Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Katze und Maus in Gesellschaft

Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I (1913) von Johannes Bolte, Jiří Polívka
2. Katze und Maus in Gesellschaft
Marienkind
Für verschiedene Auflagen des Märchens der Brüder Grimm siehe Katze und Maus in Gesellschaft.

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2. Katze und Maus in Gesellschaft. 1856 S. 7.

1812 Nr. 2: aus Hessen, von Gretchen Wild in Kassel 1808. – Eine ähnliche Geschichte von einer Katze und einer Ratte wird in ‘Stories on proverbs’ (London 1854) zur Erklärung des Sprichworts ‘Send not the cat for lard’ angeführt.

Man erzählt es in Hessen auch von Hähnchen und Hühnchen. Diese hatten einen Edelstein im Mist gefunden, beim Juwelier verkauft, ein Fetttöpfchen dafür erhandelt und das für den Winter auf einen Schrank gestellt. Das Hühnchen frißt es aber nach und nach leer, und wie das an den Tag kommt, wird das Hähnchen ganz wütend und hackt sein Hühnchen tot, das es hernach mit großer Reue und Traurigkeit begräbt wie in dem Märchen von dem Tod des Hühnchens (nr. 80). – Auch in Hinterpommern (Firmenich 1, 91 ‘Voate Hähnk’. Bl. f. pomm. Volksk. 9, 39) vom Hähnchen und Hühnchen, wo die Kinder Schlichtaf, Halfut, Stülpum heißen; ebenso in Brandenburg (Engelien-Lahn S. 166). – Ferner wird es [10] vom Fuchs und Hahn erzählt, die einen Honigtopf gefunden. Die Kinder bekommen in der Taufe die bedeutenden Namen Randaus, Halbaus, Ganzaus.

In Holstein (Müllenhoff S. 468. Wisser 2, 34), Mecklenburg (Wossidlo, Aus dem Lande Reuters S. 157), Siebenbürgen (Haltrich-Wolff 1885 S. 74) und in fast allen außerdeutschen Fassungen sind Fuchs und Wolf die handelnden Personen; die Kinder heißen Halfuet, Drevirteluet, Schrapopnborn oder Fang an, Halfut, Lick n Borm, oder Anfang, Middenin, Schraap upn Borrn oder Schön bis an den Henkel ausgeleckt, Schön bis in die Hälfte ausgeleckt, Schön ganz ausgeleckt und schön wieder zugedeckt. – Vlämisch bei Joos, Vertelsels 2, 46 (Begonnen, Halfuitgeëten, Uitgelekt), Volkskunde 2, 110 und De Mont-de Cock, Vertelsels 1898 S. 83 (Fuchs und Bär. Begost, Halfuit, Aluit); niederländisch aus Drente in Volkskunde 15, 112 (Aanbegin, Middenindeton, Onderindeton, Schropopdenbooden); dänisch bei Kristensen, Dyrefabler S. 37 (Slikombred, Slikmidti, Slikrentop); norwegisch vom Fuchs und Bär bei Aasen 1899 nr. 31 und Asbjörnsen-Moe nr. 17, 2 = Bresemann 1, 119 = Thorpe p. 279 = Dasent 1859 p. 472 (Angefangen, Halbverzehrt, Ausgeleckt); schwedisch bei Bondeson, Sv. folksagor p. 118 nr. 30 ‘Räfven och björnen’, Svenska landsmålen 1, 13, 52 und Hackmans Register nr. 15; färöisch bei Jakobsen p. 436 nr. 51 ‘Revur og bjødn’ (dazu p. 607 Var. von Katze und Maus); schottisch bei Campbell 3, 96 = 1892 3, 108 nr. 65 = Brueyre p. 362 (Under its mouth, About half and half, Licking all up). – Französisch: Sébillot, C. des prov. p. 320 (Bresse, Entamé, Moitié, Fin), Contes des Landes p. 270, Folklore de France 3, 63. Arnaudin p. 125. Gittée-Lemoine p. 159. Harou, Folklore de Godarville p. 128. Cosquin nr. 54 = Romania 8, 596 (Commencement, Moitié, J’ai vu son cul). Adam, Les patois lorrains 1881 p. 412. Revue des trad. pop. 1, 241 (Franche-Comté) und 19, 212 (Artois). Pineau, Contes p. 195 und Folklore p. 39. Revue des langues romanes 4, 315 (Ariège. Commencé, À moitié, Achevé) und 14, 184 (Isère. Jusqu’ au cou, Jusqu’ au milieu, Jusqu’ au fond). Revue des provinces 3, 492 (1864. Périgord). Gras, Dictionnaire du patois forézien 1863 p. 220 = Jb. f. roman. Lit. 9, 399 mit Köhlers Nachweisen = R. Köhler, Kl. Schriften 1, 105 (Quart-mangé, Moitié-mangé, Tout-mangé). Bladé, Gascogne 3, 195. Lambert, Contes du Languedoc p. 138. Roussey, C. de Bournois p. 17. Meyrac p. 458 (Entamé, à moitié, Rléché). – Italienisch im [11] Giamb. Basile 1884, 52 und Archivio 5, 57 (entstellt). Spanisch bei Caballero, Cuentos 1878 p. 6 (Empezili, Mitadili, Acabili). Portugiesisch: Braga nr. 246 (Comecei-te, Meêi-te, Acabei-te). Baskisch bei Cerquand, Légendes 4, 136 (Fuchs, Wolf, Bär). Griechisch bei Hahn nr. 89 (Wolf Nicola und Füchsin Marja. Anfanginchen, Mittinchen, Stülpinchen) und 2, 306. – Slowenisch im Resiatale im Venezianischen: Baudouin de Courtenay, Slav. sbornik 3, 301. – Serbokroatisch: Valjavec p. 281 nr. 69 (aus Warasdin) = Krauß 1, 39 nr. 11 (Anfangstück, Mittelstück, Endstück) = Dähnhardt 4, 242. Zbornik za nar. život jsl. 13, 92 nr. 1. Preindlsberger S. 51 ‘Das Füchslein’. Olaf Broch, Die Dialekte des südl. Serbiens S. 134 (der Fuchs führt den Wolf zum Eide über die verzehrte Butter zur Kirche, d. h. einer eisernen Falle, in der der Wolf erschlagen wird); Stankov Kukić S. 94 (nur Reste des Motivs in der Einleitung); in einer Fassung aus dem nördl. Dalmatien (Zbornik za nar. život južnih Slavena 11, 131) hat der Fuchs das vom Wolf gebrachte Schaf gefressen. – Bulgarisch aus Sofia: Sbornik min. 9, 177 (Fuchs und Wolf. Honigtopf). Šapkarev, Sb. 8, nr. 34 = Blgar. prik. nr. 58 (aus Ochrid). Sb. min. 3, 201 (der Fuchs ißt heimlich die von Hase, Hindin, Reh, Fuchs, Wolf und Bär gekochte Halva. Rhodope-Gebirge) und 1, 128 (Fuchs verzehrt den von Bär und Wolf bereiteten Braten. Ebd.). – Großrussisch: Afanasjev³ 1, nr. 2a-e = De Gubernatis, Die Tiere S. 437 = Gerber nr. 5 = A. Meier 1, 8 = Brandt 1, 58. 67. 71. Čudinskj, Russkija narodnija skazki nr. 12. Witte, Podsnĕžnik 1860 p. 5 nr. 1. Ončukov S. 554 nr. 276. Jefimenko 1877 in Izv. imp. ob. lub. jest. 30, 2, 233. – Kleinrussisch: Dragomanov 1876 p. 362 nr. 36. Malinka S. 316 nr. 36. – Lettisch: Zbiór wiadom. 18, 281 nr. 20 (Fuchs und Hase).

In einem kirgisischen Märchen bei Radloff 3, 369 betrügt der Fuchs den Wolf und den Tiger auf gleiche Weise um einen gemeinschaftlich gefundenen Eimer Butter; die Namen, die er den Kindern seiner Brüder gegeben zu haben versichert, lauten Fingerbreit, Mittelrücken und Leckleck. – Estnisch bei Kunder 1885 S. 31. Kallas nr. 72 ‘Der Fuchs als Gänsehirt.’ Dähnhardt 4, 241. 248. 305. Finnisch: Salmelainen 3, nr. 2 = Schreck S. 185 (Erstes, Zweites, Drittes Mal). Aarnes Register nr. 15. K. Krohn 1886 1, 350 nr. 4. 16. Mordovskij Sbornik 1910 p. 255. – Bei den Tungusen im Gouv. Jenisej im Sbornik v čest’ Potanina 1909 p. 38. – [12] Bei den Kabylen (Rivière p. 89) frißt der Schakal die Butter, und versichert dem Löwen und Wildschwein, er sei von seinem Onkel eingeladen. Auch in Algier bekannt nach Basset, Notes de lexicographie berbère 1885 p. 98. Aus Madagaskar teilt es Liebrecht (im Globus 34, 366 nach Cameron, Cape monthly magazine 1878, April = Dahle, Malagasy folk-lore[WS 1]) mit: ‘Die wilde Katze und die Ratte.’

Einen ähnlichen Verlauf hat das afrikanische Negermärchen von der Henne und der Katze bei Kölle 1854 p. 154 — Bleek 1870 S. 147 nr. 26; das der amerikanischen Neger bei Harris, Uncle Remus 1902 p. 80 nr. 17 (Hase, Fuchs, Opossum) und aus Französisch-Guayana bei Brueyre p. 365 ‘Chien et chat’ (Taufe von Commencement, Mitan, Finichon). Dennett p. 90 = Dähnhardt 4, 34.

In Island endlich (Árnason 2, 509 = Powell-Magnusson 2, 606 = Ritterhaus S. 349) erzählt eine alte Frau, die das Butterfaß ausgenascht hat, ihrem dummen Manne, sie sei bei der Taufe von Rand, Mitte, Bodenrand und Boden gewesen, und tötet ihn, indem sie mit dem Hammer nach der Fliege auf seiner Nase schlägt (vgl. Benfey 1, 283. Unten zu nr. 58).

Nach Benfey (Pantsch. 1, 596 f.) soll unser Märchen aus der Fabel von der Fruchtkammer der Tauben im arabischen Kalila und Dimna (Wolff 2, 76. Sengelmann, Syntipas S. 126. Johann von Capua bei Hervieux 5, 289. Beispiele der alten Weisen 1860 S. 153. Chauvin 2, 104. 8, 53) stammen; doch ist der Grundgedanke verschieden, hier frißt die Taube nicht wirklich von dem aufgespeicherten Weizen, sondern wird unschuldig von ihrem Männchen umgebracht. Gerber 1891 p. 52 möchte eine Episode im Roman de Renart (XXIV, 219 = Méon 241. Rothe 1845 p. 120), in der Renart drei Schinken in seines Oheims Ysengrin Haus nachts stiehlt, als eine entstellte Form unsres Märchens betrachten. K. Krohn (Bär und Fuchs. Journal de la société finno-ougrienne 6, 74–81) dagegen sucht den Ursprung des Märchens im germanischen Norden, wo sich auch die Urform am reinsten erhalten habe: Der Fuchs sucht den Umgang des Bären, der einen Bienenkorb besitzt, und entfernt sich dreimal, angeblich um zu einer Taufe zu eilen, in Wirklichkeit um den Honig zu naschen. Auf die Frage nach dem Namen des Kindes deutet er wortspielend das Ziel an, bis zu dem er beim Naschen gelangt war. Als der Bär den Raub entdeckt, behauptet der Fuchs, der Bär habe selber den Honig gefressen; er schlägt vor, daß beide sich im [13] Sonnenschein schlafen legen, um zu sehen, wer den Honig gefressen habe, und beschmiert dann den Bären mit Honig.[1] In andern Ländern ist aus dem Fuchse ein Schakal, Kaninchen, eine Katze, ein Huhn geworden, aus dem Bären vielfach ein Wolf, Hund oder Hyäne, aus dem Honig Butter oder eine andre Speise.


  1. Ähnlich Bleek 1870 S. 14 nr. 9; ‘Wer war der Dieb?’ (Schakal und Hyäne.)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: folk lore
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