1. Dort, wo die Rhön gen Himmel reckt die Häupter, schroff und
kahl, dort liegt, neugiergem Aug versteckt, ein einsam=lauschig Thal,
ein Thal, gleich einem Wunderland, so lieblich, morgenschön: |: das
ist, im grünen Waldgewand, mein stilles Thal der Rhön! :|
2. Vor Wind und Wettern halten dicht die Bergesriesen Wacht,
an ihrer breiten Brust zerbricht der Stürme rauhe Macht. Nicht
schallt hierher Parteienzank, des Weltlärms schrill Getön: Ein ewger
Friede schwebt entlang dem stillen Thal der Rhön!
3. Von steilen Felsenhängen springt der Quellen zahllos Heer,
das schwatzt und murmelt, tanzt und singt den Schlangenpfad daher.
Und wo der Bach den Reigen führt, viel bunte Blumen stehn: Ein
immergrüner Teppich ziert mein stilles Thal der Rhön!
4. Auf hoher Bergeshalde prangt, noch immer stolz und kühn,
von duftgem Sagenkranz umrankt, die alte Burgruin. Nicht mehr
der frechen Ritterschar raubgierge Banner wehn: Ein Völkchen, fromm
und treu und wahr, bebaut mein Thal der Rhön!
5. Und wo das schmucke Städlein sich abhebt vom Wiesenrain, da
blüht – ein Veilchen minniglich – die Herzensliebste mein. Gedenk
ich deiner, ach! so rinnt der Wehmut heiße Thrän! Sei mir gegrüßt,
mein süßes Kind, mein Lieb im Thal der Rhön!
6. Nun stürm ich ohne Rast und Ziel durchs wilde Leben hin,
doch du, mein holdes Thalidyll, kommst mir nicht aus dem Sinn!
Und nächtlich, wenn mich flieht die Ruh, steigt heiß empor mein Flehn:
„O Himmel, schirm und segne du mein stilles Thal der Rhön!“
7. Und will dereinst ich todeswund abthun die Erdenqual, so
führt, o Freunde, mich zur Stund in mein geliebtes Thal! Noch einmal
seh im Abendgold ich schimmern rings die Höhn, dann zahl ich froh
den letzten Sold: „Leb wohl, mein Thal der Rhön!“
Julius Türck.