Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Auf der Studienreise
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 745, 770–771
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[745]

Auf der Studienreise.
Nach einem Gemälde von Mathias Schmid.

[770] Auf der Studienreise. (Mit Abbildung S. 745.) Wenn doch die Häuser keine Fenster hätten! Oder wenigstens keine rückwärtigen, zu denen die Mutter aber auch grad’ in dem Augenblick ’reinschauen muß, wo der Herr Maler, der bildsaubere nette Mensch, eine Pause im eifrigen Studium macht und dem blonden Resei ein ganz unschuldiges kleines Busserl auf seine frischen rothen Backen drückt, weil es gar so schön still gesessen ist beim Abzeichnen. Und jetzt deswegen einen solchen Mordsspektakel! Die alte Huberin kennt sich nicht vor Zorn, ein „grantiges Leut“ ist sie schon ohnedem immer, aber jetzt schimpft sie das arme Resei ganz ausbündig herunter, und das um so ärger, weil sie, die Huberin, über sich selbst auch einen Zorn hat. Nämlich, daß sie sich so hat einthun lassen von dem Schmierlappen, dem hinterhältigen, der ihr mit lauter Heiligenbildern daher gekommen ist und sich so recht brav und gottesfürchtig angestellt hat. Und grad’ dem hat sie trauen müssen, wo sie doch sonst keinem Menschen traut – springgiftig möcht’ sie werden vor Zorn darüber!

„Han, Resel,“ keift ihr scharfer Diskant, „daß di gar net schamst, und di abbusseln laßt von an solchen herg’laafenen Spitzbuben, von so an – “ er kann die folgende Steigerung seiner Ehrentitel mit eigenen Ohren anhören in der schützenden Truhe, die als einzige Zufluchtsstätte sich seinen Augen darbot, als draußen die knöchernen Finger der Huberin an die Scheiben pochten und ihr schneller Lauf nach der Thür ein Entrinnen durch dieselbe unmöglich machte. Aber es ist ein verdammt unbequemer [771] bequemer Aufenthalt in dem Holzkasten, ganz abgesehen von der wenig glänzenden Lage für das hervorragende Mitglied der Münchener Schule. Niemals ist das berühmte Wort „Aussi möcht’ i!“ aus so gepreßtem Herzen aufgestiegen, als in diesem Augenblick. –

Das Resei, noch Neuling in solchen Scenen, steht da, die hübschen braunen Augen seitwärts gewandt, den Finger an die Lippen gedrückt, in rathloser Verlegenheit und Angst. Scheinbar demüthig dem strafenden Gepolter lauschend, hat sie doch keinen andern Gedanken als die Rettung des Jünglings in der Truhe. Leicht setzt sich die Mutter am Ende noch drauf, wenn sie verschnaufen muß, und druckt ihm eine Hand ab oder gar das Genick! … „O heilige Katharina,“ betet Resei in Gedanken zu dem hinter ihr hängenden, so schön gemalten Bild, „heilige Katharina, thu’ ein Wunder und hilf uns aus dieser Noth!“

Und siehe, die Heilige erbarmt sich und thut ein Zeichen. Im nächsten Augenblick knarrt der leise gehobene Truhendeckel ganz vernehmlich, die Huberin fährt herum – und Reseis Bitte ist erfüllt: der Maler feiert seine Auferstehung bei lebendigem Leibe. Wie freilich, davon schweigt er, heimgekehrt, den Kameraden gegenüber hartnäckig, so viel Rühmens er auch außerdem von dem blonden Resei macht.

Woher ich nun das alles weiß? … Ja, es giebt eben Bilder, die zu leben anfangen, wenn man sie betrachtet, weil der Künstler sie aus dem vollen Leben heraus gemalt hat. Das ist die Art des Meisters Mathias Schmid, der die Wahrheit sieht, ohne die Schönheit zu verachten, und deshalb uns so viel herzerfreuende Bilder geschenkt hat. Eins der anziehendsten darunter ist sicher das, welches wir heute unsern Lesern vorlegen.