Textdaten
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Autor: Gustav Schwab
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Titel: Aprilreise
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aus: Gedichte. 1. Band, S. 101–108
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[101]

Aprilreise.

1.

Ausmarsch.

Angelegt den Sommerrock,
Auf, ergriffen Hut und Stock,
Himmel steht im blau’sten Kleide,
Erd’ in ihrer grünsten Seide.

5
Ei, wie lacht des Wandrers Herz

Heut’ am letzten Tag im März,
Wann ist wo ein Mai erschienen
Mit so hellen, heitern Mienen?

Luft und Licht, und Farb’ und Gluth!

10
In den Adern schwillt das Blut,

Heißt uns ferne Reisen wagen
In so wunderbaren Tagen.

Morgen grüßet mich April,
Was doch der erst bringen will?

15
Rings um tausend Knospen träumen,

Morgen blühn sie von den Bäumen!

[102]
2.

Am andern Morgen.

Ueber Nacht das Thal beschneit,
Ueber Nacht ward’s Winterszeit!
Schneeweiß blühn alle Bäume,

20
Das sind mir Blüthenträume!


3.

Auf dem Bussenberge.

Weithin, weithin wollt’ ich streifen
Auf des freien Hügels Rand,
Der den Blick läßt ferne schweifen
In der Schneegebirge Land.

25
Dort im Grünen und im Blauen

Auf dem alten Mauerstein
Durch das Fernrohr spähend schauen,
Welche Wonne wird es seyn!

Solchen Wunsch in meinem Herzen

30
Hört der launigte April,

Fängt mit Flocken an zu scherzen,
Zaubert her mir, was ich will.

[103]
Meine Röhre kann ich drücken

Ruhig in das Futteral,

35
Darf mich nicht zur Ferne bücken:

Schneegebirg’ ist überall!

4.

Hayingen auf der Alp.

Sey mir willkommen Städtchen,
In dieser schlimmen Zeit!
Hat dich Aprilgestöber

40
Auf das Gebirg verschneit?


So finster und so enge
Mag wohl kein andres seyn,
Es nimmt der Straßen Länge
Dein kleines Rathhaus ein.

45
Und niest einmal die Schildwacht

An deinem obern Thor,
Gleich schallt ein helles Prosit
Vom untersten empor!

Doch bin ich armer Wandrer

50
An deinem Obdach froh,

So durstig ist kein Andrer,
Und müde keiner so.

[104]
In einer grauen Stube

Reichst du mir Speis’ und Trank;

55
Dir thau’n die Phantasieen

Des Dichters auf zum Dank.

Die Thore will ich zimmern
Aus ew’gem Cedernholz,
Ein goldnes Dach soll schimmern

60
Auf Thurm und Kirche, stolz.


Ich pflanze Bäum’ und Reben
Auf deiner kahlen Au,
Und über alles wölb’ ich
Des Sommerhimmels’ Blau.

65
Dann zahl’ ich meine Zeche;

Leb’ wohl, du sel’ger Ort!
Ich muß durch Berg und Fläche
In Schnee und Regen fort!

5.

Im Bergwirthshaus.

Braunes Bier und saure Gesichter!

70
Saures Bier, brauner Augen Lichter,

Hell und freundlich, treu und gut: –
Wirthin, mir wird wohl zu Muth!

[105]
6.

Riedlinger politische Zeitung.

Wahrlich, auch die Zeitungsblätter
Haben heut’ Aprilenwetter,

75
Gestern blies noch gar zu lind,

Gar zu lau darin der Wind.

Selig hießen die Monarchen,
Daß die Kriegesfurien schnarchen;
Heut’ in dieser Sturmesnacht

80
Plötzlich sind sie aufgewacht.


Mahmud sitzt im Kaisersaale,
Ali’s Kopf steckt auf dem Pfahle,
Und aus finstrer Wolke Sitz
Stürmt der Hagel, schießt der Blitz.

85
Auf zum Kampf, ihr Erdengötter!

Doch ist’s nur Aprilenwetter,
Und im Osten führt der Mai
Gold’nes Morgenroth herbei.

7.

Auf der Bergheide.

Laß dich den Schnee durchdringen,

90
Laß dich den Sturm durchwehn:

Denn, kann die Lerche singen,
So kannst du wohl noch gehn!

[106]
8.

Im Lauterthal.

Was lachen mich die Männer,
Die schmucken Mägdlein aus,

95
Daß ich so eifrig schaue

Nach dem zerfallnen Haus?

Daß ich so sehnlich folge
Des Flusses krummem Lauf,
Daß ich so rüstig steige

100
Den hohen Berg hinauf?


Sie mögen es nicht glauben,
Daß mir durch Thal und Höhn
Die Lust den Schritt beflügelt
Bei dieser Stürme Wehn;

105
Sie loben Stadt und Ebne

Und schielen halb mit Neid
Auf meine weichen Hände
Und auf mein städtisch Kleid.

Ihr Männer des Gebirges!

110
Es thut mir herzlich weh,

Daß ihr die Nahrung kärglich
Abzwinget eurem Schnee;

[107]
Daß euren schlanken Töchtern

Die Last den Rücken beugt,

115
Und euer Berg dem Durste

Kein Tröpfchen Weins erzeugt.

Doch däucht mir noch viel bittrer,
Als euer Durst und Schweiß,
Daß euer Geist vom Schönen,

120
Von Gottes Bild nichts weiß.


Die Noth, an der ihr zehret,
Der euer Leib sich bückt,
Hat euch in’s Herz gefressen,
Hat euch den Sinn erdrückt!

125
In Seiner Leidenswoche

Durchwandl’ ich dieses Thal:
Er kennet jeden Kummer,
Er heilet jede Qual!

Geb’ Er dem Jahre Segen,

130
Daß es euch tränkt und speist,

Und löse dann die Binde
Von dem verhüllten Geist!