Anna, Tochter Churfürst August’s I. erscheint nach ihrem Tode wieder

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Anna, Tochter Churfürst August’s I. erscheint nach ihrem Tode wieder
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 28-32
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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25) Anna, Tochter Churfürst August’s I. erscheint nach ihrem Tode wieder.
S. Hasche, Anecdoten a. d. Sächs. Gesch. Bd. II. (Lpzg. 1792.) S. 70.

Der Stifter der mit seinem Tode (28. April 1707) wieder erloschenen Sachsen-Eisenbergischen Linie Herzog Christian, der fünfte Sohn Herzog Ernst des Frommen von Sachsen-Gotha, ein Freund der Alchimie, hatte sich einst im J. 1705 in seinem Kabinette auf’s Bette zur Ruhe gelegt, und sich in verschiedene geistliche Betrachtungen vertieft, als etwas an die Thür des Zimmers klopfte. Obgleich der Herzog nicht begreifen konnte, wie dies zuging, da die Wache und andere Bediente sich im Vorzimmer befanden, so rief er doch: herein. Hierauf trat ein Frauenzimmer in altvätrischer fürstlicher Tracht herein, welches Anna, Kurfürst’s August I. Tochter, die unglückliche Gemahlin Herzogs Johann Casimir von Coburg war (geb. 16. Novbr. 1567 zu Dresden, im Gefängniß zu Coburg gest. 27. Jan. 1613). Als der Herzog, den bei dieser Gelegenheit ein kleiner Schauer überfiel, sich in die Höhe gerichtet hatte, fragte er dieselbe, was ihr Begehren sey? Sie antwortete: „entsetze Dich nicht, ich bin kein böser Geist, Dir soll nichts Uebles widerfahren.“ Der Herzog, welcher sich wieder erholt hatte, fragte nun weiter, wer sie wäre? Sie gab [29] ihm zur Antwort: „ich bin eine von Deinen Vorfahren und mein Gemahl ist eben der gewesen, der Du bist, nämlich Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg, wir sind aber schon vor 100 Jahren verstorben.“ Als der Herzog weiter nachforschte, was sie bei ihm zu suchen hätte, sagte sie: „ich habe eine Bitte an Dich, nämlich mich und meinen Gemahl, weil wir uns vor unserem Ende, wegen einer gehabten Zwistigkeit nicht aussöhnten, gleichwohl aber auf das Verdienst Christi gestorben sind, zu dieser von Gott bestimmten Zeit mit einander zu versöhnen. Ich befinde mich zwar wirklich in der Seligkeit, aber ich genieße noch nicht das völlige Anschauen Gottes, sondern bin zeither in einer stillen und angenehmen Ruhe gewesen; mein Gemahl aber, welcher sich bei meinem Tode nicht mit mir versöhnen wollte, es aber hernach bereuet und im wahren, obwohl schwachen Glauben an Jesum Christum die Welt verlassen, hat bis jetzt in Zeit und Ewigkeit, Finsterniß und Kälte, jedoch nicht ohne Hoffnung zur Seligkeit zu gelangen, sich befunden.“ Als der Herzog ihr deswegen üble Einwürfe machte, widerlegte sie ihm dieselben, daß sie nicht hierher gehörten und sie nicht angingen; ferner erzählte sie, daß, sobald der Herzog in die Ewigkeit gekommen, er wohl erkannt habe, daß einer von ihren Nachkommen sie versöhnen würde, und er sich sehr gefreut habe, da er ihn, den Herzog, als ein Werkzeug Gottes hierzu erkannt habe. Endlich gab sie dem Herzog acht Tage Bedenkzeit, nach deren Verlauf wollte sie wiederkommen und seine Erklärung abwarten. Hierauf verschwand sie.

Der Herzog lebte mit dem damaligen Superintendent Hofkunzen zu Torgau in besonderer Vertraulichkeit, er schrieb ihm gar öfter in geistlichen und weltlichen Sachen durch eigene Staffetten. An diesen wendete er sich sogleich, schrieb ihm den ganzen Verlauf und bat um sein Gutachten, ob er den Antrag des Geistes annehmen sollte. Dem Superintendent kam die Sache anfangs sehr verdächtig vor und er war geneigt, sie für einen Traum zu halten, nachdem er aber die besondere Frömmigkeit des Fürsten, dessen große Erkenntniß [30] und Erfahrung in geistlichen Sachen, sein zartes Gewissen und zugleich den Umstand, daß sich der Geist am hellen Tage beim Sonnenschein hatte sehen lassen, wohl bei sich erwogen, so trug er kein Bedenken, dem Herzog folgende Antwort zu geben: woferne der Geist von ihm keine abergläubische, nach dem Worte Gottes zuwiderlaufende Ceremonie oder andere Umstände verlangte, und er sich mit hinlänglichem Muthe zu einer solchen Handlung versehen könnte, so wollte er ihm eben nicht abrathen, dem Geiste seine Bitte zu gewähren. Dabei sollte er mit inbrünstigem Gebet auch zu Verhütung alles Betrugs den Zugang seines Zimmers und Cabinets durch die Wache und seine Bedienten wohl bewahren lassen. Der Herzog ließ unterdessen in den Geschichtsschreibern nachforschen und fand, daß Alles wirklich sich so verhalte, was ihm der Geist erzählt, auch sogar, daß die Kleidung der begrabenen Fürstin und des erschienenen Geistes genau auf einander übereingetroffen. Da die bestimmte Stunde kam, legte sich der Herzog wieder auf’s Bette, nachdem er der Wache vor dem Zimmer scharfen Befehl gegeben, keinen einzigen Menschen hereinzulassen. Und wie er diesen Tag mit Beten, Fasten und Singen angefangen hatte, also erwartete er den Geist, indem er in der Bibel las. Dieser stellte sich gerade um die Stunde, wie vor acht Tagen ein, und trat auf des Herzog’s Hereinrufen in voriger Kleidung in’s Cabinet. Gleich anfangs fragte der Geist den Herzog, ob er sich entschlossen habe, sein Verlangen zu erfüllen. Der Herzog antwortete, wenn ihr Begehren nicht wider Gottes Wort liefe, auch sonst nichts Abergläubisches bei sich führte, so wolle er es in Gottes Namen thun, sie solle ihm nur anzeigen, wie er sich dabei zu verhalten hätte. Auf diese Erklärung des Herzogs sagte der Geist: „mein Gemahl hatte mich bei meinem Leben wegen Untreu in Verdacht, weil ich mich mit einem frommen Cavalier insgeheim manchmal von geistlichen Sachen unterredet, er faßte deswegen einen unversöhnlichen Haß gegen mich, welcher so heftig war, daß, ob ich gleich meine Unschuld hinlänglich bewies und ihn auf meinem Todtenbette um Versöhnung [31] bitten ließ, er doch seinen Argwohn nicht ablegte und durchaus nicht zu mir kommen wollte. Da ich nun alles gethan hatte, was ich thun konnte, starb ich zwar im wahrem Glauben auf meinem Heiland, kam auch in die ewige Ruhe und Stille, genieße aber die völlige Anschauung Gottes noch nicht. Mein Gemahl hingegen bereuete, wie ich schon gesagt habe, nach meinem Tode seine Unversöhnlichkeit gegen mich und starb endlich auch im wahren Glauben, doch ist er bisher zwischen Zeit und Ewigkeit in Angst, Kälte und Finsterniß gewesen, nunmehr ist aber die von Gott bestimmte Zeit gekommen, daß Du uns auf dieser Welt mit einander aussöhnen und uns dadurch zu unserer vollkommenen Seligkeit befördern sollst.“ „Was soll ich aber hierbei thun?“ antwortete der Herzog, „und wie verhalte ich mich bei der Sache?“ Der Geist sagte: „künftige Nacht halte Dich fertig, da will ich und mein Gemahl zu Dir kommen, denn ob ich gleich am Tage komme, so kann doch dieses mein Gemahl nicht thun, und dann soll ein jedes von uns die vorgefallenen Uneinigkeiten erzählen, hierauf sollst Du das Urtheil sprechen, welcher von uns Beiden Recht habe, unsere beiden Hände zum Zeichen der Versöhnung in einander legen, den Segen des Herrn über uns sprechen und hierauf Gott mit uns loben.“ Nachdem der Herzog dies alles zu thun versprochen hatte, verschwand der Geist.

Der Herzog setzte seine Andacht bis auf den Abend fort, alsdann befahl er seiner Wache ausdrücklich, keinen Menschen in das Zimmer zu lassen und genau Achtung zu geben, ob sie Jemand in dem Zimmer reden hören würden. Hierauf ließ er zwei Wachslichter anbrennen und auf den Tisch setzen, auch das Gesangbuch und die Bibel dabeilegen, und so erwartete er die Ankunft der Geister. Diese stellten sich gleich nach 11 Uhr ein, und zwar kam die Fürstin, wie vorher, in lebhafter Gestalt zuerst in’s Zimmer, sie erzählte dem Herzog nochmals die Ursache ihrer Uneinigkeit. Hierauf trat der Geist des Fürsten in ordentlicher fürstlicher Tracht herein, aber mit sehr blassem und todtenfarbigem Gesichte, und erzählte [32] dem Herzog die Uneinigkeit mit seiner Gemahlin auf eine ganz verschiedene Art. Hierauf fällte der Herzog das Urtheil, daß der Geist des Fürsten Unrecht habe, welches dieser auch gestand und sagte: „Du hast recht geurtheilet.“ Der Herzog nahm nun die eiskalte Hand des Fürsten, legte sie in die Hand der Fürstin, welche ganz natürliche Wärme hatte, und sprach den Segen über sie, wozu sie beide Amen sagten. Der Herzog fing alsdann das Lied: „Herr Gott Dich loben wir“ an zu singen, und es kam ihm vor, als wenn Beide mitsängen. Da das Lied zu Ende war, sagte die Fürstin zum Herzog: „den Lohn wirst Du von Gott bekommen und bald bei uns seyn!“ worauf sie beide verschwanden. Von dieser Unterredung hatte aber die Wache nichts als die Worte des Herzogs gehört.