In einer bösen Stunde hat sich Hans vielleicht mehr aus Unbedacht als mit bösem Sinne gegen Gesetz und Recht vergangen. Der Richter findet ihn nicht straffällig, aber die Zunft fühlt sich durch seine That an ihrer Ehre gekränkt. Unbarmherzig wird er von ihr verstoßen; die Geheimnisse des Meistersangs und der Tabulatur bleiben ihm fortan verschlossen; Meister und Gesellen spotten seiner und meiden den Armen. In der Werkstätte wird es stille – er ist ein ruinirter Mann.

In dieser schweren Noth hält er flehend seine Hände zu dem höchsten weltlichen Schirmherrn des heiligen römischen Reichs, dem ritterlichen Maximilian, empor, und siehe – der edle Fürst giebt dem schwergekränkten Schneiderherzen den langentbehrten Frieden wieder. Das war ein Tag froher Genugthuung, als er aus den Händen des ehrsamen Raths den pergamentnen Brief des Königs mit dem großen Wachssiegel empfing, welcher Hoch und Niedrig, vom Kurfürsten bis zum letzten Unterthan herab, fortan Schweigen und Vergeben gebietet.

Lesen wir den Brief, der hier genau nach dem Originale mit den [702] zum sprachlichen Verständnisse nothwendigsten Veränderungen wiedergegeben wird:

„Wir, Maximilian etc. Da Hans Vischer der Schneider von den Meistern des Schneiderhandwerks zu Erfurt, dieses Handwerk zu treiben verhindert, auch in der Zunft und gemeinen Versammlungen gemieden und ausgeschlossen wird, deshalb weil er dabei gewesen, als durch eine andere Person einem Bauersmann in der Stadt Erfurt ein Hase genommen ist, wir aber glaublich Anzeige und Unterricht empfangen, daß solch’ Geschichte aus keinem bösen Vorsatz oder Willen, sondern unbedacht gehandelt, und deßhalb weder von den Regenten daselbst zu Erfurt oder der Person, der solcher Hase zugehört, noch auch von dem Bauersmann gegen den Thäter etwas vorgenommen würde und ferner, da der gemelte Hans zu derselben That keinerlei Hilfe oder Verheng gethan oder Hand angelegt, so haben wir auch aus anderen Ursachen mit wohlbedachtem Gemüthe, gutem Rathe und eigenem Bewegen folgendes erklärt: Wir ordnen und erklären auch aus königlicher Machtvollkommenheit wissentlich in Kraft dieses Briefes: die obberührten Geschichten, auch die Handlung und Erkenntniß, welche der Bürgermeister und Rath der Stadt Erfurt über den Handel zwischen dem Schneiderhandwerk und dem genannten Vischer gethan, sollen, obgleich der Hans Vischer zu solchem Nehmen des Hasen Rath und Hilfe gethan und deßhalb angezogen (zu Rechenschaft gezogen) werden mocht’, dem Hans Vischer nach unserem Erfinden an seiner Ehre und guten Leumbden keinerlei Verletzung, Nachtheil oder Schaden bringen, noch auch ihm weder innerhalb noch außerhalb des Gerichtes zu Schmach, Schaden und Ungut vorgehalten oder wider ihn gebraucht werden in kein Weise. Wir gebieten darauf allen und jeglichen Churfürsten, Fürsten, Bischöfen, Prälaten, Grafen, Rittern, Städten etc. und in Sonderheit dem gemelten Bürgermeister, Rath und den Meistern des Schneiderhandwerkes zu Erfurt und sonst allen anderen unseren und des Reichs Unterthanen und Getreuen, in was Würden und Wesen die seien, ernstlich und fest mit diesem Brief und wollen, daß sie deßhalb den obgenannten Hans Vischer Nichts zuziehen, irren, verhindern und beschweren, ihn ungehindert sein Handwerk üben lassen, in Zünften und anderen ehrlichen Versammlungen zuzulassen und ihn nicht zu meiden und auszuschließen, noch gegen Alles, was oben steht, zu handeln in kein Weise. So lieb einem jeden sei unser und des Reichs Ungnade und Strafe und dazu Verlierung einer Pön von zehn Mark löthigem Goldes, halb für die Cammer des Reichs, halb für den obgenannten Hans Vischer zu zahlen. Mit Urkunde dieses Briefs, besiegelt mit unserem königlichen anhangenden Insiegel. Gegeben zu Freiburg im Breisgau, am 27. August ao. 1498.“

Dr. Ks.