Textdaten
Autor: Christian Wagner
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Titel: Auf der Burgruine
Untertitel: Neunzehnter Sonntag
aus: Sonntagsgänge, 3. Theil: Balladen und Blumenlieder, S. 64–65
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Greiner und Pfeiffer
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Internet Archive = Google-USA*; E-Text nach wissen-im-netz
Kurzbeschreibung:
Gedicht auf den Todessturz von Nikodemus Frischlin, Hohenurach 1590
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[64]
Auf der Burgruine.[1]


     In dem Neste
Droben auf dem Fels ein Sänger[2] lag,
Eingekerkert dort schon Jahr und Tag
     Auf der Veste.

5
     Aus dem Kerker

Brach er einst bei mitternächt’ger Weil‘,
Wollt‘ herab sich lassen an dem Seil
     Von dem Erker.

     Doch zerschmettert

10
Fanden ihn die Wächter morgens schon;

‘s war im Spätherbst, und der Buchen Kron‘
     Laubentblättert. –

     Aus den welken
Grauen Flechten, die sein Blut benetzt,

15
Sind nun aufgesproßt und blühen jetzt

     Felsennelken.

     Aus den Moosen,
Aus den Steinen, die sein Blut bespritzt,
Sind nun aufgesproßt und blühen itzt

20
     Skabiosen.


[65]
     Augenspiegel[3]

Schweben um die Nelk‘ und Skabios‘,
Um die weiß und rothe Waldesros‘
     Auf dem Hügel.

25
     Augenspiegel

Schweben hier im blauen Freiheitssaal,
Blutge Tröpflein, wie ein blut’ges Mal,
     Auf dem Flügel. –

     Laß das Trauern!

30
Von des Leibes Banden ausgeschirrt,

Seine Seele nun als Falter irrt
     Ob den Mauern.


  1. Hohen-Urach.
  2. Nikodemus Frischlin † 1590.
  3. Der Falter Apollo.