1. Nun ist der letzte Tag erschienen! Wie blickt der Himmel
trüb darein, und trüber noch sind eure Mienen, es muß ja heut ge=
schieden sein! Die ganze Welt scheint heut zu trauern, als könnt sie
euren Schmerz verstehn, laut rauscht der Neckar an den Mauern das
Lied vom Voneinandergehn.
2. Noch einmal geht ihr durch die Gassen, die singend ihr so oft
durchtönt, die ihr noch heute müßt verlassen und dann umsonst zurück
euch sehnt. Wie oft sind Zeugen sie geworden, wenn ihr bei Tage
wie bei Nacht mit kühner That, mit freien Worten so keck die ganze
Welt verlacht.
3. O denkt daran, wie in dem Bunde, zu dem ihr hieltet manches
Jahr, ihr habt so manche liebe Stunde gezecht in treuer Freunde
Schar, und wie ihr dann in stiller Kammer, wenn schon der Tag
ins Fenster schien, ertragen habt den Katzenjammer mit festem Mut,
mit starkem Sinn.
4. So steigen heitre, schöne Bilder mit Wehmut auf in eurer
Brust: es sind die Tage, ach! so wilder, so ungezwungner Jugendlust;
die Zeit, die nun hinabgesunken so schnell, wie ihr es ahntet kaum, die
Zeit, da euch, von Wonne trunken, das Leben war ein goldner Traum.
5. Nun ist’s vorbei! Es ist zerronnen der schöne Tag mit seiner
Freud, der Jugend Lust mit ihren Wonnen verrauscht in die Ver=
gangenheit; doch habt ihr eins davongetragen, ein Gut, das euch die
Zeit nicht nimmt, und das euch noch in späten Tagen der Seele Saiten
höher stimmt.
6. Es ist der Geist, den ihr gerettet euch aus der Jugend wildem
Scherz, der, tief in eure Brust gebettet, euch tröstet jetzt in eurem
Schmerz; er sagt euch, daß sie echt gewesen, die Liebe, die uns hier ver=
band, die keine Welt vermag zu lösen, die stets euch hält mit starker Hand.
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7. Und wenn der Schmerz der Abschiedsstunde euch noch so schwer
die Brust durchwühlt, sei das ein Balsam für die Wunde, was hell
von allen wird gefühlt: die Treue, die ihr habt geschworen, was ihr
geliebt, was ihr geglaubt, das geht euch nimmermehr verloren, das ist
es, was die Welt nicht raubt.
Aus Tübingen.
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