Aus den Arbeitssälen des Kunsthandwerks/Die Goldschmiedekunst

Textdaten
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Autor: Julius Lessing
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Titel: Aus den Arbeitssälen des Kunsthandwerks/Die Goldschmiedekunst
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 371–374
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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2. Die Goldschmiedekunst.


Wir haben in einer neulichen Besprechung der modernen kunstgewerblichen Bestrebungen gesehen, in welchem schwierigen Verhältniß die Kunst und die Mode zu einander stehen, wie schwer es ist, bei der Forderung einer künstlerischen Ausschmückung unseres Hauses überall den praktischen Bedenken und den zufälligen Strömungen des Geschmackes Rechnung zu tragen. Es kommt darauf an, im Einzelnen zu beweisen, wie das Handwerk sich aus der allgemeinen Verwirrung, welche auf diesem Gebiete jetzt herrscht, zurechtfinden und zu künstlerischen und zugleich brauchbaren Formen der Geräthschaften gelangen kann.

Wir möchten den Kreis dieser Betrachtung mit dem Goldschmucke eröffnen, nicht etwa, weil er das wichtigste Lebenselement unseres Gebrauches oder unseres Gewerbes wäre, sondern weil wir hier doch unzweifelhaft es mit Stücken zu thun haben, bei welchen der reine Gebrauchswerth ganz in den Hintergrund tritt gegen die künstlerische Form, welche wir diesen Stücken zu geben haben. Bei der Wahl des Kleides, der Tapete, der Möbel mögen schließlich praktische Erwägungen so überwiegen, daß man selbst gegen sein besseres Gefühl die Rücksichten der Schönheit opfert. Es sollte so nicht sein, aber es ist doch entschuldbar. Bei der Auswahl eines Schmuckgegenstandes dagegen wird man sich der Verpflichtung nicht entziehen können, etwas wirklich Schönes und Geschmackvolles zu wählen. Sollte man es glauben, daß auch auf diesem Gebiete die ärgste Verwilderung herrscht, daß rohes Prunken mit dem Material an die Stelle der künstlerischen Durchbildung tritt?

Es ist in den letzten Jahren an manchen Stellen eine Wendung zum Besseren unverkennbar eingetreten, aber die große Mehrzahl, besonders der deutschen Erzeugnisse, bewegt sich noch völlig in der Verwahrlosung der letzten Jahrzehnte. Wenn man an unsere Schaufenster tritt, so ist bei den meisten der erste Eindruck der, daß mit der Masse des Goldes und der Steine geprahlt werden soll. Große unförmliche Stücke matten oder blanken Goldes, auf demselben ohne jede künstlerische Vermittlung möglichst kostspielige Steine in geistloser Anhäufung, das scheint das Vornehmste sein zu sollen. Schlimm genug, wenn der Begriff des Kostspieligen an Stelle des künstlerisch Werthvollen tritt! Das ist der Zustand der schnöden Barbarei, in welcher die Germanen vor zweitausend Jahren die kostbaren antiken Goldgeräthe einschmolzen, um sich fingerdicke Goldringe daraus zu schmieden, nach deren Gewicht und Anzahl sie den Glanz des Anzuges beurtheilten. Trotzdem war man in unserem Jahrhunderte so weit gekommen, daß man gelegentlich einen derartigen ganz glatten Reifen, der doch wenigstens keine Verzerrungen enthielt, anderen Arbeiten vorziehen mußte, welche in gräulicher Verwilderung aller Ornamente jedem gebildeten Geschmacke Hohn sprachen.

Das Hauptunheil hat hier, wie auf vielen anderen Gebieten, die Maschine angerichtet. Man wollte billige Dutzendarbeit, hatte deshalb aufgehört, mit feiner Ciselirung und Löthung das Gold zu bearbeiten, und begnügte sich damit, die Stücke massenhaft aus eisernen Stempeln zu pressen. Hierin lag der Hauptfehler. Der hohe Werth und die schmiegsame Bildsamkeit des Goldes verlangen gebieterisch, daß man dieselben zu ihrem Rechte kommen läßt. Erst in der zierlichsten, liebevollen Ausarbeitung wird man den edlen Charakter des Materials erkennen. Selbst barocke und wunderlich phantastische Formen können hierdurch ihren Werth erhalten.

An Stelle der zierlich aufgelegten Blätter und Blüthen, der fein verschlungenen Schnörkel treten in der Arbeit des Stempels flache verweichlichte Formen. Mit dieser bloßen Verschlechterung konnte man sich aber nicht lange begnügen. Man verlangte nach neuen Ideen. Um das Goldschmiedehandwerk neu zu beleben, suchte man statt in gesunder Ueberlegung und tüchtigen Arbeitern sein Heil in wunderlichen Einfällen. An Stelle geistvoller, auf die Form basirter Erfindung traten lächerliche Auswüchse einer rohen Phantasie. Das ist die Zeit, in welcher ein Lederriemen als passendes Vorbild für Goldarbeit erschien. Die rohe eiserne Schnalle, die eingebohrten Stiche des Saumes, die glatte wulstige Form mit scharf abgeschnittenen Kanten, welche bei einem Kofferriemen ganz natürlich ist, sollte nun auf einmal das Vorbild für die Arbeit im edelsten Metalle werden. An Stelle des zierlich geschlungenen Reifen und der zart verknüpften Bänder, an Stelle der fein gegliederten Ketten und anmuthigen Schlangenbildungen, mit welchen sonst der Arm einer schönen Frau geschmückt wurde, trat jetzt ein solcher Riemen aus Gold. Beim Armbande kann man die Verirrung noch begreifen. Das gemeinsame Motiv des Umschlingens mag den Anlaß gegeben haben – aber was hat der Lederriemen, an einem Kettchen hängend, am Ohre zu thun? Wie kommt er dazu, flach gelegt, ein Medaillon bilden zu sollen?

Mit dem Lederriemen zugleich erhielten wir die holde Schöpfung des Vorlegeschlosses als Broche und Ohrring. Auf seidenen Kleidern und zart durchbrochenen Spitzen, zwischen blonden eigenen oder gekauften Locken durften sich diese Vorlegeschlösser schaukeln, deren Form so roh war, wie frühere Jahrhunderte [372] sie selbst am eisernen Schlosse nicht gekannt und wie nur die moderne Maschine bei tausendfacher Wiederholung sie herzustellen pflegt. Ein ebenbürtiger Genosse dieser Vorlegeschlösser sind die Hufeisen in der Größe von einem Groschen bis zu einem Thaler; Jockeymützen, Reitgerten und Sattelzeug als Ohrring schließen sich demselben würdig an.

Hierbei sei, für die deutschen Frauen wenigstens, bemerkt: dieser Jockeyschmuck stammt, wie so vieles andere Gute und Schlechte, aus Frankreich. In Paris ist es üblich, daß die Damen für besondere Gelegenheiten sich Phantasietoiletten erdenken: bei Kahnfahrten erscheinen sie in einer Art von phantastischem Matrosencostüm, bei Jagdgelegenheiten wird der Anzug mit der Darstellung von Jagdgeräthschaften geschmückt und bei den großen Pferderennen, bei denen Alt und Jung hinausströmt, die der Sammelplatz der ganzen und halben Welt sind, mögen denn auch als Phantasiestücke und Abzeichen der Huld, in welcher die edle Renngesellschaft bei den Damen steht, derartige Schaustücke getragen werden. Das ist ein halb scherzhaftes Vorgehen, dem Niemand seine Berechtigung absprechen wird, aber wenn die Französinnen wüßten, daß man diese Eintagsfliegen der Mode in Gold und edlen Steinen nachahmt und mit einem derartigen Schmucke in Theatern und Concerten, auf Promenaden und schließlich bei soliden Hochzeiten und Kindtaufen erscheint, so würden gerade sie, welche die Formen erfunden haben, die Ersten sein, welche uns über deren geschmacklose Anwendung verhöhnten.

Andere von den modernen Schmucksachen erscheinen ehrbarer. Dahin gehören die Armbänder in Manschettenform. Diese Idee, thöricht an sich, wird nun sofort in allen Consequenzen ausgebeutet. Die ursprüngliche Form der Manschette entsteht aus der Natur ihres Materials, welches aus Leinewand und Spitzen besteht; sie hat nur Sinn als Ueberschlag des Hemdärmels und muß ihrem Stoffe nach als zugehörig zu demselben erscheinen können. Nun aber trägt man die Manschette am bloßen Arme und noch dazu von Gold! In dem Golde ahmt man womöglich die Stiche und Nähte nach; durch Knöpfe und Knopflöcher soll Alles zugeknöpft erscheinen, was sich doch auf den ersten Blick als feste, unbewegliche Masse kennzeichnet. Schließlich vergißt man dann wieder, daß man eine Manschette nachahmt und setzt mitten hinein schwere Steine oder legt auch einen Balken quer darüber, der wiederum mit Steinen besetzt ist. Dieser Querbalken spielt überhaupt eine verhängnißvolle Rolle und legt sich ebenso rücksichtslos über Ohrgehänge, Halsschmucksachen und Medaillons. Daß man sich eine Spinne von bunten Steinen durch das Haar laufen läßt, daß eine Brustnadel wie ein Schwefelholz oder wie ein vierköpfiger Hufnagel aussieht, der durch die seidene Binde hindurchgetrieben ist, darüber wundert man sich schon gar nicht mehr, sondern begrüßt es womöglich als eine hübsche neue Idee.

Was konnte uns nun aus dieser Verwilderung retten? Man wies auf die classischen Vorbilder hin, und bald fand sich eine Reihe von Musterzeichnern und Fabrikanten, welche dieselben benutzten. Zuerst geschah dies ziemlich plump. Man nahm einzelne Ornamentformen heraus, Palmetten, Greifenköpfe, Sphinxe, die heiligen Käfer der Aegypter, die Scarabäen, und brachte dieselben ebenso zusammenhangslos auf den Reifen, Brochen und Ohrringen an, wie man es vorher mit den Jockeymützen und bunten Steinen gethan. Damit ist aber der Sache noch nicht geholfen. Nicht auf die Einzelheiten der griechischen oder ägyptischen oder sonst einer guten, als Vorbild empfehlenswerthen Kunstperiode kommt es an, sondern auf den Geist, in welchem jene alten Arbeiten erfunden sind. Verstehen muß man lernen, was an denselben Gutes ist, und diese guten Eigenschaften in geeigneter Weise für unsere modernen Zwecke benutzen. Nirgends ist dies leichter als auf dem Gebiete der Goldschmiedekunst. Die äußerlichen Bedingungen sind seit der Zeit der Griechen wesentlich dieselben geblieben. Arm und Nacken unserer Frauen rundet sich in denselben Formen wie der jener Griechinnen, für welche die köstlichen Arbeiten ersonnen sind, die jetzt als edelste Vorbilder unsere Sammlungen zieren. Durch die lebendigen Locken der blonden Scheitel unserer Frauen läßt dasselbe Diadem sich flechten, dessen zerfallene Reste wir aus einem Grabe erhoben haben, einem Grabe, dessen Decke sich vor zweitausend Jahren über dem Antlitz einer Griechin geschlossen hat. Jene goldene Spange, die Jahrtausende im Grabe nordischer Hünen geruht, kann unverändert den Arm der letzten Enkeltochter schmücken.

Die Reform unseres Goldschmuckes ist davon ausgegangen, daß man unverändert die griechischen Vorbilder copirte. Castellani in Rom gebührt hierin das hauptsächlichste Verdienst. Er ist es, der die Arbeiter wieder herangezogen hat, und wunderbarer Weise hatten sich in den kleinen italienischen Felsennestern, an welchen die Cultur des letzten Jahrtausends fast spurlos vorübergegangen war, die Traditionen der alten Goldschmiedekunst erhalten, welche sonst in der ganzen Welt erstorben war. Aus Italien bekamen wir diese trefflich gelungenen Nachbildungen endlich wieder, jene Urtypen des menschlichen Schmuckes, welche seitdem eine heilsame Umwälzung zum Besseren angebahnt haben.

Und was ist es denn, wodurch diese griechischen Arbeiten so mustergültig werden? Es sind wie auf allen Gebieten des Lebens und der Kunst Einfachheit, guter Verstand und gerader rechter Sinn. Jedes Schmuckstück ist nur das, was es sein soll, und nichts anderes. Das hört sich so einfach an und scheint doch so schwer zu begreifen. Man sucht keine Absonderlichkeiten, sondern nimmt die Formen, die sich von selbst ergeben. Das Stirnband, wenn es durch die Haare geschlungen werden soll, ist ein glatter Streifen, von seinen Rändern eingefaßt, der mit werthvollen Stücken besetzt ist, die einfach neben einander gereiht sind, mögen dies Steine, Perlen oder sonstige Kostbarkeiten sein, aber es ist dafür gesorgt, daß die einzelnen Stücke im Zusammenhange ein fortlaufendes Band bilden. Soll dieses Stirnband nicht von den Haarflechten halb überdeckt sein sondern sich frei über der Stirn erheben, so wird es zum Diadem, das nach oben ausstrahlend das menschliche Haupt krönend abschließt. Dann kann es nicht mehr ein glatt fortlaufendes Band sein, sondern muß, entsprechend der Form des menschlichen Hauptes, auf dem Scheitel einen krönenden Mittelpunkt haben; am unteren Rande wird der Abschluß gegen das Haupt durch kräftig ausgedrückte Querstreifen bezeichnet; darüber entwickeln sich die Blätter der Palmetten, in die Höhe wachsend und nur durch ihr eigenes Gewicht die Spitzen senkend, damit sie nicht stachlicht in die Höhe starren, sondern sich gleichsam leise wiegend, nicht unähnlich der Art der sie umspielenden Locken, das Haupt umgeben.

Wenn irgendwo, muß hier der Charakter der Schwere vermieden werden, falls er nicht beabsichtigt ist, um einen besonders monumentalen und majestätischem Eindruck hervorzubringen. Wie beim Diadem Alles in die Höhe strebt, wird sich beim Ohrgehänge Alles niederhängend und freischwebend zu gestalten haben. In anmuthigen Schwingungen soll das Gehänge die Bewegung des Kopfes begleiten und den Formen desselben einen zierlichen Abschluß gewähren. Hier ist Alles zu verbannen, was als schwer oder herabziehend erscheinen könnte, was eine horizontale, gleichsam feindlich gegen den Kopf gerichtete Bewegung annehmen könnte. Wie unendlich fein und geistreich sind hierbei die Griechen zu Werke gegangen! Hängende Knospen und Blüthen, vor Allem aber schwebende Figürchen liebten sie an dieser Stelle anzubringen und auch nur solche Figürchen, die als geflügelte Wesen von selber zu schweben schienen. Hier schaukelten sich anmuthige Liebesgötter, bald auf einer Taube, dem heiligen Vogel der Venus, reitend, bald die Flöte blasend, bald auch den Finger auf den Mund legend als zierliches Zeichen des Schweigens und gleichsam herausfordernd zum vertrauensvollen Geständnisse. Auch die leichte Schaar der Siegesgöttinnen, geflügelte Genien, Kränze und Blumen tragend, sowie flatternde Vögel fanden hier ihre Stelle. Wie traurig roh und gedankenlos erscheint hierneben fast Alles, was unser modernes Kunstgewerbe an eigenen Erfindungen zu bringen gesucht hat! In welche Verkehrtheiten ist man verfallen! Habe ich doch auf einer der Weltausstellungen in dem Kasten eines englischen Juweliers als Ohrgehänge Strickleitern gesehen, auf welchen kleine Matrosen, die Fahne schwingend, hinaufkletterten, und diese Stücke beanspruchten noch, jenen griechischen Gedanken in moderner Form ausgeführt zu haben.

Ebenso anmuthig, wie Diadem und Gehänge, war der Halsschmuck der antiken Kunst, ein Gefüge aus feingegliederten Ketten; geschmeidig genug, um der zartesten Biegung des Halses zu folgen und doch zugleich voll genug, um in fester Weise die Abgrenzung zu markiren, vertheilte er sich nach unten hin in ein Flechtwerk von Ketten und zierlichen Bommeln, welche glatt hängend eine fest geschlossene Masse bildeten, aber auf der

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Moderne Goldschmuckmuster.
Entworfen von Martin Gerlach.

[374] Wölbung des Halses aufliegend sich zierlich öffneten und, jeder Bewegung der Muskel folgend, sich in jedem Augenblicke theilten und wieder schlossen.

Ebenso sinnreich war das Armband erfunden. Eine Spange legte sich um den Arm entweder in den Windungen einer Schlange, deren Kopf und zierliches Schuppenwerk durch sorgfältig ausgeführte Arbeit bezeichnet war, oder in der Form eines Reifes, ähnlich wie das Stirnband, mit aufgesetzten Rosetten oder werthvollen Steinen geschmückt. Das Schloß bildete ein rundes, reichgeschmücktes Schild, oder es waren Köpfe, die sich in einander bissen. Manchmal bestand es aus runden Perlen oder ovalen Schildern, die an einander gereiht waren; stets aber war der Charakter des ringförmig Umschließenden gewahrt, so mannigfach auch die gegebene Form sein mochte.

Es giebt in den technischen Künsten, als deren Leiterin die Architektur dasteht, eine Reihe von Ausdrucksformen, welche man mit den Hülfszeitwörtern, mit den Präpositionen und Conjunctionen der Sprache vergleichen könnte. Das Sein, das Werden, das Oben und Unten, das An und Bei, das Herum und Zwischen – das Alles und die Verhältnisse, welche sich in allen Kunstformen, beim größten Tempelbau, wie beim Kleiderschrank und beim Ohrring, wiederholen. Diese müssen klar und deutlich ausgedrückt werden, dann kann man nachher alle Details in freier Phantasie bilden, und diese klare Formensprache, diese verständige Grundlage ist es, die wir vor Allem aus der griechischen Kunst zu lernen haben. Unsern Schatz an Vocabeln können wir schließlich aus allen Sprachen und aus allen Zeiten bereichern, gewöhnlich aber geschieht bei uns Letzteres ohne das Erstere. Man greift beliebig hier ein ägyptisches, dort ein assyrisches, hier ein indisches und dort ein indianisches Motiv heraus und glaubt damit etwas gewonnen zu haben. Nichts hat man gewonnen als eine Neuigkeit, um Unwissende zu blenden. Der wirkliche Gewinnst bleibt immer nur der an Verständniß und gutem Sinn.

Das Gebiet, auf welchem eine Erweiterung zu suchen ist, wird vielmehr das der Technik sein. In der allgemeinen Verschlechterung unserer Goldschmiedekunst sind auch die feinen technischen Arbeiten, auf welchen der eigentlich reiche Glanz beruht, mehr und mehr verschwunden. Man begnügt sich mit der goldenen Platte und mit Steinen von bestimmtem Werth. Wie viel reicher waren andere Zeiten! Das Gold wurde selten allein, meist in Verbindung mit verschiedenfarbigen Materialien angewandt. Das Gold selbst nimmt verschiedene Färbungen an. Röthlich, hellgrün und blaßgelb mit einander verbunden, strahlt es in zauberischem Glanz. Hierzu fügen sich die farbig schimmernden Steine und vor Allem die fein aufgeschmolzenen Glasflüsse, die Schmelzfarben des Email. In feinen Fäden ausgezogen, spinnt und knotet sich Silber und Gold im Filigranwerk zu zierlichen Schnecken und Maschen; in feinster Körnung giebt es der Oberfläche einen sammetweichen Schimmer. Zu den bunten Steinen reihen sich die Erzeugnisse des Meeres, die bläulich schimmernde Perle und die Koralle von blasser Fleischfarbe bis zum tief-dunkelglühenden Roth. Den figürlichen Schmuck geben die geschnittenen Achate und Muscheln im zierlichen Kameo; die bunten Steine und Glasstifte fügen sich im Mosaik zu graziösen Bildungen; auf der Emailplatte entstehen die feinsten und duftigsten Malereien. Alle diese Materialien wollen ihrem Werth und ihrem Charakter nach besonders behandelt sein; keines derselben ist dem andern in Form und Farbe, in Größe oder Leuchtkraft gleich.

Dem Brillanten mit seinen strahlenden, von allem Körperlichen gleichsam befreiten Feuer wird sich das werthlosere Metall bescheiden unterordnen müssen. Die Fassung mag ganz verschwinden, damit die Steine wie Sterne aus den dunkeln Locken hervorleuchten. Bei der schweren Mosaikplatte wird der Rahmen voll und kräftig sein müssen, um die zusammengesetzten Steine gleichsam festzuhalten und die dunkle Masse des Grundes wirksam von der Umgebung loszuheben. Kleine an sich werthlose Steine und Perlen wird man in ein Netzwerk von goldenen und silbernen Fäden verstricken, damit sie, zusammengefaßt, als ein Ganzes wirken; die große Perle dagegen wird man möglichst von aller störenden Umgebung befreit erscheinen lassen. Die von der Natur gegebenen Formen der Perlen und Korallen werden ebenso viele Veränderungen hervorrufen und bedingen.

Hier ist das Feld, auf welchem Geist und Erfindungskraft des Goldarbeiters sich siegreich bewähren können, aber an den Grundformen der Stücke, auf welchen der eigentliche Ausdruck beruht, an dem künstlerischen Grundgedanken soll und darf man nicht ändern. Es ist ja natürlicher Weise nicht möglich, in diesen Besprechungen auf alle Einzelheiten einzugehen. Wir möchten daher auf ein Unternehmen hinweisen, das auf dem Gebiete der Goldschmiedekunst mit gutem Willen und tüchtigen Kräften diesen verständigen Weg betreten hat. Ein in Berlin erscheinendes, in den Handwerkstätten der Juweliere sehr verbreitetes Blatt, „Die Perle“, herausgegeben von einem anerkannt tüchtigen Musterzeichner, Martin Gerlach, welcher selber Juwelier von Fach ist, enthielt in seinen früheren Heften bis vor kaum einem Jahre nichts als die landläufigen Muster, welche wir in den meisten Juwelierläden zu sehen gewohnt sind. Seit Anfang des Jahres 1874 jedoch hat dieses Blatt eine vollständig andere Bahn eingeschlagen und zum ersten Male versucht, in fortlaufenden Veröffentlichungen der deutschen Goldschmiedekunst gute und stylgerechte Muster zuzuführen.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Anstoß hierzu von Niemand Geringerem ausgegangen ist, als dem Kronprinzen des deutschen Reiches. Auf die Zuschickung einiger Nummern des alten Blattes, welche demselben, als Gönner aller kunstgewerblichen Bestrebungen, vorgelegt wurden, erhielt der Herausgeber neben dem üblichen Dank für die gute Absicht die kategorische Antwort, daß er sich doch besserer Muster befleißigen möge, und in Besitz dieses an die Cabinetsordres des alten Fritz erinnernden Schreibens hat der Herausgeber, mit Unterstützung des deutschen Gewerbemuseums in Berlin, es nunmehr dahin gebracht, daß sein Blatt wirklich verständige und zugleich brauchbare Muster enthält, welche, ganz unabhängig von französischen Modejournalen, in selbstständiger Entwickelung guter Formen Anerkennenswertes leisten, welches zugleich den Goldschmieden den Weg weist, wie sie mit Benutzung der gegebenen Muster Neues und Verständiges schaffen können. Die hier eingefügten Muster sind jenem Blatte entlehnt.