Auf das Leben und den Tod Maximins

Textdaten
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Autor: Stefan George
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Titel: Auf das Leben und den Tod Maximins
Untertitel:
aus: Der siebente Ring, S. 105–113
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1907
Verlag: Blätter für die Kunst
Drucker: Otto von Holten
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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[105]

AUF DAS LEBEN UND DEN TOD MAXIMINS: DAS ERSTE

Ihr hattet augen trüb durch ferne träume
Und sorgtet nicht mehr um das heilige lehn.
Ihr fühltet endes-hauch durch alle räume –
Nun hebt das haupt! denn euch ist heil geschehn.

5
In eurem schleppenden und kalten jahre

Brach nun ein frühling neuer wunder aus ·
Mit blumiger hand · mit schimmer um die haare
Erschien ein gott und trat zu euch ins haus.

Vereint euch froh da ihr nicht mehr beklommen

10
Vor lang verwichner pracht erröten müsst:

Auch ihr habt eines gottes ruf vernommen
Und eines gottes mund hat euch geküsst.

Nun klagt nicht mehr – denn auch ihr wart erkoren –
Dass eure tage unerfüllt entschwebt ...

15
Preist eure stadt die einen gott geboren!

Preist eure zeit in der ein gott gelebt!

[106]

DAS ZWEITE: WALLFAHRT

Im trostlos graden zug von gleis und mauer
Im emsigen gewirr von hof und stiege –
Was sucht der fremde mit ehrfürchtigem schauer? ..
Hier · Bringer unsres heils! stand deine wiege.

5
Im längs umbauten viereck wo die flecken

Von gras durchs pflaster ziehen und verschroben
Bei magren blumen die verschnittnen hecken:
Hast du zuerst den blick im licht erhoben.

[107]

Wie staubt der platz! von welchem lärme pocht er!

10
Getrab von tritten und geroll von wagen ...

Wie ihre last Maria Annens tochter
Hat hier die mutter dich verkannt getragen.

Nur einst als frühling war fiel grau und silbern
Vom himmel tau und sprühte duftige funken

15
Und allen kindern haben blau und silbern

Die magren blumen lächelnd zugewunken.

Dies allen gleiche haus ist ziel der reise.
Wir sehn entblössten haupts die nackte halle
Aus der du in die welt zogst ... Sind drei weise

20
Doch einst dem stern gefolgt zu einem stalle!


[108]

DAS DRITTE

Du wachst über uns
      in deiner unnahbaren glorie:
Schon wurdest du eins
      mit dem Wort das von oben uns sprach.

5
Wir fragen bei all

      unsren schritten des tags deine milde.
So macht ihr diener
      das lächeln der könige reich.
Doch senkt sich der abend

10
      in der dir geweihten memorie:

Dann zittert die sehnsucht
      dann greifen die arme dir nach ·
Dann drängen die lippen
      zu deinem noch menschlichen bilde

15
Als wärst du noch unter uns ·

      wärst uns noch – Herrlicher! gleich.

[109]

DAS VIERTE

Klingen schon hörtest du obere chöre ·
Batest um ruhe vor unsrem geschwärm
Dass es · Verwandelter · dich nicht empöre –
Und uns verweisend entflohst du dem lärm.

5
Du schon geweiht für die ruhe des siebten

Warst unsrem tag ein entfernter genoss ..
Nur dieses zeichen verblieb den geliebten
Dass unsrer erde nicht ganz dich verdross:

Als schon dein fuss nach den sternen sich sezte

10
Hat noch ein unterer strahl dich durchbohrt ·

Während dein himmlisches auge sich nezte
Klang deine stimme von trauer umflort:

›Frühling · wie niemals verlockst du mich heuer!
Dürft ich noch einmal die knospenden mai’n

15
Einmal noch sehen mit euch die mir teuer

Lieblichste blumen am irdischen rain!‹

[110]

DAS FUENFTE: ERHEBUNG

Du rufst uns an · uns weinende im finstern:
      Auf! tore allesamt!
Verlöschen muss der kerzen bleiches glinstern ·
      Nun schliesst das totenamt!

5
Was du zu deines erdentags begehung

      Gespendet licht und stark
Das biete jeder dar zur auferstehung
      Bis du aus unsrem mark

Aus aller schöne der wir uns entsonnen

10
      Die ständig in uns blizt

Und aus des sehnens zuruf leib gewonnen
      Und lächelnd vor uns trittst.

[111]

Du warst für uns in frostiger lichter glosen
      Der brand im dornenstrauch ·

15
Du warst der spender unverwelkter rosen

      Du gingst vorm lenzeshauch.

Mit deiner neuen form uns zu versöhnen
      Sie singend benedein ·
Vom zug der schatten die nichts tun als stöhnen

20
      Dich und uns selbst befrein ·


Die schmerzen bändigen die uns zerrütten –
      Gebeut dein feurig wehn
Und soviel blumen hinzuschütten
      Dass wir dein grab nicht sehn.

[112]

DAS SECHSTE

Du freudenbote führtest weiland
Durch einen winter grames voll
Mich in ein wunderbares eiland
Das ganz von blüt und knospe quoll.

5
Verborgne fülle deiner güter

Entdecktest du dem Einen hier
Und deine liebe ward dem hüter
Und deines eignen blühens zier.

Im hain rief wach der feierfrohe

10
Der erstlingsopfer fromme hast

Von deren frühgeschauter lohe
Im sinn mir blieb nur schwacher glast

[113]

In trockne scheiter flog der bolzen
Des Helfers mit entflammtem schwung ·

15
Zerspaltne feuer all verschmolzen

Im streben nach vergöttlichung.

Ich sah vom berg aus ein erneuter
Wonach mein drang umsonst gefragt:
Das Fernenland – du warst der deuter

20
Da es aus nebeln mir getagt.


Rein blinkten unsre tempelbögen:
Du blicktest auf .. da floh voll scham
Was unrein war zu seinen trögen ·
Da blieb nur wer als priester kam ...

25
Nun dringt dein name durch die weiten

Zu läutern unser herz und hirn ..
Am dunklen grund der ewigkeiten
Entsteigt durch mich nun dein gestirn.