An Annie
[45] An Annie.
Dem Himmel sei Dank,
Die Gefahr ist vorüber!
Wohl bin ich noch krank,
Doch das schreckliche Fieber,
Ist glücklich bekämpft,
Ist endlich gedämpft.
Wohl sag’ ich mir:
„Deine Kraft ist geschwunden,“
Wie angebunden, –
Ans Bett gebunden –
Doch einerlei,
Die Gefahr ist vorbei.
In meinen Decken,
Schweigend und still –
Man möchte erschrecken,
Vor mir erschrecken:
Und athme so leis.
Doch das Stöhnen und Aechzen,
In den Adern das Kochen,
Das wahnsinn’ge Lechzen,
Im Herzen das Pochen –
Der Druck von Blei
Gab mich endlich frei.
Und die zehrende Gier,
Ein halber Vampyr,
Nach dem Born umnachtet,
Dunkel umnachtet,
Dem Born der Hölle,
Der Leidenschaft –
Ist nunmehr erschlafft.
[47] Mich dürstet nicht mehr
Nach der dunklen Welle,
Stillt jetzt eine Quelle,
Eine lautre Quelle.
Lauter und sanft
Mit weichem Ranft.
Mein Gemach sei ärmlich
Und ohne Licht
Und mein Lager erbärmlich,
Schmal und erbärmlich –
Mein Sinnen ruht.
Mein Sinnen ruht,
Mein Gemüth ist entlastet
Und das wilde Blut
Nicht mehr so jäh
Zum Herzen wie eh!
Des, was mich bedrückte,
Betäubte, verwirrte,
[48] Der Rose und Myrthe,
Des Duftes der Myrthe
Denk’ ich jetzt kaum –
Süß ward mein Traum –
Ein heiliger Odem
Von Rosmarin,
Nicht mehr der Brodem,
Der dumpfe Brodem
Der Leidenschaft.
Und so lieg’ ich
Wohlig gebettet
Und fühle mich
Vom Tod errettet.
Weich ist mein Pfühl
Und wonniglich kühl.
Und liebewarm
Von Annie’s Arm
Und rings umflossen,
Golden umflossen
[49] Von ihrem Haar,
Bricht der Abend an,
So küßt sie mich innig
Und betet dann
Für mich so sinnig,
Zur Engelschar:
Schützt ihn vor Gefahr!
Da lieg’ ich denn still
In meinen Decken,
Man möchte erschrecken,
Vor mir erschrecken –
Ich bin so weiß
Und athme so leis.
Wie die lichte Höhe
Und selig und ganz
Erfüllt von der Nähe,
Der holden Nähe
Meiner sanften Maid –
[50] Meine Seele glüht
Mit den reinen Flammen
Ihrer Liebe und flieht
Himmlischen Raum
Zu seligem Traum.