Ankunft der Colibris und der Leuchtkäfer in den nordamerikanischen Städten

Textdaten
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Autor: K.
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Titel: Ankunft der Colibris und der Leuchtkäfer in den nordamerikanischen Städten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 406–409
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ankunft der Colibris und der Leuchtkäfer in den nordamerikanischen Städten.
Von K.

Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Naturgeschichte der beiden amerikanischen Continente, daß sie eine Menge Pflanzen und Thiere unter sich gemeinsam haben, die sich weit auf dem ganzen langen Rücken der neuen Welt, sowohl gegen den Südpol, als gegen den Nordpol hin verbreiten, während sie sonst in keiner Zone der anderen Continente gefunden werden. Der Puma oder der amerikanische Löwe findet sich in Canada, wie auch unter dem Aequator und südwärts hinab bis nach Patagonien. Die so fruchtbare wie furchtbare Klapperschlange hat in manchen Strichen Canada’s eben so stark besuchte Brutplätze wie in Venezuela und Brasilien. Eine Menge tropischer Gewächsformen dringen mit verschiedenen ihrer Varietäten im Mississippithale weit höher nordwärts hinauf, als es bei uns der Fall ist. Dasselbe thun einige Gattungen von Papageien und andere Thiere, welche ich hier nicht alle aufzuzählen nöthig habe.

Ich will unter ihnen allen nur eines, das kleine Sonnenkind, den goldigen Colibri hervorheben, weil ich ihm einige sehr genußreiche Augenblicke verdanke, und hoffe dem Leser dieses Blattes ein hübsches Bild davon in seine Gartenlaube bringen zu können. Obgleich jenes zierliche Vögelchen schon im ersten Frühling seine Wanderung in großen Schaaren nach dem Norden antritt und in der Mitte des Sommers sogar an den Ufern der canadischen Seen häufig genug zu finden ist, so hatte ich doch drei Jahre lang in den Vereinigten Staaten gelebt und gereist, ohne daß es mir gelungen wäre, auch nur einen dieser „geflügelten Brillanten“ irgendwo ansichtig zu werden. Ueberall, wohin ich kam, hatte ich den rechten Zeitpunkt verfehlt. Entweder wurden die Colibris erst eben erwartet, und ich hatte keine Zeit, zu verweilen, oder sie waren so eben nach dem Süden heimgekehrt, und ich konnte den Liliputanern, die mir wie Elfchen entschlüpften, nicht nacheilen. Es mag auch bei uns wohl manchem Europäer mit dem berühmten Vöglein Zaunkönig eben so gegangen sein, von dem Jeder viel gehört und den doch nicht Jeder im Busch beobachtet hat. Ja, gesteht doch selbst der berühmte aus Schottland gebürtige Ornithologe Alexander Wilson Band I. Seite 171. seiner „American Ornithology“, daß es ihm nie in seinem Leben gelungen sei, eine lebendige Nachtigall zu sehen oder zu hören. –

Endlich blieb ich einmal in der Congreßstadt Washington einen ganzen Winter und Frühling hindurch auf demselben Platze, und siehe, da kamen denn die hübschen kleinen Wanderer zu mir, und ich bekam nun hinreichende Gelegenheit, mich mit ihnen bekannt zu machen und zu vergnügen.

Es ist den Naturforschern bekannt, daß es nördlich vom mexikanischen Meerbusen in der Hauptsache[1] nur eine Gattung von Colibris giebt, die sie „„Trochilus Colubris“ oder den „nördlichen Colibri“ nennen. Das Körperchen dieses Trochilus, wenn man ihm seine Federn nimmt, ist nicht viel größer als der Leib einer großen Hummel, und sein Nest hat nur einen Zoll im Durchmesser [407] und Tiefe. Er ist auf Kopf, Rücken und Bauch von hellgrüner, sehr brillanter Smaragdfarbe, die mit metallischem Glanze schillert. Nur an Hals und Kehle hat er einen rubinrothen Fleck oder Ring, der ihn wie ein Geschmeide ziert. Auch diese rothen Federn schimmern und strahlen wie Metalle und Edelsteine, und überziehen, wie Fischschuppen über einander geschoben, den ganzen kleinen Körper wie mit einem fein gearbeiteten Panzer.

Der Colibri findet in dem Territorium der Ver. Staaten eine Menge von Bäumen und Blumen, deren Blüthen er theils ihrer süßen Säfte, theils der in ihren Kelchen verborgenen Insecten und Käferchen [2] wegen ausbeutet. So wie sich die schönen Magnolien und die zahlreichen Balsaminen, die prachtvollen Tulpenbäume und die hohen amerikanischen Pappeln im ersten Frühling in den südlichen Staaten mit Blüthen schmücken, bricht der kleine Näscher, der im Winter sich in die Gegenden geborgen hatte, in denen das ganze Jahr hindurch Honig träufelt und Blumen blühn, auf und beginnt seine Wanderung nach Norden, wo er so lange weilt, als den bereits abgeblühten Büschen und Stauden noch neue mit frischer Lust folgen, und dies dauert fast bis in den Monat September hinein.

Der Colibri hat, wie die Schwalbe bei uns, unter jedem Breitengrade des Landes seine bestimmte Ankunftszeit, in welcher die Leute der Gegend ihn erwarten. Anfangs März sieht man ihn bei New-Orleans an der Mündung des Mississippi erscheinen. Ende März kommt er nach Georgia und Süd-Carolina hinauf. Den 25. April hat man als das Datum seiner Ankunft in Pennsylvanien festgesetzt. Und diese Daten stimmen sehr gut mit dem, was ich selber erlebte, überein. Denn es war an einem der Tage zwischen dem Ende März und dem 25. April, als mich in Washington, einer Stadt, die bekanntlich zwischen Pennsylvanien und Carolina ungefähr in der Mitte liegt, ziemlich früh am Morgen ein Freund mit der Nachricht weckte: die Colibris seien da. Weder er, noch ich hatten sie an einem der vorhergehenden Tage gesehen, und sie mußten daher wohl gerade eben angekommen sein, obgleich ich natürlich nicht behaupten will, daß uns nicht einige versprengte Vorläufer, wie sie wohl jeder großen Armee voranplänkeln, entgangen waren.

Wir wanderten um 8 Uhr Morgens hinaus nach dem „weißen Hause“. Denn in dem Vorhofe oder Vorgarten dieser Residenz des Präsidenten der Vereinigten Staaten – so berichtete mir mein aufmerksamer Freund – da stehe der Baum, von welchem die Colibris oder, wie die Engländer sie nennen, die kleinen Sumsevögel (humming birds) so eben Besitz ergriffen hätten.

Wir fanden einen schönen und in voller Blüthe stehenden Tulpenbaum und entdeckten bald die kleinen summenden, schwirrenden Flatterer, die den Baum in allen seinen Partien und Zweigen belebten. Sie kreisten oben über dem Gipfel des Baumes und schossen auch um seine unteren Zweige dicht vor unseren Augen vorüber, bald im Schatten verschwindend, bald in den Sonnenstrahlen aufblitzend. Anfänglich, ehe ich sie näher in’s Auge zu fassen vermochte, konnte ich mir fast eben so gut einbilden, daß ich ein Heer von Bienen, Hornissen oder Maikäfern vor mir hatte. Denn diese Vögel schlagen fast eben so heftig, wie die Brummfliegen, mit den Flügeln, die daher zuweilen beinahe unsichtbar werden oder nur wie ein Stück Schleier erscheinen. Dies ist besonders der Fall, wenn sie vor dem Kelche einer Blume schweben, um seinen Inhalt zu untersuchen.

Meistens, wenn wir so von unten her gegen den blendenden Himmel ausschauten, sahen sie mir dunkel und farblos aus. Aber plötzlich, wenn sie sich im Fluge herumwarfen, glitzerten sie wie ein Edelstein, wenn man ihn in das rechte Licht bringt. Und konnte man den Flug eines einzelnen Individuums in der Nähe verfolgen, so sah man bei jeder Veränderung der Bewegung einen Wechsel der schillernden Farben. Bald traten die smaragdgrünen Federschüppchen des Rückens, bald die Rubinen der Kehle deutlicher hervor. Sie waren alle außerordentlich heftig und ungestüm in ihren Bewegungen, wie dies auch wohl bei den Hornissen der Fall ist. Oft blieben sie ein paar Augenblicke auf einem Punkte schweben, als wären sie da mitten in der Luft befestigt, dann aber plötzlich schossen sie mit Pfeilgeschwindigkeit seitwärts und schwenkten sich im Halbkreise, wie ein Schlittschuhläufer, rasch um den Baum herum, um auf der andern Seite eine andere Tulpe zu finden. Meistens schienen mir Streitigkeiten um die Blumen – oder um die Weibchen? – Veranlassung zu diesen raschen Schwenkungen zu sein. Oft schnellte ein kleiner Vogel vom Gipfel des Baumes zum Himmel empor, als würde er hinaufgeschleudert. Ein kleiner bissiger Verfolger, der ihm von unten nachsetzte, bewies uns aber, daß jener sich durch seine eigenen Flügelschläge aufwärts lancirt hatte. In der That schien es mir, daß neben dem Blumensaugen Kampf und Streit ihr Hauptgeschäft sei. Kaum hatte einer von ihnen seinen langen Schnabel in eine Blume gesteckt, so gefiel dieselbe Blume einem anderen besser und das Duell begann auf der Stelle. Zuweilen flogen sie dabei, wie zwei um einander herumwirbelnde Funken einer Feueresse, so hoch in die Luft, daß sie unseren Blicken entschwanden.

Diese Streitlust soll bei allen Colibris allgemein sein, vielleicht sind dabei, wie bei unsern Schwalben, eben so sehr Spiel und Scherzlust die Triebfedern, als blasser Neid und nackte Bosheit. „Diese Colibris haben ein großes Herz,“ würden meine canadischen Indianer sagen. Und wirklich bestätigen es die Anatomen, daß das Herz des nordamerikanischen Trochilus eben so groß ist wie sein Schädel, obgleich auch dieser verhältnißmäßig nicht klein ist, sondern eine bedeutende Portion Gehirn enthält. –

Die Sonne schien ganz wundervoll warm und hell in das Gebüsch und die Blüthenkelche des Baumes hinein. Und je wärmer sie strahlte, desto mehr Vögelchen kamen herbei. Ich sah sie über das Dach des Präsidentenhauses der Ver. Staaten hin und her schießen. Denn auch jenseits des Hauses lag ein großer, blumenreicher Garten, den sie besuchten. Doch schien unser Tulpenbaum – wenigstens diesseits des Hauses – ihr Hauptstandquartier zu sein, zu dem sie aus der Ferne spielend zurückkehrten, indem sie unterwegs ihre kleinen Körperchen durch die Flügelschläge wie Bälle durch die Luft schnellten. In den andern zahlreichen Bäumen, die umherstanden, fand ich keine Colibris. So sieht man bei uns auch wohl auf einem duftenden Lindenbaume zur Zeit seiner Blüthe Hunderte von Bienen summen und schwärmen. Wie würden aber bei uns wohl die Leute zusammengelaufen sein, wenn man ihnen eine solche statt der Bienen von Colibris rauschende und von ihrem Glanzgefieder, so zu sagen, wie ein Weihnachtsbaum glitzernde Magnolie mitten auf dem Markte ihrer Städte hätte hinstellen können! Uebrigens gewährt die Biene in der Art des Flugs zu der Weise der Colibris einen recht interessanten Gegensatz. Jene ist dabei das wahre Bild der Emsigkeit und des bedachsamen Fleißes. Sie fliegt ganz langsam, auch wenn sie nicht gerade schwer beladen ist, zwischen den Blumen herum und untersucht dieselben vorsichtig, verkriecht sich mühselig tief in ihre Kelche und kommt, bestaubt wie ein Müller, wieder daraus hervor. Man sieht es ihr wohl an, sie ist ein Arbeiter und Künstler. Der Colibri dagegen erscheint in der Manier seines Fluges als ein blos nasch- und flatterhafter Geselle.

Das hübsche, oft beschriebene Schauspiel, wie er sich vor dem Munde einer Blume angelangt einige Augenblicke in der Luft vor ihr fest hinstellt, und wie er dabei seine blitzenden, deutlich erkennbaren Aeuglein mit Aufmerksamkeit zu den Seiten herumwirft, um zu erspähen, ob Alles in der Nähe ungefährdet sei, und wie er dann erst, nachdem er sich hiervon überzeugt, seinen Kopf und Rüssel in den süßduftenden Becher vertieft – dieses vermuthlich sehr hübsche Schauspiel habe ich leider nicht in der gehörigen Nähe belauschen können. Unsere Blüthen hingen dazu zu hoch. Doch sah ich es ein paar Mal deutlich, wie sie sich einen Augenblick rastend auf einem kleinen kahlen Zweige hinsetzten. Und auch dies sieht schon hübsch genug aus. Dann wird man erst recht gewahr, daß das tanzende Dingelchen wirklich ein Vogel ist. Man erkennt seine hübsche Figur und seine Beinchen und sieht, wie er sich putzt und kämmt und seine goldigen Federchen durch seinen Schnabel zieht.

Ich verband früher das Treiben und Leben der Colibris – und ich glaube, in Deutschland mag es noch Vielen so gehen – nur mit dem Innern eines amerikanischen Urwaldes. Aber sie haben, wie man aus dem Obigen sieht, auch die Städte und Wohnorte der Menschen zu ihren Spiel- und Tummelplätzen gemacht. Sie folgen der Kette der blühenden Gebüsche, die sich durch die Länder hinschlingt und fragen nicht darnach, ob diese in einem Urwalde oder zwischen den Häusern und Städten der Menschen stehen. Keck, wie sie sind, fahren sie sogar mitten auf die getümmelreichen [408] Marktplätze herab, wenn sie dort eine Blume entdecken, ähnlich wie die Geier in Buenos Ayres, wenn sie bei den Häusern ein gestorbenes Thier wittern. Da der Mensch in seinen Gärten so viele schöne Gewächse um sich her versammelt, so mögen sie seinen Ansiedlungen vielleicht vorzugsweise gern folgen. Man sieht sie sogar in so volkreichen Städten, wie Cincinnati oder New-York es sind, nicht selten. Sie nähern sich auch der Person des Menschen ohne Scheu, und wenn in diesen Städten hie und da ein paar Damen die Gewohnheit haben, in einer Gartenlaube ihren Nachmittags-Kaffee zu trinken, so ist es ihnen ein leichtes, ein paar Colibris an sich zu gewöhnen, indem sie ihnen regelmäßig ein Tröpfchen geschmolzenen Zuckers oder Honigs in einem Näpfchen hinsetzen. Die kleinen Lieblinge kommen zur bestimmten Zeit und naschen sich ihre Portionchen vom Tische weg.

Wir in Washington, da wir sie auf die besagte Weise erst einmal in des Präsidenten Garten entdeckt hatten, hörten nun gleich nachher überall von Colibris. Man sah sie nun alsbald auch in vielen anderen Gärten. Sie huschten auch gelegentlich durch das Gehöfte unseres eigenen Hauses, wo blos ein einziger blühender Pfirsichbaum stand. Sie waren sogar überall in die Gewächshäuser eingedrungen, um auch da ihre Jagd auf Honigseim fortzusetzen und die versteckten Blumen auszubeuten. Doch sind dergleichen Wagnisse nicht ohne Gefahr für sie. Sie können sich mitunter in dem Gemäuer nicht zurecht finden, rennen mit dem Schnabel gegen die Steine und hauchen dann oft unmittelbar nach einem solchen Stoße ihr Seelchen aus, das in dem kleinen Leibe nur sehr lose zu sitzen scheint. Dieser gleicht, wie gesagt, einem geflügelten Funken und stirbt auch schnell wie ein Funken. Ein spät eintretender Nachtfrost vermag sie auf der Stelle umzubringen, wie unsere zarten Georginenblüthen im Herbst. Oft zwar ist es nur eine lähmende Erstarrung, und läßt man die warme Sonne auf das Körperchen scheinen, so regt es sich zuweilen bald wieder und fliegt neubelebt und mit verjüngter Kraft davon. Auch darin gleichen sie manchen Insecten.

Wir besuchten unseren Tulpenbaum in des Präsidenten Garten an den folgenden Tagen noch einige Male wieder. Doch fanden wir sehr bald, daß die Anzahl unserer kleinen Gäste darin schnell abnahm. Nach mehreren Tagen erschien nur kaum noch einer dann und wann. Auch hörten wir bald nachher in der Stadt nur noch hier und da von einem einzelnen versprengten Vögelchen. Daraus schien mir hervorzugehen, daß die Wanderung der Kolibris und ihr Einbruch in die Städte und Gärten zuerst en masse und mit einer großen Armee geschieht. Sie kommen wie die Fluth mit einer stark aufgeschwollenen Welle. Diese Fluth zieht von Süden her durchs Land, läßt überall einige Ansiedler zurück und fluthet, sich allmählich verlierend, nach Norden weiter. Es mag indeß auch sein, daß jene von uns beobachtete Magnolie (der Tulpenbaum gehört dieser Gattung an) auch nur deßwegen anfänglich so zahlreich besucht war, weil sie wegen ihrer besonders günstigen Stellung ungewöhnlich frühzeitig blühte, und vielleicht vertheilten sich die Thiere in Folge der mit jedem Tage in allen Winkeln und Verstecken der Gegend sich mehrenden und sich öffnenden Blüthen. Da ich bald darauf die Vereinigten Staaten verlassen mußte, so konnte ich leider diese Sache, die ich in den ornithologischen Werken noch so wenig gründlich auseinandergesetzt finde, nicht weiter verfolgen. Doch blieb mir das Licht- und Farbenbild jenes hübschen Vogel- und Blumenstücks, das ich in des Präsidenten Garten erblickte, wie ein reiches Gemälde von De Heem oder Mignon für immer im Gedächtnisse, und ich dachte mir daher, daß eine Copie desselben, wie ich sie hier zu geben versuchte, auch dem deutschen Leser angenehm sein könnte.

Vielleicht sich er es nicht ungern, wenn ich ihm bei dieser Gelegenheit auch noch sonst Einiges von den Naturscenen, die man zuweilen in diesen amerikanischen Städten zu sehen Gelegenheit hat, beifüge. Und es ist eine ziemlich natürliche Ideen-Association, wenn mir da bei den Colibris, die im Sonnenschein des Tages wie Feuer glänzen, auch gleich die hübschen amerikanischen Feuerwürmer einfallen, die in der Nacht wie Colibri-Federchen schimmern.

Diese Leuchtkäfer oder, wie die Engländer sie nennen, „Feuer-Fliegen“, an denen der ganze amerikanische Continent – Nord und Süd – so überschwänglich reich ist, erscheinen in den Städten und Landschaften der Union etwas später als die Colibris. Gleich diesen sieht man sie zuerst einzeln hier und da in den Büschen und an den Hecken schimmern, wie die noch spärlich angezündeten Laternen bei einer erst beginnenden Stadt-Illumination. Es dauert aber nicht lange, so fangen sie an, in größerer Anzahl zu schwärmen. Im Beginn des Mai sieht man sie in allen Gärten, in allen Bäumen der langen Alleen, mit denen die Straßen der amerikanischen Städte bepflanzt zu sein pflegen, und überall wo nur ein Büschelchen oder ein kleiner Grasfleck grünt. Fast könnte man dort, wie bei uns, wenn man Mondschein im Kalender findet, zu dieser Zeit der Leuchtkäfer die Gaslaternen sparen. Oft sieht man die beiden Seiten der Wege, wo sie schwirren, weithin wie durch zwei, wo nicht helle, doch schimmerige Linien abgezeichnet, wie man zuweilen die Linien des Meeresstrandes durch die phosphorescirenden Wellen markirt erblickt.

Wenn man spät Abends vor seinem Hause sitzt und auf den Wiesen-Abhang hinabschaut, der von diesem Hause vielleicht zur Straße abwärts fällt, so gewährt dieser Abhang oft den reizendsten Anblick. Zwischen allen Grashalmen scheint das sanfte Licht einer aufschießenden Mücke hervor. Da die meisten nicht viel höher fliegen, als das Gras selbst, und immer wieder unter den Rasen zu tauchen scheinen, so sieht es aus, als sprühe der Rasen Funken, die schnell wieder erlöschen. Oder besser, über der ganzen Oberfläche hin scheinen dünne, an ihren Rändern schimmernde Lichtwellen in wallender Bewegung zu sein. Zuweilen schlagen diese belebten Lichtwellen auch Wirbel und Brandungen. Denn obwohl sie mitunter so einförmig und ungestört auf- und abwallen, wie die Oberflächen-Schwenkungen eines vom Winde bewegten Sees, so scheint es doch zuweilen auch, wie unter den Colibris, Spiel und Krieg unter ihnen zu geben. Sie fallen mitunter in großer Zahl über einander her, bilden dichte Knäuel, die dann fast wie eine Leuchtkugel leuchten und sich über die Wiese hinrollen. Diese duftigen Lichtkugeln lösen sich auf in tausend Sternchen und ziehen sich, verschiedenerlei Umrisse annehmend, wieder zusammen, wie man einen ähnlichen Tanz auch bei andern Thieren, Vögeln wie Insecten, beobachten kann, nur daß hier durch das Licht der Tanz etwas elfenartiger wird.

So viel diesmal von den Colibris und Leuchtkäfern in den Städten der amerikanischen Union. Damit man sich aber nach den von mir etwas mehr ausgeführten Bildern diese Städte doch nicht gar so reizend denke, mag ich gleich hinzufügen, daß noch sonst manches Stück wilder Natur in sie hineinragt, welches man lieber weg wünschen möchte. Nicht selten vernimmt man in diesen Städten – ich spreche hier nicht gerade von Boston und New-York, aber doch von solchen Ortschaften, wie die Bundeshauptstadt Washington oder Cincinnati, St. Louis etc. – noch das schreckhafte Gebrüll des Ochsenfrosches, der einen in irgend einem Nebengäßchen noch unausgetrocknet gebliebenen Sumpf bewohnt. Auch wühlen und weiden in ihnen, z. B. selbst in den Straßen der Bundes-Hauptstadt Washington, recht fleißig – aber ohne Hirten und wie herrenlos – eine Menge von Schweinen und Kühen herum. Ueber diesen Theil der Straßen-Bevölkerung der amerikanischen Städte könnte man ein eigenes recht interessantes Capitel schreiben, z. B. über die psychologisch merkwürdigen Sitten und Neigungen, welche die Kühe durch ihr beständiges Leben in den Straßen angenommen haben. Es sind vermuthlich die Kühe armer Leute, die nicht Landbesitz genug haben, um ihr Vieh gehörig zu nähren, und die es daher lieber wie Bettelkinder auf der Gasse abenteuern lassen. Sie sehen meistens jämmerlich und mager aus, wie die Hunde in Constantinopel, und sind dabei diesen auch sonst noch in mancher anderen Hinsicht ähnlich geworden. Wie diese benaschen und verschlingen sie Alles, was die Leute in die Straßen an Küchenresten hinausgeworfen haben, und untersuchen neugierig jedes nicht gerade aus Pflastersteinen componirte Häufchen, was auf dem Pflaster liegen geblieben ist. Wie die Kühe der Kamtschadalen für Fisch, so gewinnen sie dabei für manche Nahrung eine Vorliebe, welche unsere Kühe verschmähen. Zum Beispiel benaschen sie gewöhnlich sehr eifrig den Pferdedünger und lassen darin nichts zurück, was ihnen einer zweiten Verdauung noch fähig scheint. Wie in Bezug auf ihre Speise nicht wählerisch, so sind sie natürlich ebenso wenig verwöhnt in Bezug aus ihr Nachtlager. Man findet sie mitunter auf dem Pflaster der Städte ausgestreckt, wie die Hunde. Am Tage gerathen sie auf den Trottoirs zuweilen mit den Crinolinen der spazierenden Damen in Collision. Um Mitternacht sah ich sie zuweilen schlummernd und träumerisch an einen Laternenpfahl gelehnt oder geduldig wiederkäuend – das Bischen, was sie zu [409] kauen hatten! – in stiller Gesellschaft um das Gaslicht herumstehen.

Wie die Londoner Straßenbuben, werden diese Rinder der Bundeshauptstadt auch ganz schlau und diebisch gesinnt, und dabei scheint denn in ihnen sogar etwas wie ein böses Gewissen entwickelt zu werden. Ich beobachtete einmal eine dieser – soll ich sagen entarteten oder civilisirten? – Straßen-Kühe beim Stehlen. Ein Krämer hatte mehrere Mehlsäcke vor seine Thür auf die Straße hinausgestellt. Sie waren alle geöffnet, und man sah das reinliche, schneeweiße Mehl, den gelblichen Gries, die Graupen und den Grütze recht appetitlich daraus hervorschimmern. Eine arme, magere und hungerige Kuh, die von diesem Anblicke angelockt wurde, schlich von der Straße heran. Sie setzte ihren Fuß vorsichtig über den Rinnstein, blickte sich rechts und links um, und auch in die offene Thür des Ladens hinein, und da sie Niemanden in der Nähe gewahrte, so stelzte sie ganz auf das Trottoir hinüber und vertiefte ihre Nase in einen der Graupensäcke, indem sie anfing, mit vollen Backen und mit allen dreißig knöchernen Mühlsteinen ihres Maules zu mahlen und zu schlingen. Ich war der einzige Mensch, der zuletzt auf dem Trottoir dahergeschritten kam, und da ich es für eine eben so große Sünde hielt, ein Wesen während der Stillung seines Hungers, als während des „heiligen“ Schlafes zu stören, so ließ ich ihr Zeit, hielt ein wenig an und sah, wie sie sich mit lang und etwas schüchtern ausgestrecktem Halse auf Kosten des reichen Kaufmanns erlabte. – Endlich wollte ich diesem Unachtsamen doch auch den Schaden nicht gar zu groß anwachsen lassen, schritt vor und scheuchte die Kuh fort. Sie sah mich schon von weitem kommen, nahm endlich noch ein tüchtiges Maul voll, zog sich dann mit weißgepuderter Schnauze ganz eilig und stolpernd auf die Straße zurück und trabte weit weg – wie gesagt, als mache ihr Gewissen sie eines Diebstahls bewußt. – Doch hiermit für heute genug hierüber! Ich schließe diese Mittheilung mit der Wiederholung der Bemerkung, daß man über das zuletzt erwähnte Thier-Gesindel, welches die Straßen vieler amerikanischen Städte bevölkert, manche psychologische Beobachtungen und Untersuchungen anstellen könnte, und daß ich vielleicht ein ander Mal diese Untersuchungen in der Gartenlaube vortragen will.



  1. Allerdings hat man an den nördlichen Küsten des stillen Oceans noch eine zweite gefunden, deren Verbreitungsgebiet aber nicht so groß ist.
  2. Man hat sich früher lange darüber gestritten, ob der Colibri auch ein fleischfressendes oder wenigstens käferfressendes Raubthier sei, oder ob er sich von lauter Blumenthau und Nektar nähre.