Am Hochsitz
[324] Am Hochsitz. (Zu dem Bilde S. 317.) Auf der Jagd spielt der Wind eine Hauptrolle. Man kann sich noch so gedeckt ansetzen und so vorsichtig als nur immer möglich pirschen – hat der Jäger keinen Wind, das heißt, zieht die Luft von ihm nach dem Wilde hin, so wird er wenig Glück haben: es wittert ihn, bevor er es sieht oder schußmäßig heran ist. Deshalb baut sich der Jäger, um vom Winde nicht abhängig zu sein, Hochsitze oder Kanzeln, und der Künstler, Albert Richter, zeigt uns auf seinem Bilde eine solche, in deren Nähe sich eine „Körnung“ befindet. Seit Jahren wechselte in der „Dresdener Heide“ ein „Eingänger“, ein Hauptschwein, und als dasselbe eine aus Kartoffeln, Eicheln und Mais angelegte Körnung angenommen hatte, forderte der Oberförster an einem schönen Maitag den Künstler auf, sein Glück mal zu versuchen und vom Hochsitz den prächtigen „Eingänger“ zu skizzieren. Da aber auch Dam- und Rotwild auf die Fütterung kam, hatte der Forstlehrling zwei am Morgen erlegte junge Füchse neben dieselbe gelegt, die das Wild „vergrämen“ sollten, den Schwarzkittel aber, der ja auch „Luder“ annimmt, wohl kaum von der Körnung abhalten würden. Als es dämmerig wurde, knackte es in der Dickung, aber statt des Keilers zog ein Kolbenhirsch heran, vorsichtig schleichend, hin und herwechselnd, als bekäme er Wind von den Füchsen, könnte aber trotzalledem seine Sehnsucht nach der Körnung nicht bemeistern. Plötzlich aber warf er sich herum uno stürmte polternd und prasselnd durch die Dickung zurück. Diesen auf der Kanzel erlauschten Vorgang hat dann unser Künstler in seinem Bilde wiedergegeben. K. B.