Am Rheinfall bei Schaffhausen
Ich saß mit einem schönen Kind
Am See in grüner Lauben;
Ich ließ der Furka rauhen Wind
Um meine Schläfe schnauben.
Ich sah den Aar, der einsam schweift
Um schroffer Felsen Glatzen,
Den Gletscher, der hinuntergreift
Ins Thal mit eis’gen Tatzen. –
Und in der Alpen hehrem Reich,
Wo graue Bäche quellen,
Fühlt’ ich mich einem Sandkorn gleich,
Verweht von Sturm und Wellen.
Wo matt das letzte Grün verdorrt
In ew’gen Winters Walten,
Da sucht das Herz umsonst das Wort
Zum Liede zu gestalten!
Und weiter hab’ den Wanderstab
Gesetzt ich auf der Reise –
Hurrah, da kommt ein wilder Knab’
Vom Schnee und aus dem Eise!
Das ist im Jünglingstrotz der Rhein
Mit Toben und mit Brausen,
Und er versucht sich schon im „Wein“
Im Lande von Schaffhausen!
Doch Lehrlingsarbeit bleibt es noch,
Man kann dabei nicht lachen. –
Getrost! Der wird als Traubenkoch
Sein Meisterstück schon machen!
Im Ranzen trug ich lang mit mir
Ein Fläschlein von dem Besten –
Ein volles Glas! Nun weih’ ich’s dir,
Sohn aus den Eispalästen! –
Beim Feuertrank, so goldig klar,
Da wird es mir zu Sinne,
Als küßte mich das Lippenpaar
Der schönsten Winzerinne!
Da fühl’ ich mich so jung, so jung,
Da sprossen mir die Lieder,
Da spüre ich den vollen Schwung
Der Jugendjahre wieder!
Dir, Stürmer, sei dies Glas geweiht,
Und laß den Wunsch mich sagen:
Den Geist aus deiner Jünglingszeit,
Den sollst du thalwärts tragen!
Wohin des Wegs du wandern mußt
Durch Wiesen, Wald und Reben,
Da hauch’ in jede Mannesbrust:
Die Freiheit ist das Leben!
So zieh’ als ein Apostel aus
Zu meines Stamms Genossen,
Du Strom, für den im heißen Strauß
Das Herzblut wir vergossen!
Es mahne deines Rauschens Klang
Ringsum die Völkerscharen:
Was einmal deutsches Schwert errang,
Das wird es auch bewahren.
Darauf sei dieses Glas geleert
Bis auf den letzten Tropfen! –
Du Strom, der durch die Felsen fährt
Wie fühl’ mein Herz ich klopfen!
Ade nun, Firn und Gletscherwand! –
Durch Wogenschaum und Brausen
Hör’ ich den Gruß vom Vaterland
Beim Rheinfall von Schaffhausen! –