Augsburger Postzeitung 17. August 1819
In verwichener Nacht ist auf der Straße vor den Wohnungen einiger hiesigen Handelsleute durch eine Zusammenrottung mehrerer junger, meistens fremder Leute die öffentliche Ruhe auf kurze Zeit gestört, und an einigen jüdischen Häusern die Fenster eingeschlagen worden. Die eigentliche Veranlassung soll bey dem Briefabholen an dem Oberpostamte sich ergebe haben, wo wegen des Zudrangs der jüdischen und christlichen Abholer Wortwechsel, Streit, Schimpfworte und zuletzt Thätigkeiten vorgefallen seyn sollen. Aus diesem kleinen Vorfall entstand eine Erbitterung, die schon lange geglimmt hatte. Den Juden wurden die Worte der Würzburger Gassenjungen, Hepp, Hepp, zugerufen, und dadurch ergaben sich auf offner Straße bösartige Auftritte, deren Folge war, daß Abends um 9 Uhr an mehreren Judenhäusern die Fenster eingeworfen wurden. Dieß Alles geschah am 10. Dieß. Am Nachmittage dieses Tages gieng der Pöbel schon so weit, daß er die Juden aus der öffentlichen Promenade vor der Stadt vertrieb. Gegen Abend nun rottete sich eine Menge Handwerkerspursche, Tagelöhner ec. Zusammen, und mißhandelte, wie gesagt, die Häuser der Juden. Die Polizey und die Mannschaft der nächstgelegenen Wache boten Alles auf, um die Ruhe herzustellen; allein da der Haufe immer größer wurde, so sah man sich genöthigt, das Militär ausrücken zu lassen, und auch einen Theil der Landwehr sowohl Infanterie als Kavallerie aufzubieten, durch welche endlich die Ruhestörer zerstreuet wurden. Der übrige Theil der Nacht von gestern auf heute gieng ruhig vorüber, und für den heutigen Tag, wo zahlreiche Patrouillen die Straßen durchzogen, waren alle Vorkehrungen getroffen, um ähnlichen Exzessen vorzubeugen, an denen übrigens kein rechtlicher Bürger Frankfurts Antheil genommen hat. (Die Nacht ist ebenfalls ruhig vorüber gegangen, was als eine Folge der getroffenen Maaßregeln angesehen werden kann.) Die eigentliche nähere Veranlassung und die Urheber dieser Unordnungen werden erst durch die eingeleitete Untersuchung entdeckt und letztere strenge bestraft werden. Nachstehende Proklamation hat heute der Magistrat erlassen: "Wir Bürgermeister und Rath der freien Stadt Frankfurt a.M. fügen hiermit zu wissen: Es ist in verwichener Nacht auf der Straße vor den Wohnungen einiger hiesiger Juden durch einen Zusammenlauf vieler junger, meistens fremder Leute, die öffentliche Ruhe und Sicherheit auf eine höchst sträfliche Weise gestört worden. Wenn gleich jugendlicher Muthwille und vielleicht die neulichen Vorgänge an andern Orten die erste Veranlassung gegeben zu haben scheinen, mit Hülfe der Bürger und Wachen, die Ordnung daher auch alsbald wieder hergestellt worden, so muß der Senat doch durch seine obrigkeitliche Pflichten sich zunächst zu einer strengen Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen aufgefordert, und ähnlichen Unordnungen vorzubeugen, alle ihm zu Gebot stehende Mittel aufzubieten sich gedrungen fühlen. Die rechtlichen Gesinnungen und die davon zu erwartende bereitwillige Mitwirkung hiesiger löblicher Bürgerschaft, geben ihm hierbei die Beruhigung, daß die Verhängung von besondern Sicherheitsmaasregeln keiner langen Dauer bedürfen, und jede Besorgnis vor Unruhe bald entfernt seyn werde. Ordnung, Achtung gegen Gesetz und Obrigkeit sind die ersten Pflichten aller Staatsbewohner. Bei seinen Mitbürgern hat der Senat diese Eigenschaften rechtlicher Denkungsart zu allen Zeiten gefunden, er verhofft nun, daß auch ein jeder in seinem engern oder weitern Kreise diese bürgerlichen Tuenden durch Beispiel, Ermahnung, Warnung und strenge Aufsicht auc bei seinen Umgebungen, Gehülfen, Commis und Lehrlingen, Gesellen und Arbeitern zu erhalten und zu befördern suchen werde. Daß die Wohlfahrt, die Ruhe und Sicherheit der Personen und des Eigenthums leicht aufs höchste gefährdet werden könne – erneuerten sich die vorgefallenen schmerzlichen Auftritte – wir bei wenigen Nachdenken Niemanden entgehen, und daraus jeder Bürger die große Verantwortlichkeit abnehmen, womit er seiner Vaterstadt, dem gesammten Vaterlande und insbesondere dessen dahier anwesenden hohen Repräsentanten verpflichtet ist. Der Senat fordert deswegen jeden Bürger und Einwohner aufs Nachdrücklichste auf, nach allen Kräften für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe ferner besorgt zu seyn, und seine Angehörigen mit gleichen Gesinnungen zu erfüllen. Vor unbedachtem Reden, wodurch Haß und Erbitterung erzeugt, und der Weg zu sträflicher Thätlichkeit gebahnt wird, muß der Senat daher vor allem warnen. Wenn er die stärkste Bürgschaft für die öffentliche Ruhe in den bekannten biedern Gesinnung löblicher Bürgerschaft findet, so wird diese dagegen in ihrer Obrigkeit, die unermüdet mit der Erhaltung deren Rechte und der Beförderung deren Wohlfahrt beschäftigt ist, auch ihre sichere Stütze und allen Schutz gegen etwaige Beleidigung finden, und versieht sich der Senat auch zu der hiesigen Judenschaft, daß sie jeder Veranlassung zur Beunruhigung hiesiger Stadt sorgfältig vermeiden und durch unbescheidenes Benehmen und Anmaßung der christlichen Einwohnerschaft nicht Anlaß zu gerechten Beschwerden geben werde. Beschlossen in unserer großen Raths-Versammlung den 11. August 1819.