An den Quellen der blauen Isar

Textdaten
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Autor: Heinrich Noë
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Titel: An den Quellen der blauen Isar
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 686–689
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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An den Quellen der blauen Isar.
Von Heinrich Noe.


„Die Isar entspringt im Karwendelgebirge,“ sagt eine Inschrift, die zu München am „Thurmwirthshause“ bei der steinernen alten Isarbrücke angebracht ist. Diese Belehrung hat den Vorzug der Kürze, aber völlig wahr ist sie nicht.


Holzfäller im Mittenwalder Walde.
Nach der Natur ausgenommen von G. Sundblad


Denn von den drei Bächen, die im Dorfe Scharnitz angesichts der blau-weißen Grenzpfähle zusammenfließen und die Isar bilden, kommt nur ein einziger aus den Kalkwüsteneien des Karwendel. Und gerade der mittlere von diesen Bächen, eben derjenige, welcher in der Geographie ohne Weiteres als Isar bezeichnet wird, kommt aus dem Hinterauthale, aus der Gegend um die Kastenalpe hervor, welches Thal doch vom Karwendel durch mächtige Jöcher getrennt ist. Und ein dritter Bach bricht dort aus dem Gleirschthal, dessen romanischer Name (glaries Kies, Schotter) an die Jahrhunderte erinnert, in welchen hier nicht der trotzige Baiernstamm, sondern feingliedrige Romanen saßen.

Trotzdem lasse ich mir den Karwendel als Heimath der Isar gern aufschwätzen, denn es ist ein wildschönes Gebirg von großer Ausdehnung, und sein Name, der aus Kar, welches kleine Hochfläche, kurzgrasige Mulden der Felsgiebel bedeutet, und Wändel, der Verkleinerung von Wand, zusammengesetzt ist, scheint mir schon mehr als ein Name; er ist, was man im gelehrten Stil eine Definition nennt. Wenn er mit seinen Geröllhalden und dunkeln Fichtenständen, seinen Alpenrosenflächen und Wasserfällen, seinen Schluchten und Abstürzen dem Flusse, zu welchem er nur ein Dritttheil des Wasservermögens spendet, zu Gevatter steht, so ist es wenigstens ein stattlicher Taufpathe. Die „Kare“ und die „Wände“ dieses Felsenrevieres erheben sich aber aus einem grünen Waldland, in welchem das Summen der Wasser mit dem der Fichtenwipfel um die Wette das Sommerlied des „Alten vom Berge“ begleiten.

Und mitten in diesem grünen Thalboden liegt Mittenwald, zur Zeit, als die Bajuwaren hier gegen die Römer, wie Aventinus erzählt, die Grenze bildeten, wohl „mitten im Walde“, heute aber vom Tann der Alpen durch eine schöne Aue mit Feldern und Wiesen geschieden. Diese Flur ist aber nach jeder Richtung hin bald von Demjenigen durchschritten, der in den harzigen Bergwald oder zu einem hellen Wasser kommen will, und darum sind die Erinnerungen an das Thal vor den Isarquellen von Waldbildern unzertrennlich.

Die Mittenwalder Gegend ist ein großes Waldland. Ueberreste von Urwald, wie sie, selbst den Malern unbekannt, im Oberrißthal gegen den Krotenkopf hin stehen, giebt es hier freilich nicht, und in der allernächsten Umgebung des Marktfleckens ist es sogar schlecht bestellt mit Buchen-, und Fichtenschatten. Wenn man aber eine halbe Stunde weit geht, so gelangt man alsbald in schattige Gewölbe, durch welche Wasser hell zur Isar fließen, moosige Tannensäle, durch deren Lücken überall die stahlgrauen Bergwände hereinschauen. Die Stämme gleiten auf der Isar als Flöße hinab – ein lustiger Anblick, der nur durch das Andenken an den gelichteten Wald verdüstert wird. Hier treiben die Flößer und die Holzhacker ihr Wesen, und schon in beträchtlicher Entfernung von Mittenwald kann man oft auf der Straße stämmigen Gestalten begegnen, die, das Beil und das zusammengewundene Tau als Kranz auf dem Rücken, von der raschen Floßfahrt, die sie zur Kaiserstadt hinabgetragen hat, mühselig wieder nach mitten im Walde pilgern, um bald [687] wieder schnell mit denselben Wellen zu reisen, an deren Kiesufern sie hinauf pilgern.

Die Wälder liefern Brennholz, welches die Mittenwalder meist nach Innsbruck führen, und Nutzstämme, die auf der Isar hinabrinnen und oft die Donau erreichen, mit Bausteinen, Kohle, Kreide befrachtet. Der Wald ist am schönsten gegen Elmau und gegen Krün hin. Auch in der Umgegend der Wettersteinalp und des Schachen stehen stattliche Forste, und aus jenen ist die Scene geholt, welche der Künstler darstellt. Die Holzfäller rasten, aber schon naht aus der Lichtung im Hintergrunde der Förster, durch dessen Nähertreten die Gruppirung sich wahrscheinlich rasch verändern wird. Das Waldbild vollständig zu machen, fehlten noch die Haufen von Rinden, die zur Einfassung des gewonnenen Peches dienen.

Die Mittenwalder haben besonders in diesem Jahre, mit den Partenkirchenern im Verein, Ursache, über die Almen, Felsen und Wasser sich ein wenig stolz zu fühlen. Denn in der großen Weltausstellung zu Wien sind es von allen deutschen Landschaften nur sie, welche in großen photographischen Blättern und Albums getreu dargestellt sind, nicht in Oelbildern, zu welchen oft der Kunstsinn und die Einbildungskraft ihres Schöpfers Lichter und Gestaltungen beifügt, welche den Eindruck weit über den der Wirklichkeit hinüber erheben, sondern in sclavischer Nachahmung, die das Licht in Zwangsarbeit thut, die aber doch Bilder von solcher Schönheit erzeugt hat, daß es nie an angesammelten Bewunderern fehlt. Es hat dies Johannes zu Partenkirchen gethan, von welchem ich den Lesern schon bei einer Schilderung der dunkeln Partnachklamm erzählte.

Wir brauchen nicht so lange zu warten, um einzusehen, daß die Gegend um Zugspitz, Wetterstein und Karwendel nicht gerade vom blinden Ungefähr im Pavillon der Rotunde so außerordentlich gefeiert wird. Das Berchtesgadener Land vielleicht ausgenommen, giebt es im dermaligen Umfange des deutschen Reiches nirgends Landschaften von gleicher Erhabenheit. Wer im Postgarten beim Biere sitzt, welches hier an der Grenzmark des Baiernlandes mit besonderer Kunstfertigkeit gebraut wird, kann leicht auf dem großen Schneefleck über dem Garten, welchen der Neuling wohl in geringer Zeit zu erreichen vermeint, ein Rudel von Gemsen erblicken, welche sich auf diesem weißen „Kar“ ergötzen. Auch die viel bewunderte Erscheinung des Alpenglühens genießen die Mittenwaldener an schönen Sommer-, noch mehr aber Winterabenden umsonst, wobei ihnen allerdings nachgesagt werden muß, daß sie es während der warmen Jahreszeit am liebsten von genanntem Garten aus betrachten.

Der Nachbar des Karwendel ist die Pyramide des Wettersteins, hier besonders schön zu beschauen. Der Gipfel desselben erhebt sich schroff viertausend Fuß über das Thal, welches selbst schon dreitausend Fuß über dem Meere liegt.

Bei Mittenwald vor der Wettersteinalp. Nach der Natur aufgenommen von G. Sundblad.

[688] Oft bilden die beiden, wenn die Sonne sinkt, wundersame Gegenstücke. Nachdem der Kalk bis gegen Abend bleichgrau unter dem tiefblauen Himmel dagestanden war, entzündet sich der Karwendel urplötzlich veilchenroth, und über dem Wetterstein schwebt ein pinienwipfelähnliches Wolkendach, blauroth durchzuckt, wie es die Blitze in der Rauchsäule des Vesuv thun. So schauen an schönen Sommerabenden die Pfosten des Portals aus, durch welches die Isar in Baierns Berge hereinbricht.

Obwohl glücklicher Weise bis jetzt noch an keiner Eisenbahn gelegen (in den jüngsten Tagen erst hat man auch hier vermessende Ingenieure wahrgenommen, die einen Schienenweg von Augsburg nach Innsbruck vorbereiten), fehlt es solcher Annehmlichkeiten halber während des Sommers keineswegs an Wanderern, die ein paar Stunden im Thale verweilen, und an Solchen, die mit oder ohne ursprüngliche Absicht wochenlang nicht mehr weiter kommen. Unter die letzteren muß der Zeichner umstehender Bilder gerechnet werden, der im Verkehre mit wackeren Jägern, ungebildeten Holzknechten und aufgeklärten Bürgern nach und nach vergaß, daß seit seiner Ankunft einige Wochen in’s Land gegangen waren, ja es in der Aneignung unserer Volksthümlichkeiten so weit brachte, daß ihn, als er vor dem Posthause nach dem Giebel des Wettersteins spähte, ein eben zugereister norddeutscher Herr als Führer dingen wollte. Bei solchem „Pappenbleiben“ darf aber die Liebenswürdigkeit der einheimischen Staatsbürger durchaus nicht übersehen werden. Hier hat man es noch nicht so weit gebracht, die Ankömmlinge wie Poststücke zu behandeln, will vielmehr noch einen Rest jenes Gefühls sich behalten, mit welchem man früher in unseren Bergen durch die Ankunft eines Fremdlings das Haus und den Ort geehrt betrachtete. Man freut sich, die „Honneurs“ dieses Thales zu machen – zu Alpen- und Waldgängen, zu Wasserfällen und Klammen hin finden sich gefällige Theilnehmer. Und was die Herberge anbelangt, so ist sie „mitten im Walde“ nicht schlechter bestellt, als an Orten, wo Wagen und Schaaren von touristischen Blaßgesichtern zusammenströmen – und sind viele freundliche Stuben des Markfleckens zum Empfang von Gästen bereit.

Für Solche, die recht viel über die Alpen lernen wollen, ohne jedoch ihnen ihren Schweiß zu opfern, und das ist von den Reisenden ein großer, wenngleich mehr oder minder verschämter Theil, wird die alltägliche Gesellschaft des Postgartens, dessen sinnige Anlage ohnehin die Anwesenden nöthigt, ihre Blicke dem grauen Karwendel zuzuwenden, zur Akademie. Mühelos und beschaulich ihren Gerstensaft aus großen Steinkrügen schlürfend, erfahren sie über die Geheimnisse der umliegenden Bergwelt mehr als aus den Zeitschriften der Kletterer. Ich kann mir vorstellen, daß Einer, der fleißig unter jenen bescheidenen Arcaden gesessen ist, von Hirschen und Gemsen, von Almenstiegen und Gipfeln so viel gehört hat, daß er unseren Novellenschreibern in’s Handwerk zu pfuschen vermag. Ich habe Solche gekannt und beim obern Wirth in der Scharnitz, der sich einen Garten am blauen Isarwasser angelegt hat, anderen Fremdlingen ihre im Posthain erworbene Kenntniß auslegen gehört, die vom Silberhannsl beim Schwarzenbach im Karwendelthale, vom seltsamen Kirchlein der Ladizalpe und von den Wildschützen, die sich dort das Blei zu ihren Kugeln gleich aus dem Berge holten, so vertraut sprachen, als hätten sie einen Sommer dort drinnen „gehütet“.

Es kommt aber noch eine andere Gruppe von Fremdlingen in Betracht. Es sind dies Diejenigen, welche auch das Kreuz auf dem Karwendel gern funkeln sehen und sich alle Morgen den bernsteinfarbigen Wetterstein betrachten, auch gern einmal dort oben stehen und die endlosen Steinwellen des Alpengebirges sehen möchten, wenn es nicht gefährlich wäre, auch Mühe und Kletterei scheuen, doch aber nicht abgeneigt sind, sich die Region der Gemse und der Zirben, der Schneefelder und der weiten Gesichtskreise zu betrachten, nachdem ihnen die Kunde geworden ist, daß Dergleichen leicht zu erreichen sei. Nirgends in den deutschen Alpen, als in der Mittenwalder Gegend, gelangt man auf Fahrwegen zu Höhen, auf welchen der Baumwuchs aufhört. Diese günstige Wirkung zufällig zusammentreffender Umstände kommt auch Damen zu gut, die gern nach der Vereins-, der Wettersteinalpe oder dem Schachen sich aufmachen, weil die Wege geebnet sind und man insbesondere nach dem Schachen, der doch siebenzehnhundert Meter über dem Meere steht, in Zeugstiefelchen und wie auf einem Spaziergange durch einen Park gelangen kann. So leicht ist es nirgends mehr gemacht, in Abgründe von mehreren tausend Fuß Tiefe, aus Eisansammlungen und in die Werkstätten der Natur, in welchen die Flüsse geschaffen werden, hineinzuschauen. Die Ursachen davon sind die Neigung des Königs von Baiern, auf Berggipfeln oder am Rande von Hochseen, wie drüben bei den „Soiern“, zu wohnen – dann die Jagdliebhaberei des Herzogs von Nassau, der sich auf der Vereinsalpe ein Schlößchen gebaut hat, und die anderer fürstlicher oder reicher Herren, die zu hohen Jagdständen reiten wollen. Unsere Bergnarren dürfen sagen, was sie wollen – aber drei- oder viertausend Fuß vom Thalboden aus auf den gewöhnlichen „Steigen“ sich mit den Füßen hinaufzuheben, bleibt für unser Stadtgeschlecht, wie es durchschnittlich beschaffen ist, eine Mühsal. Die Genußfähigkeit wird nach und nach beeinträchtigt und bei zarteren Menschen vertritt schließlich Mißmuth oder Gleichgültigkeit die Stelle der gehofften Freude. In den Kalkalpen von Mittenwald ist von solchen Leiden, wenn man sie nicht geflissentlich aussucht, nicht die Rede. Man gelangt sanft in breiten Windungen guter Wege fortgehend zu Höhen, auf welchen man vom Eis der Centralalpen bis zum Silbergleißen der Flüsse und Seen im blauen Flachland draußen eine große Welt überschaut, in die Gegend, wo brennroth herum die echte Alpenrose die Kare überdeckt, wo noch im Spätsommer die Sturzbäche in den dunklen Oeffnungen alter Lawinenüberreste verschwinden, die letzten grauen Baumleichen mit kahlen Aesten bereits unter uns liegen und uns in dünner, scharfer Luft und in der ungeahnten Erweiterung des Gesichtskreises jenes Gefühl der Freiheit aufgeht, welches nur die Fläche des Meeres in ähnlicher Weise hervorzurufen vermag.

Die Damen, welche hier vor der Wettersteinalp lagern, brauchen also deshalb noch keine absonderlich guten Fußgängerinnen zu sein. Sie sind auf schönem und für das Gebirg fast glattem Weg bis zu diesen Bäumen gekommen, zuerst durch niedrigen Buchenwald am Lauter- und dann am Ferchensee vorüber. Dieses tiefgrüne Wasser am Fuße der Matten, über welche die grauen Schrofen des Wettersteins emporragen, ist das wahre Bild eines kleinen bairischen Alpensees. Das Gelispel des langsam über Kalkplatten abfließenden Baches, das helle Grün am Schilfufer, das tiefe dort, wo der Grund abstürzt, der Schnee oben in den Falten der Wände, der Wald und seine Ruhe, das Läuten der Rinder aus den Matten und gegen Osten der gerade heraussteigende Karwendel rufen die Erinnerung an manche Gewässer wach, deren gemeinsame Züge hier zusammengetragen zu sein scheinen.

Von diesem See sind die Damen und ihre Begleiter, worunter vornehmlich auch die Träger von Speisen und Getränken aufgeführt werden, durch einen Engpaß von großer Anmuth, – denn es bilden ihn niedrige Felserhebungen und Wald und ein Bach durchrauscht ihn nach dem Anger der Elmau gelangt. Hie und da hängen Blumen und Legföhren über den Bach; von dort an aber wird das Gewässer wilder, denn die Gesellschaft dringt nunmehr gegen die Falten des Wettersteins vor. Dort kommt auch ein Gewässer herein in das größere Bett, das vor der Sommersonnenwende gar nicht zu sehen ist und erst hervorbricht, wenn die Höhlen und Wasserbehälter im Innern des Kalkgebirges hinlänglich mit geschmolzener Schneetraufe angefüllt sind. Da ich nicht annehmen kann, daß die Damen zu der Zeit in die Berge gekommen sind, wo dieselben am schönsten erscheinen, im Frühsommer, sondern vermuthe, daß sie mindestens die zweite Hälfte des Juli oder den August abgewartet haben, so werden sie die volle Pracht der Blumen nicht finden, wie in den Tagen, in welchen der Kukuk ruft. Sie werden deshalb die Alpenrose erst finden, wenn sie weiter hinaufkommen, denn auf den Angern des Thales hat sie bereits abgeblüht. Dagegen können sie sich ihre Hüte mit Eisenhuts und gelbem Bidens schmücken, dessen Blumenfläche in der Sonne wie ein Goldstück glänzt, und die hohen Königskerzen unter den Fichten oder im Schlage leuchten sehen.

Je weiter sie steigen, desto mehr glüht es vom Roth der Alpenrose. Schon haben sie eine Stelle erreicht, von welcher aus sie die Mulde der Wettersteinalp unter Zacken und Graten erblicken. Hier wird Rast gemacht. Ist das Wetter schön, so nimmt man wohl ein Fernrohr zur Hand und schaut nach den Schneefeldern und den Wänden. Dann ergreift wohl ein rother Mund das Wort und schwärmt für die Seligkeit, auf einer jener Zinken zu stehen und unter sich eine Welt zu erblicken. Vielleicht [689] ist es aber doch bester, auf dem Plaid, den der Begleiter untergebreitet hat, zu sitzen und nicht den Abstieg von der felsigen Warte, sondern einen guten Weg vor sich zu haben. Ist es aber schlechtes und kaltes Wetter, hüllen sich die Gipfel in Wolken und scheint nur manchmal in einer Nebellücke ein Felsstück durch das Grau zu schimmern, so richtet sich die Aufmerksamkeit der Gesellschaft mehr auf Braten und Wein, ohne deshalb in Pausen die Nebel zu übersehen, die vom sommerwarmen Boden und Wasser in die kalte Luft aufsteigen, die violetten Huflattichblüthen am Bach und das Spiel von Wolkenschlangen in den Wipfeln des Forstes.

An solchen Tagen wird nicht mehr weiter nach dem Schachen gegangen. Auch ich bescheide mich bei der Wettersteinalp, weil jenes Haus bereits anderweitig geschildert worden ist. Wir kehren also mit der Gesellschaft unter die schützenden Arcaden des Postgartens zurück. Obwohl es kein Kunststück ist, nach der Wettersteinalp oder nach dem „Verein“ und anderen Reitwegzielen zu gehen, so liegt es in der galanten Weise der Mittenwalder, den Damen hierüber Complimente zu machen. Hierin ist vornehmlich der treueste Hüter des Posthaines, der kundige Arzt, bewandert. Mit schmeichelnder Rede weiß er das Verdienst der Bergpilgrime zu überschätzen und diese dadurch zu neuen Thaten auf den Bergen anzufeuern, deren Tannenwipfel auf die Salatstauden des Haines herabschauen.