Anwendung des Wasserdampfes in den frühern Zeiten

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Titel: Anwendung des Wasserdampfes in den frühern Zeiten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 619
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[619] Anwendung des Wasserdampfes in frühern Zeiten. James Watt ist nicht als der Erste zu bezeichnen, der den Wasserdampf als bewegende Kraft benutzte. Er verbesserte nur die Dampfmaschinen, ihm gelang es nur, eine Dampfmaschine herzustellen, frei von allen bisherigen Mängeln. Somit ist James Watt der zweite Erfinder der Dampfmaschinen. Die Idee, den Wasserdampf als bewegende Kraft zu benutzen, ist sehr alt; schon Hero, ein alter griechischer Weltweiser zu Alexandrien (210 v. Chr.), construirte einen Apparat, der durch die Reaktion des ausströmenden Wasserdampfes in die Rotationsbewegung gesetzt wurde, und Anthemius, ein berühmter griechischer Mathematiker, Baumeister und Maschinenverfertiger (geb. im fünften Jahrh. zu Tralles, einer lydischen Stadt in Kleinasien), der wegen seiner wunderbaren Erfindungen, wodurch er Erdbeben, Blitz und Donner hervorbrachte, vom Kaiser Justinian nach Konstantinopel berufen worden war, soll die Wirkungen des Wasserdampfes gekannt haben. Man erzählt folgende sonderbare Anekdote von ihm:

„Sein Haus war mit dem Hause seinen Nachbars Zeno in mehreren Parthieen verbunden. Ueber dieses Bauverhältniß gerieth Anthemius mit Zeno in einen Rechtsstreit und verlor den Prozeß, weil, wie ausdrücklich bemerkt wird, Zeno ein geschickter Redner war. Anthemius suchte sich zu rächen, und baute eine Dampfmaschine, welche der byzantinische Geschichtsschreiber Agathias (in seinem Werke de machinis mirabilibus) so beschreibt: „Er stellte große Kessel im Boden seines Hauses aus, füllte dieselben mit Wasser an, und umgab sie mit ledernen Schläuchen, die unten so weit waren, daß sie den ganzen Umfang der Kessel verschlossen. Mit den Schläuchen verband er lederne Röhren, die sich in Form einer Trompete verengten und in einer Proportion endigten. Die Enden dieser Röhren befestigte er dann so genau auf den Balken und Brettern des Zeno’schen Hauses, daß die in den Röhren enthaltene Luft und zwar mit ungehinderter Kraft in die Höhe steigen, aber nicht herausbrechen oder durchbrechen konnte. Nach diesen in’s Geheim gemachten Vorkehrungen legte Anthemius ein kräftiges Feuer unter den Kessel und erregte es zur großen Flamme. Sobald nun das Wasser heiß und kochend geworden, entwickelte sich ein starker Dunst (Dampf), der schnell und dicht in die Höhe stieg, und da er vom Kessel aus keinen andern Ausgang hatte, in die Röhren trieb, wo er zusammengepreßt und mit verstärkter Kraft in die Höhe strebte, bis er das Dach mit fortgesetzter Gewalt angriff, und dasselbe so erschütterte und bewegte, daß dan Holz nach und nach zitterte und krachte. Die Hausgenossen der Zeno, von Furcht und Schrecken ergriffen, eilten auf die Straße; Anthemius aber neckte sie mit der Frage: was sie von dem Erdbeben dächten?!“