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Titel: Auch eine Schillerfeier!
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 660
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[660] Auch eine Schillerfeier! Es war am 13. August dieses Jahres, als ich wieder nach Weimar einwanderte – dieses Mal mit meinem Sohne, dem ich die Stätten zeigen wollte, wo früher unter dem Schutze eines großherzigen Fürsten die größten Dichter Deutschlands gewandert und gesungen. Unser erster Gang war nach dem Schillerhause. Der freundliche Castellan war selbst nicht zugegen und hatte das Amt eines Cicerone seiner Schwester, einer liebenswürdigen gebildeten Dame, übertragen. Nachdem wir die große, jetzt so prachtvoll hergestellte Wohnstube, das ärmliche Schreib- und Sterbezimmer und die verschiedenen kleinen Erinnerungen besehen hatten, war ich eben im Begriff, die heilige Stätte zu verlassen und im Vorzimmer eine der kleinen Büsten anzukaufen, die dort ausgestellt sind, als unten am Hause ein Wagen vorfuhr und kurz darauf eine reich in Atlas gekleidete ältere Dame, ein von Sammt und Seide strotzendes Fräulein, ein junger Mann von circa 20–22 Jahren und ein reich galonnirter Diener in den Vorsaal rauschten und das Schillerzimmer zu besehen verlangten. Ich bat sofort meine freundliche Führerin, die Wünsche der Ankommenden zu erfüllen und sich meinetwegen nicht zu geniren, ich könne warten. Fast hätte ich meine Artigkeit bereut, denn die Herrschaft brauchte nahe eine Stunde, um sich Alles genau durch die Lorgnette zu besehen. Sie ließ sich umständlich alle Einzelheiten erklären, durchblätterte alle Schriftstücke, spielte auf dem alten Claviere, befühlte die Masken und Meubles, und auch der Diener beschaute sich Alles mit Sachkennermiene, genug der Besuch nahm die Dame des Hauses fast eine Stunde in Anspruch. Endlich rauschte das vierblätterige Kleeblatt in das Vorzimmer, wo ich mich befand, und die ältere Dame suchte unter den Ansichten eine der kleinsten des Schillerhauses aus. Ich stand ganz in der Nähe und konnte jedes ihrer Worte hören. „Was kostet das?“ frug sie kurz und vornehm. „Zwei Groschen,“ war die Antwort der freundlichen Führerin. „Bezahle,“ wandte sich die Atlasschwere an den jungen Herrn und flüsterte ihm einige mir unverständliche Worte zu. Der Herr suchte lange in seiner Börse, bis er das Nöthige gefunden, und drückte endlich der Dame des Hauses einige Geldstücke in die Hand. „Das ist mehr, als ich zu erhalten habe,“ sagte die Führerin höflich, nachdem sie das Geld besehen. Die Atlasschwere warf ihr einen kurzen Blick zu. „Ich weiß es,“ schnarrte sie dann, „das Uebrige ist für Sie.“ Dabei nickte sie vornehm mit dem Kopfe und stolzirte mit ihrem Gefolge zur Thüre hinaus.

In demselben Augenblicke sah ich auch, wie die Dame des Hauses jählings erbleichte und sprachlos, ohne den Gruß zu erwidern, den fortgehenden Fremden nachsah. Sie zitterte am ganzen Leibe und in den Augen standen Thränen. Erstaunt blickte ich sie an. „Es ist empörend,“ sagte sie endlich mit leiser Stimme, die vor Erregung zitterte, „wie man behandelt wird. Da sehen Sie,“ fuhr sie fort und öffnete die Hand, die vor wenigen Augenblicken das Geld in Empfang genommen hatte.

In dieser Hand lagen sieben schäbige Kupferstücke, darunter vier ausländische Kreuzermünzen, die also in Weimar nicht einmal galten. Das war der Dank für eine Stunde Schillerfeier, der Lohn für stundenlange Erklärungen, Mittheilungen, Beantwortungen und Dienstleistungen – mit Mühe herausgesuchte sieben schäbige, theilweise ungültige Kupferdreier für vier Personen!

Ich war so empört über diese Erbärmlichkeit, daß ich das Geld nehmen und den zur Treppe hinunter rauschenden Damen nachwerfen wollte. „Lassen Sie,“ sagte die Dame resignirt, „ich habe kein Recht dazu. Mir thut es nur wehe, daß man mich wie eine Bettlerin behandelt, während ich doch Hunderten und Tausenden das Schillerzimmer ohne alle Bezahlung gezeigt habe und auch dieser vornehmen Dame ohne allen Dank gezeigt haben würde. Ich habe nichts zu fordern, aber ich kann Ihnen versichern, der ärmste Schullehrer, der hier seinem Schillerenthusiasmus Genüge that, – wenn er einmal bezahlte – hat uns niemals wie diese vornehme Herrschaft behandelt!“

Ich ging noch einmal in’s Sterbezimmer unseres großen Dichters zurück, wo auch das Fremdenbuch aufgeschlagen liegt. Dort stand mit großen Worten: M. O– – geb. L–n nebst Sohn und Tochter aus H–b–g.“ Ich kannte die Dame, eine der reichsten der reichen Republik, par renommée und wußte, daß sie viel in Kunst und Literatur machte und in ihrer Heimath als eine Protectorin der schönen Künste galt. Hier aber, wo es Niemand sah – sieben arme Kupferdreier für eine Stunde Schillerfeier!

Mich überkam ein Ekel vor all’ dieser Scheinheiligkeit und Filzerei, und gedrückt verließ ich das Haus des Dichters, dessen Andenken eine reiche deutsche Familie mit – sieben Kupferdreiern feierte.