Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Der alte Sultan

Van den Machandelboom Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I von Johannes Bolte, Jiří Polívka
48. Der alte Sultan
Die sechs Schwäne
Für verschiedene Auflagen des Märchens der Brüder Grimm siehe Der alte Sultan.

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48. Der alte Sultan. 1856 S. 80.

1812 nr. 48 nach Fr. Krause (vgl. über ihn unten zu nr. 62), 1819 und später ausführlicher. In den Anmerkungen 1822 heißt es: nach zwei einander ergänzenden Erzählungen, die aus Niederhessen, die andere aus dem Paderbörnischen. In der letztern ist es Fuchs und Bär, die den Zweikampf bestehen wollen, und voran geht als Einleitung die aus dem Reineke Vos bekannte Erzählung, wie der Fuchs den Bären auf Honig reizt und in ein Holz festklemmt. Sich zu rächen, fordert ihn dieser nun heraus.

Nach einer dritten Fassung, auch aus dem Paderbörnischen, hat der Fuchs außer der Katze noch den Hund und die Biene zum Beistand. Die Biene setzt sich dem Schwein, das es mit dem Bären hält, ins Ohr und sticht es; die Katze aber fängt eine Maus und wirft sie dem Bären in das aufgesperrte Maul, die ihn in die Zunge beißt, worauf beide mit Geschrei fortlaufen. Den zweiten Tag machen sie aus, wer zuerst einen Berg hinauflaufe, solle des andern Herr sein. Der Fuchs hat einen Bruder, der ihm so ähnlich ist, daß sie nicht zu unterscheiden sind; den schickt er voraus (wie der Swinegel seine Frau in nr. 187) und fängt dann mit dem Bären den Lauf zugleich an, bleibt absichtlich zurück und versteckt sich. Wie der Bär hinaufkommt, ist der Fuchs oben, und er denkt nicht anders, als es wäre der rechte, und ruft voll Zorn: ‘So wollt ich, daß das Wetter auf mich schlüge!’ Es saß aber auf dem Baum unter dem der Bär stand, ein Junge, der sich vor ihm dahin geflüchtet hatte; als er das Tier herbeirennen sah, ließ er aus Angst seine Holzaxt fallen, und die schlug gerade dem Bären den Kopf ein. – Dieser Zug kommt auch in einem Märchen der siebenbürg. Sachsen vor (Haltrich ⁴ nr. 110; Zur Volkskunde 1885 S. 51. 55) und bei Kuhn, Märkische Sagen S. 303.

In eine vierte Erzählung, ebenfalls aus dem Paderbörnischen, war eine Rede eingeflochten, worin der Bär sein Zusammentreffen mit einem Jäger schilderte (vgl. nr. 72): ‘Es begegnete mir ein Mensch, der machte auf einmal eine lange, lange Nase (legte die Flinte an) und spie Feuer daraus und mir schwarze Körner ins Gesicht. Da ging ich auf ihn los; aber er zog eine weiße Rippe aus seinem Leib, die war scharf, und damit schlug er mir auf die Tatze; aber ich brach sie ihm entzwei. Da holte er eine schwarze Rippe (die Scheide) hervor; aber ich machte, daß ich fortkam.’

[425] Aus Südböhmen bei Vernaleken, KHM. nr. 9 ‘Der Hund und der Wolf’; aus Mähren bei W. Müller 1893 S. 44 ‘Hund und Wolf’. Wendisch bei Haupt-Schmaler 2, 167 nr. 8 ‘Der Krieg des Wolfes und des Hundes’ = Haupt, Sagenbuch 2, 209. Schwedisch nach Grimm in einem Volksbuche von 1824 ‘Den trogna hunden’ (Backström 3, 148).

Von den beiden Teilen des Märchens, A. dem Vertrage zwischen Hund und Wolf, und B. dem Siege der schwächeren Haustiere über die Waldtiere, erscheint der erste schon in der 12. Extravagante von Steinhöwels Äsop (ed. Oesterley 1873 S. 218) ‘De lupo et cane famelico’; doch raubt der Wolf hier zweimal ein Lamm und wird von dem karg genährten Hunde verfolgt, aber nicht gepackt, worauf die Hirten den Hund reichlicher füttern. Ähnlich bei Haas, Rügen 1899 S. 104 ‘Murrjan und der Wolf’. Haltrich, Zur Volkskunde S. 53. Vgl. auch unten nr. 132 ‘Der Fuchs und das Pferd’.[1]Kleinrussisch bei Bain, Cossack f. tales p. 127 ‘The old dog’.

Den Kampf der Haustiere wider Wolf und Wildschwein, bei dem sich die Katze auszeichnet, stellen zwei siebenbürgische (Haltrich ⁴ nr. 82 ‘Vom Kater Mitzpuff’; nr. 91 ‘Der Bär, der Wolf und der Fuchs’), ein pommersches (Bl. f. pomm. Volksk.[WS 1] 7, 14 ‘Der Krieg der Tiere’), ein mecklenburgisches (Bartsch 1, 516 ‘König der Vierfüßler und Vögel’ = Dähnhardt, 4, 201) und ein ostpreußisches Märchen (‘Das Konditorhäschen’. Zs. f. Volksk. 15, 346) dar. Vgl. auch Zaunkönig und Bär (nr. 102). – Schwedisch bei Rußwurm, Hapsal nr. 172 ‘Der Bär, der Wolf und der Fuchs’. Åberg nr. 177 ‘Våför vi int har inga läjon miéran i vort land’. Hackmans Register nr. 103. – Französisch in La Tradition 4, 70 ‘Le grillon et le loup’ (Wolf, Fuchs, Marder, Iltis, Wiesel geschlagen von Grille, Wespe, Biene, Hornisse). – Serbokroatisch: Wuk nr. 49 ‘Der Bär, das Schwein und der Fuchs’ = J. Grimm, Reinhart Fuchs S. CCXCI = Krauß 1, 17 nr. 5. Aus Kroatien bei Valjavec S. 269 nr. 72 (A ohne die Rettung des Kindes, B). Aus Serbien bei Olaf [426] Broch, Dialekte S. 266 (A B). – Bulgarisch: Sbornik min. 13, 211 nr. 2 (A B; Schaf statt Kind). –Slowenisch aus Steiermark: Kres 5, 505 nr. 62 (A B; Schwein statt Kind). – Čechisch aus Mähren: Menšík S. 248 nr. 27. Sedláček 1, 25 (A; Wolf mit Widder und Stute). – Slovakisch: Němcová, Slov. 2, 189 nr. 52 = Dobšinský 6, 93 nr. 70 (A B). – Wendisch: Veckenstedt S. 423 nr. 3 (Fuchs und Hahn). – Polnisch (nur A): Zbiór 5, 214 nr. 21. 5, 259 nr. 60. 15, 42 = Dähnhardt 4, 214. Wisła 3, 776. 19, 411 nr. 16 (der Wolf im Keller trunken singt). Ciszewski S. 314 nr. 260–261. Mitt. der schles. Ges. f. Volksk. 8, 67. Chełchowski 2, 38 nr. 58. Mater. antropol. 11, 23 nr. 21. – Großrussisch: Afanasjev ³ 1, 39 nr. 24a (Hund vom Wolf gefüttert, fällt ihn später an; der dumme Wolf und der Bock). 1, 44 nr. 26 ‘Der Bär, der Hund und die Katze’ (statt des Wolfes der Bär) = Brandt 1, 127 = Hins p. 130; vgl. Gerber 1891 p. 74 und Dähnhardt 4, 210 ⁷. – Kleinrussisch: Sadok-Barącz S. 230 (bloße Anspielung). Aus Oberungarn: Etnogr. Zbirnyk 4, 167 nr. 2 (A; der dumme Wolf). Šuchevyč S. 165 nr. 103 (A abgeschwächt). Aus dem Gouv. Poltawa: Čubinskij 2, 124 nr. 42 (A; der dumme Wolf mit Pferd und Widder). Materyały antropol. 2, 61 nr. 33 (A; Wolf und Widder). Aus dem Gouv. Kiew: Rudčenko 1, 9 nr. 4 ‘Hund und Wolf’ (A; der dumme Wolf). 1, 11 nr. 5 (A). 1, 13 nr. 6 (A). Bain, Cossack f. t. p. 130 ‘The fox and the cat’. Das Gedicht von Stepan Rudanśkyj (Tvory 1, 141 nr. 88) nähert sich der großrussischen Fassung Afanasjevs nr. 26 und den polnischen bei Kolberg, Chełmskie 2, 121 nr. 22 und Zbiór 5, 246 nr. 49. – Weißrussisch aus dem Gouv. Minsk bei Šejn 2, 258 nr. 121 (Schwein statt Kind; B). 2, 259 nr. 122 (Wolf auf der Hochzeit; B). Aus dem Gouv. Mogilew bei Romanov 3, 15 nr. 10 (A B). Aus dem Gouv. Smolensk bei Dobrovoljskij 1, 653 nr. 2 (A). Aus dem Gouv. Minsk bei Karłowicz S. 122 nr. 83 (A). Aus dem Gouv. Grodno bei Federowski 2, 27 nr. 30 (A; der dumme Wolf mit Pferd und Widder); 2, 29 nr. 31 (A B; am Schlusse der Wolf zum Tauffeste beim Hasen eingeladen). Bei Šejn 2, 20 nr. 11 = Dähnhardt 4, 213 ist A abgeschwächt und B besonders hervorgehoben. – Litauisch: Dowojna-Sylwestrowicz 1, 340 (A B). – Lettisch: Wisła 3, 783 (A B). Magazin der lett literar. Ges. 19, 162 = Dähnhardt 4, 215. Dähnhardt 4, 216. 304. – Estnisch: Rosenpläntner 1817 S. 125 = Grimm, Reinhart Fuchs S. CCLXXXV nr. 3 ‘Bär, Wolf und Fuchs’. Kallas nr. 74. Dähnhardt [427] 4, 216. – Finnisch: Salmelainen 3, nr. 4–6 = Schreck S. 193. 195. Krohn-Lilius 1, 113. 407. Aarnes Register nr. 101. 103. 104. Dähnhardt 3, 23. – Ungarisch: Arany-Gyulai, Ungar. Revue 1885, 636 ‘König Katzor’. – Mordwinisch: Paasonen nr. 18 (Journal de la soc. finno-ougr. 12, 152). – Wotjäkisch: Buch S. 115 nr. 5. – Teleutisch: Potanin, Očerki 4, 178 nr. 5. – Von den Onondagas in Nordamerika: Journal of am. folklore 6, 180 ‘The fox and the bear’ (Fuchs, Katze, Hund gegen Bär, Wolf, Schwein). – Aus Darfur: Zs. f. vgl. Litgesch. 1, 308 ‘Das Kamel und der Elefant’. – Vgl. den Krieg zwischen Wespen und Esel bei Barachia Nikdani, Parabolae vulpium ed. Hanel 1661 S. 105 = Zs. f. dtsch. Mythol. 1, 1 (1853).

Eine Untersuchung dieses Märchens steht von K. Krohn zu erwarten (Dähnhardt, Natursagen 4, 209).


  1. Der Undank des Menschen gegen den altersschwachen Haushund wird auch in nr. 27 ‘Die Bremer Stadtmusikanten’ und in einer Fabel des Phädrus (5, 10. Romulus 2, 7. Kirchhof 1, nr. 60. 7, nr. 75) beschrieben. Dagegen zieht Benfey (Pantschatantra 1, 483) die übereilte Tötung des treuen Hundes, der das Kind von der Schlange gerettet hat (Pauli c. 257. Kirchhof 7, nr. 109. Chauvin 2, 100. 8, 66), kaum mit Recht hierher. Auch das Gedicht vom Wolf als Kindsmagd bei Lassberg, Liedersaal 1, 291 nr. 41 gehört nicht dazu.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Volkk.
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