Textdaten
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Autor: Guido Hammer
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Titel: Am Waldsee. Wasserjagden
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 437-439
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[437]
Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 12. Am Waldsee.
Wasserjagden.

Auch der Hochsommer hat seine Jagdfreuden, und unter diesen sind die Entenjagden so recht eigentlich für diese Jahreszeit geschaffen; denn wohlthätig erleichtert die kühle Fluth dem Jäger und dem Hunde die Anstrengung, die, bei aller Lust, an einem sengenden Juli- oder Augusttage denn doch nicht ausbleibt. Folgt mit hinaus!

In der Schießhütte.

Einer warmen Nacht folgt ein heißer Julitag. Klar und wolkenlos anbrechend, verspricht er von vornherein ein ungetrübter Sonnentag bleiben zu wollen. Und in der That, kein Wölkchen von irgend verdächtiger grauer Farbe beschleicht den blauen Himmelsbogen; denn höchstens steigt dann und wann ein duftig weißes, vergängliches Gebilde im blauen Aether, wie ein luftiges Elflein auf und vergeht und zerrinnt vor dem nachblickenden Auge, noch ehe man es recht wahrgenommen. Kein Luftzug kühlt die heiße Atmosphäre, die über Wasser und Schilf in flimmernder Bewegung ist, gleichsam als spiegele der See sich über sich im golddurchwobenen Aether. Bald sind von einem Theil der anwesenden Schützen die bereitstehenden Kähne gefüllt, während die übrigen die mühsamere, aber auch beutelohnendere Art des Watens im Schilfe zwischen den Treibern vorziehen. Deshalb haben sie auch ihren Anzug darauf eingerichtet, der in einfacher Blouse nebst dünner Hose und einem Paar nicht etwa wasserdichter, sondern im Gegentheil wasserdurchlassender, alter Stiefeln besteht. Das Schießzeug ist um den Hals gehängt, damit, wenn das Wasser einmal bis unter die Arme geht, nichts davon „ersäuft“.

Raschelnd gleiten jetzt die Kähne durch das Schilf und Gras, um auf die Blänke zu kommen, wogegen die andern Schützen mit den Treibleuten an den Rändern des Sees, der hier nicht allzubreit ist, vordringen. Dabei rufen sie einander zu, um beim Feuern vorsichtig zu sein, was bei der Entenjagd nothwendiger, als auf jeder andern Jagd ist, da die Schrote auf dem Wasser mit wunderbarer Wirkung abprallen. Jetzt beginnt nun auf dem reichbevölkerten See die Lust. Die Schützen im Schilfe bekommen genugsam [438] Gelegenheit, die alten Mauser[1], die, ehe sie aus dem Schilfe auf die Blänke schwimmen, sich ängstlich zu drücken suchen, so wie zwar schon starke, aber doch noch nicht flugbare Junge zu erlegen, während die im Kahne befindlichen Jäger die noch flugbaren alten und die auf dem Wasserspiegel hinflatternden oder schon aufsteigenden jungen Enten sich zum Ziele nehmen. Menschen und Hunde haben vollauf zu thun; denn schwirrend und plätschernd umgibt sie das Wassergeflügel, unter dem sich manches seltene Exemplar befindet. Der Mühe, die es kostet, sich in Schilf und Schlamm, Wurzeln und Moordecken durchzuwinden und vorwärts zu schieben, wird nicht geachtet. Förmliche Filzdecken von verschlungenem Wurzelwerk müssen oft durchbrochen werden, von denen manche so dicht sind, daß sie den Menschen tragen können, und man auf ihnen wie auf einer schwimmenden Insel steht. Dann bricht man wohl plötzlich an einer Stelle durch, und es ist wahrlich keine Kleinigkeit, bis an die Arme in solch einem Loche zu stecken, dabei das Gewehr emporzuhalten, vorkommenden Falls auch schießen zu müssen, darauf wieder zu laden etc. Wohl dem, der in solchen Fällen mit einem modernen, so überaus praktischen Lefochégewehr bewaffnet ist, das, von hinten mit fertigen Patronen zu laden, an Bequemlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt! Dazu schießt so ein Gewehr wie alle Teufel, pflegt einer meiner alten Jagdfreunde zu sagen. Aber um auf die vertracten Filzdecken zurückzukommen: durch ist man nur zu bald, aber das Herauskommen ist eine wahre Marter. Da müht man sich mit dem Körper ab, das Hinderniß zu besiegen, und schiebt das Satansgewebe wie einen mächtigen Laufkorb nur vor sich her. Herauszusteigen ist aber eine wahre Kunst, da das Loch eben nur so groß, als der Umfang unsers Körpers ist, und ringsum gibt es keinen Halt zum Widerstemmen. Während man nun ein Bein bis zum Kinn emporziehen muß, um mit demselben oben Fuß fassen zu können, wird dem andern im Wasser die Anstrengung zu groß, sodass sich des verzweifelnden Ständers[2] ein Wadenkrampf bemächtigt, der Einem fast glauben lassen möchte, es bissen sich alle untergetauchten Enten[3] auf einmal hinein. Dabei bleibt man zurück, Enten fliegen einem über den Kopf hin, nach denen unvorsichtige Schützen, im Glauben, Keinen hinter sich zu haben, schießen, daß die Schrote um Einen her im Schilfe rasseln. Endlich gelingt es, sich doch herauszuarbeiten, und glücklich aufathmend schickt man sich an, seinen vorausgekommenen Cameraden nachzueilen. Hierbei merkt man nun aber erst, daß das tückische Schicksal sich unseres einen Stiefels bemächtigt hat, der, im Schlamme versenkt, wie der Niebelungenhord für immer verloren bleibt. Der Verlust des alten Lederschlauchs würde nun eben nicht zu betrauern sein, den möchten sich die Schlammkobolde erkiesen und sich darin einnisten; aber eine andere Plage entsteht uns aus dem Unfall. Beim nächsten Schritt schon möchten wir lieber ein angeschossener Mauser sein, als noch einmal mit nacktem Fuße auf eine Stachelnuß treten, die wir erst mit der Hand herausziehen müssen, um sie zu entfernen. Nicht umsonst fertigt die heitere Schuljugend aus solchen vermaledeiten Dingern kleine Teufelchen; denn gibt es irgend eine Satansfrucht, so ist es eine solche verzwickte, schwarze, stachlige Wassernuß für die Entenjäger. Späteres Auftreten auf ein spitziges Steinchen, auf eine scharfe Muschel oder sonst so etwas achtet man kaum mehr; es wirkt vielmehr im Gegensatz zu dem früher gehabten Schmerz wie eine Erholung. Zu allem Ungemach kann es nun noch passiren, daß man das Gewehr verladet, entweder, indem man statt Pulver Schrot zu unterst nimmt, oder, und das bleibt immerhin noch der glücklichere Fall, doppeltes Pulver gibt, wovon man beim Schuß einen Schlag in’s Gesicht bekommt, daß man meint, die Funken, die aus den Augen springen, müßten das Schilf anzünden. Dennoch läßt in der Regel ein so an beiden Enden verletzter Mensch in seiner Leidenschaft nicht nach, sondern jagt fort.

So gibt es Freud und Leid; doch letzteres wird bald vergessen, ja, in der Erinnerung gibt es erst rechten Frohmuth. Jeder hat seine eigenen Erlebnisse und faßt sie besonders auf, was beim gegenseitigen Erzählen Spaß genug gibt.

Das heitere Treiben nimmt indessen seinen ungestörten Fortgang, wobei sich die Beute immer mehr anhäuft, sodaß endlich beschlossen wird, Menschen und Thieren Rast zu gönnen und die Jagd zu beendigen. Die brennenden Sonnenstrahlen des bereits herangekommenen Nachmittags trocknen bald die nassen Kleidungsstücke der Jäger, die sich umgezogen haben und jetzt im kühlen Waldesschatten sich auf die weiche Moosdecke hinstrecken, auf welcher die von ihnen mitgebrachten Mundvorräthe zum frohen Genuß einladen. Auch die Treiber und Kahnführer thun sich nun etwas zu Gute, nachdem sie die Beute des Tages herzugetragen haben, wobei es manches Interessante zu sehen gibt. Denn obwohl die Stockente das größte Contingent geliefert hat, so gibt es doch auch allerhand andere Arten von Enten, wie die zierliche, mit sammettiefglänzendem, rothbraunem Kopf geschmückte Krickente, die in raschem Fluge nicht unmelodisch flötende Pfeifente, wie die zwar schwer fliegende, aber desto behender schwimmende und tauchende, schön befiederte Tafelente und andere. Auch sonstiges Strand- und Wassergeflügel, wie die schöne, des Nachts mit eigenthümlichem, lautem, weithinschallendem Tone sich kündende Rohrdommel, Wasserhühner und Tauchergattungen sind vertreten.

Bei der Menge des Gevögels, das bei einer solchen Jagd vorkommt, gewinnt der Beobachter natürlich kaum Zeit, die Eigenthümlichkeiten der mannichfachen Geschöpfe kennen zu lernen, höchstens die Weise, wie sich die verschiedenen Arten benehmen, um sich zu drücken oder sonst der Verfolgung zu entgehen. So bemüht sich z. B. die Rohrdommel, der der Jäger oder der Hund auf den Leib rückt, durch emporgestreckten Hals, Kopf und Schnabel, mit welchem sie sich an ein Schilfrohr anschmiegt, sich dem Auge des Verfolgers zu entziehen, was recht wohl bei einem nicht ganz scharf Zuschauenden gelingen kann, da Farbe und kerzengerade ruhige Stellung ihr das Ansehen eines Pfahles oder Stumpfes geben. Viel Interesse bieten die unermüdlich arbeitenden Hunde und das häufige Schießen. Auch das gesellige Beisammensein, die heitere Heimkehr sind von besonderem Reiz, wie denn solche Jagden für jeden Jäger zu den angenehmsten gehören. Dennoch gibt es, wenn man von geselligen Annehmlichkeiten und massenhaft zu erringender Beute absieht, nichts Schöneres, als früh die Schießhütte auf Wassergeflügel zu besuchen oder des Abends auf den Enteneinfall zu gehen. Hierbei tritt das bloße Erlegen freilich in den Hintergrund, desto mehr aber ist Spielraum für die Beobachtung vergönnt. Um uns ein derartiges Vergnügen zu vergegenwärtigen, wählen wir einen Herbsttag, der schon ohnehin genug Genuß in Gottes freier Natur bietet. Noch ehe es Tag wird, begeben wir uns mit dem treuen Hunde durch den mächtigen, noch im tiefen Dunkel ruhenden Wald nach dem Saume des See’s, wo die aus Rohr und Schilf kunstlos aufgeführte Schießhütte sich befindet. Wie ein großer Schilfhaufen ragt sie empor, nach verschiedenen Seiten mit Schießlöchern versehen. Noch ist die Dunkelheit zu groß, um auf der fernen Blänke vom Waldrande aus durch das Gesicht etwas wahrnehmen zu können; man hört nur dann und wann das Quaken einer Ente. Jetzt wird es heller, aber noch vollkommen ruhig liegt der See vor uns. Nebel lagern darüber und wogen und drängen sich nach dem Walde zu. Doch wie durch Zauber sind sie plötzlich, bis auf einzelne Streifen, wie huschende Gespenster im Walde verschwunden, und rein spiegelt sich der sonnendurchhauchte, rosige Horizont in der kühlen, von den Spiegelbildern des waldbestandenen Ufers umsäumten Fluth. Massen von Enten sieht man nun sich drüben in klarer Blänke tummeln und einzelne dahin segelnde Taucher glitzernde Furchen in das nasse Element ziehen; doch in der Nähe, auf Schußweite, will sich noch nichts zeigen.

Aber nicht blos das Wasser ist belebt, auch die Luft wird nun bereits von der glücklichen befiederten Welt durchrauscht. Da zieht mit stolzen Schwingen, wie im Aether ruhig schwimmend, der Fischaar dahin, erst weite Kreise ziehend und sie dann verengernd, bis er mit scharfem Auge ein Opfer erspäht und wie ein Meteor herabstürzt, die Beute zu ergreifen. Diesmal ohne Erfolg, denn dicht vor dem Wasserspiegel breitet er die starken Flügel wie einen Fallschirm aus und zieht über die Fläche weiter. Bald jedoch hebt er sich wieder empor, das Kreisen von Neuem zu beginnen, bis er abermals niederschießt und zwar glücklicher: seine Fänge haben den Fluthen einen ansehnlichen Fisch entrissen. Mit rauschendem Flügelschlag steuert er dem Walde zu, auf einer schräg über das Wasser hängenden halb entwurzelten dürren Fichte aufhakend, [439] um dort seinen Raub zu verzehren. Sonst zieht noch die langbeschwingte, silberglänzende, gellend schreiende Möve über das Wasser hin, bald sich hebend, bald dicht über die Fläche hinstreichend, oder auch wohl einen Moment darauf ruhend, ein Fischlein dem Wasser entführend. Noch andere Fischräuber gibt es, von denen die schlauen Reiher wohl die unersättlichsten und verderblichsten sind. Einer von ihnen kommt jetzt auf Schußnähe zu unserer Schießhütte, und nicht ohne Begrüßung soll er vorüberkommen. Auf den Schuß stieben die Federn von ihm umher; dennoch rafft er sich beim Herabstürzen in der Luft noch einmal zusammen, wobei er, um sich zu erleichtern, die bereits genossenen Fische von sich gibt, an deren Zahl man ermessen kann, welche bedeutende Summe ein solcher Räuber in nur einem Tage zu sich nehmen mag. Es gelingt ihm zwar, durch dieses Manöver noch ein Stück fortzukommen, aber der Schuß war tödtlich; bald vergeht ihm die Kraft, der Tod packt ihn und stürzt ihn in das Schilf. Durch den Schuß rege geworden, sind auch Enten aufgegangen, und nachdem sie mehrmals einen Theil des See’s umschwärmt haben, kommen sie nahe genug, um uns einen Entvogel herunter schießen zu lassen. Diesen apportirt uns auf unsern Befehl sofort der Hund, damit uns die Beute nicht entgehe. Noch ehe er den Gefundenen gebracht hat, kommen abermals ein paar Enten schwirrend durch die Luft gepfiffen, von denen wieder eine unsere Beute wird. Auf solche Art erringen wir bis Vormittag noch mehrere Stück verschiedener Arten. Dann gehen wir auf dem Heimwege noch die Ränder der in die Brüche einschneidenden Buchten ab, wobei auch noch die eine oder die andere Ente sterben muß. Mit ängstlicher Gebehrde umschwärmen uns die Kiebitze, unaufhörlich ihren Namen rufend, und in schnellem, hakenschlagenden Fluge nach dem Hunde stechend. Doch unbelästigt lassen wir die reizend befiederten Geschöpfe dahinziehen, obgleich sie ein höchst schmackhaftes Wildpret geben, das bei uns jedoch nicht gegessen zu werden pflegt. Noch lange werden wir von ihnen verfolgt, bis wir im Walde aus ihrem Bereich kommen.

Nicht mindern Reiz bietet es, Abends auf den Enteneinfall zu treten; namentlich haben wir einen schönen Genuß, wenn wir uns nach dem in’s Geröhricht gebauten Tritt hinüberschiffen. Da stehen wir dem glühenden Abendhimmel oder dem über dem dunkeln Waldsaume aufsteigenden Mond gegenüber, hören den Flügelschlag und schnatternden und pfeifenden Laut kommender Enten, die auf die Blänke einfallen, daß die dadurch bewegte Fluth golden oder silbern erglänzt, je nachdem die Himmelsfärbung sich abspiegelt oder der Mond sich darin badet. Manch dröhnender Schuß rollt dann über die stille Fluth dahin und entsendet Tod unter die geflügelten Schaaren, von denen die Uebriggebliebenen kreisend die Luft durchschwirren. Die vollends einbrechende Nacht macht es endlich unmöglich, weitere Erfolge zu erzielen, und ihr Schweigen gibt uns das Geleite bis nach Hause. Nicht minder interessant ist im Spätherbst der Abendanstand in der Schießhütte auf wilde Gänse. Diese erscheinen mit einer Pünktlichkeit, daß ein Chronometer die Zeit nicht genauer bestimmen könnte, als solche lebendige Zeitmesser.

Schon ist die Sonne unter, und das Dämmerlicht liegt bereits über den stillen Gewässern. Zitternd schaukeln sich Mondsichel und Sterne in der nebelbildenden Fluth. Von hier und dort kommen die Enten, die Blänke umkreisend, ehe sie einfallen, aber obwohl manche mit singendem Flügelschlage über uns wegzieht, schießen wir doch noch nicht, denn unsere Uhr sagt uns, daß in wenigen Minuten die wilden Gänse einfallen werden. Und wir haben uns nicht getäuscht; schon hören wir sie von Weitem schnatternd angezogen kommen, und jetzt erblicken wir sie auch. Wohl könnten wir ihnen jetzt, der Nähe nach, entgegenschießen, aber obwohl wir starken Schrot geladen haben, lassen wir sie erst vorüber, um hinterher zu feuern, da es ohne diese Vorsicht noch sehr fraglich bliebe, ob wir eine der Langgehalsten herunterbrächten, man müßte sie denn so flügeln, daß der Flügelknochen zerschmettert würde.

Während auf die beiden entladenen Rohre eine unsere Beute zu werden verspricht, da sie aus der Reihe herabstürzt, steigt der Zug, der sich bereits zum Einfall senkte, wieder empor, in eiliger Flucht über den düstern Wald wegziehend, um weit, weit erst wieder auf einem andern Theil des See’s oder einem in der Umgegend liegenden kleineren Gewässer einzufallen. Es ist nun auch bereits so dunkel geworden, daß an Schießen nicht mehr gedacht werden kann; wir kehren deshalb heim. Die heruntergeschossene, ziemlich weit drüben niedergefallene Gans lassen wir, da wir nicht einmal den Hund bei uns haben, liegen, um sie am andern Morgen frühzeitig aufzusuchen, wenn sie die Wellen, vom Morgenwind bewegt, mehr an’s Ufer getrieben haben werden. Das Wasser rauschend schlagend, werden ein paar Sauen, die im Schilfe sich Nahrung suchen, durch unser Gehen flüchtig, und grunzend und schnaubend suchen sie sich jetzt von der eigentlichen Gefahr zu unterrichten, um dann durch Bruch und Moor eilend den schützenden Wald zu erreichen. Auch ein mächtig geweihter Hirsch, der sich gegen den Wasserspiegel in dunkeln Contouren abzeichnet, wird, durch die Sauen rege gemacht, flüchtig und trollt pantschend durch Moos und hoch aufspritzendes Wasser, das gegen den dunkeln Wald wie Phosphorfunken leuchtet. Dann unterbricht außer dem hin und wieder herabtönenden Schrei ziehender Vögel die Grabesstille der nächtigen Natur nichts, und nur das Auge genießt den Anblick der sich phantastisch bildenden Nebel, die am Holze hinziehen wie Geistergestalten die dunkeln alten Bäume umarmend und, indem sie den einen mit ihren weißen Gewändern verdecken, während ein anderer von den dunkeln Riesen wieder sichtbar wird, den Eindruck geben, als tanzten die lustigen Gebilde mit den düstern handfesteren Genossen einen gespenstigen Reigen.

Auch früh, als wir wiederkehren, die geschossene Gans mit dem Hunde aufzusuchen, lagern die Nebel noch über dem Gewässer, und zwar so dicht, daß man nichts von Blänke und Schilf sieht; es ist wie ein anschwellender See, der die matt durchschimmernde nächste Umgebung, den Wald, zu verschlingen droht. Nur wenige Schritte vor uns können wir die Gegenstände wahrnehmen, und es ist gut, daß wir bei Zeiten kommen, denn schon zeigt sich Reinecke, der Erzschleicher und Freibeuter, der sein Strandrecht in Anspruch zu nehmen gedenkt, um Lebendiges und Todes bei so günstiger Gelegenheit, als der Nebel bietet, zu erhaschen. Wie wird er mit hochgehaltener Ruthe flüchtig, als wir ihm bei gutem Winde so auf den Pelz gekommen sind! Leider verschwindet er im Nebel zu schnell, als daß wir das Gewehr vom Halse nehmen und dem rothhaarigen Gauch Funken auf den Pelz reißen könnten. Nach langem Suchen bringt Diane vom Ufer die Gans, die sicherlich für den spionirenden Buschklepper eine willkommene Prise geworden wäre. Indem wir zufrieden sind, unser rechtmäßiges Eigenthum dem Schelm entrissen zu haben, lassen uns die bleiernen, ruhig lagernden Nebel nicht daran denken, mehr dazu zu erjagen. Erst spät kämpft sie die emporsteigende Sonne nieder, nachdem sie lange wie die Mondscheibe matt durch den Gegner geschienen. Aber als uns erst einmal ein Stückchen blauer Himmel der neustrahlenden Sonne zur Seite gestanden, werden die wie in Beschämung zerfließenden Dunstgebilde bald bezwungen. Zum Jagen ist’s freilich zu spät geworden.

Noch manchen Tag und Abend streifen wir hinaus, obgleich es nun in der Thierwelt stiller wird, da insbesondere die Zugvögel meist schon ihre Stätten verlassen haben. Manches Mal vernahmen wir sie des Nachts, wenn sie die Lüfte durcheilten, um ein wärmeres Klima zu erreichen, und darum könnte man sie beneiden, denn die Witterung tritt nun oft sehr unwirsch auf. Rauhe Stürme durchheulen den Wald und jagen über den See dahin, daß das ihn umstehende fahle Rohr und Schilf zerzaust wird und schwirrend sich niederbeugt. Wild wird der dunkel spiegelnde See bewegt, daß das Klatschen der Wellen gegen die Ufer sich mit dem Geheul der stürmenden Luft mischt, bis die beruhigte, aber dafür eisig gewordene Luft das bewegte nasse Element erstarren macht und die letzten Reste vom Wassergeflügel vertreibt, die strichweise südwärts ziehen oder sich auf nicht zufrierende Flüsse oder warme Stellen anderer Gewässer begeben.

Starr ist wieder „das Auge des Waldes“ geworden, bis einfarbig grau umzogener Himmel silberne Sternlein geräuschlos zur Erde schüttet und damit Flur, Wald und See zudeckt. Nicht mehr schauen sich die azurblaue Himmelsdecke und die daran hinschwimmenden rosigen Wolken oder der wie ein Feuermeer flimmernde Horizont, oder der nächtliche Mond mit den buntglitzernden Sternlein im mächtigen Spiegel – die eisige Decke liegt scheidend dazwischen, bis endlich wieder der allbelebende, warme, Knospen und Keime öffnende Frühlingssonnenschein so eindringlich herniederblickt und das träumende Waldesauge aus tiefem Schlafe weckt.



  1. Mauser: in der Mauser (Entfiederung) liegende Enten, welche im Juli beginnt.
  2. Ständer heißt beim Federwild das Bein; hier scherzweise auf den Menschen angewendet.
  3. Angeschossene und untergetauchte Enten sollen sich unter Wasser an irgend welchem Gegenstand anbeißen, um nicht wieder empor zu kommen.