Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels/Zweytes Hauptstück

Zweyter Theil – Erstes Hauptstück Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) von Immanuel Kant
Zweyter Theil – Zweytes Hauptstück
Zweyter Theil – Drittes Hauptstück
[38]
Zweytes Hauptstück,
von der
verschiedenen Dichtigkeit der Planeten,
und dem Verhältnisse ihrer Massen.

Wir haben gezeiget, daß die Theilchen des elementarischen Grundstoffes, da sie an und vor sich in dem Weltraume gleich ausgetheilet waren, durch ihr Niedersinken zur Sonne, in den Orten schweben geblieben, wo ihre im Fallen erlangte Geschwindigkeit gerade die Gleichheit gegen die Anziehung leistete, und ihre Richtung so, wie sie bey der Zirkelbewegung seyn soll, senkrecht gegen den Zirkelstrahl gebeuget worden. Wenn wir nun aber Partikeln, von unterschiedlicher specifischer Dichtigkeit, in gleichem Abstande von der Sonne gedenken, so dringen die von grösserer specifischen Schwere tiefer, durch den Widerstand der andern zur Sonne hindurch, und werden nicht so bald von ihrem Wege abgebeuget, als die leichteren; daher ihre Bewegung nur in einer grösseren Annäherung zur Sonne zirkelförmigt wird. Dagegen werden die Elemente leichterer Art, eher von dem gradlinichten Falle abgebeuget, in Zirkelbewegungen ausschlagen, ehe sie so tief zu dem Centro hindurch gedrungen seyn, und also in grösseren Entfernungen schweben bleiben, auch durch den erfüllten Raum der Elemente nicht so tief hindurch dringen können, ohne [39] daß ihre Bewegung durch dieser ihren Widerstand geschwächet wird, und sie die grossen Grade der Geschwindigkeit, die zur Umwendung näher beym Mittelpunkte erfordert werden, nicht erlangen können; also werden, nach erlangter Gleichheit der Bewegungen, die specifisch leichtern Partikeln in weitern Entfernungen von der Sonne umlaufen, die schwereren aber in den näheren anzutreffen seyn, und die Planeten, die sich aus ihnen bilden, werden daher dichterer Art seyn, welche sich näher zur Sonne, als die sich weiter von ihr aus dem Zusammenlaufe dieser Atomen formiren.

Es ist also eine Art eines statischen Gesetzes, welches den Materien des Weltraumes ihre Höhen, nach dem verkehrten Verhältnisse der Dichtigkeit, bestimmet. Gleichwohl ist es eben so leicht zu begreifen: daß nicht eben eine jegliche Höhe nur Partikeln von gleicher specifischen Dichtigkeit einnehmen müsse. Von denen Theilchen, von gewisser specifischen Gattung, bleiben diejenigen in grössern Weiten von der Sonne schweben, und erlangen die zur beständigen Zirkelbewegung erforderliche Mässigung ihres Falles in weiterm Abstande, welche von grössern Entfernungen zu ihr herab gesunken; dagegen die, deren ursprünglicher Ort, bey der allgemeinen Austheilung der Materien im Chaos, der Sonne näher war, ungeachtet ihrer nicht grössern Dichtigkeit, näher zu dieser zu ihrem Zirkel des Umlaufs kommen werden. Und da also die Oerter der Materien, in Ansehung des Mittelpunkts ihrer [40] Senkung, nicht allein durch die specifische Schwere derselben, sondern auch durch ihre ursprünglichen Plätze, bey der ersten Ruhe der Natur bestimmet werden: so ist leicht zu erachten, daß ihrer sehr verschiedene Gattungen, in jedem Abstande von der Sonne, zusammen kommen werden, um daselbst hängen zu bleiben, daß überhaupt aber die dichtern Materien häufiger zu dem Mittelpunkte hin, als weiter von ihm ab, werden angetroffen werden; und daß also, ungeachtet die Planeten eine Mischung sehr verschiedentlicher Materien seyn werden, dennoch überhaupt ihre Massen dichter seyn müssen, nach dem Maasse, als sie der Sonne näher seyn, und minderer Dichtigkeit, nachdem ihr Abstand grösser ist.

Unser System zeiget in Ansehung dieses, unter den Planeten herrschenden Gesetzes ihrer Dichtigkeiten, eine vorzügliche Vollkommenheit vor allen denjenigen Begriffen, die man sich von ihrer Ursache gemacht hat, oder noch machen könnte. Newton, der die Dichtigkeit einiger Planeten durch Rechnung bestimmet hatte, glaubte, die Ursache, ihres nach dem Abstande eingerichteten Verhältnisses, in der Anständigkeit der Wahl GOttes und in den Bewegungsgründen seines Endzwecks zu finden; weil die der Sonne näheren Planeten mehr Hitze von ihr aushalten müssen, und die entferntern, mit wenigern Graden der Wärme sich behelfen sollen; welches nicht möglich zu seyn scheinet, wenn die, der Sonne nahen Planeten, nicht dichterer Art [41] und die entfernteren von leichterer Materie zusammengesetzt wären. Allein die Unzulänglichkeit einer solchen Erklärung einzusehen, erfordert nicht eben viel Nachsinnen. Ein Planet, z. E. unsere Erde, ist aus sehr weit von einander unterschiedenen Gattungen Materie zusammen gesetzt; unter diesen war es nun nöthig, daß die leichteren, die durch die gleiche Wirkung der Sonne mehr durchdrungen und bewegt werden, deren Zusammensatz ein Verhältniß zu der Wärme hat, womit ihre Strahlen wirken, auf der Oberfläche ausgebreitet seyn musten; allein daß die Mischung der übrigen Materien, im Ganzen des Klumpens, diese Beziehung haben müssen, erhellet hieraus gar nicht; weil die Sonne auf das innere der Planeten gar keine Wirkung thut. Newton befurchte, wenn die Erde bis zu der Nähe des Merkurs in den Strahlen der Sonne versenket würde, so dürfte sie wie ein Comet brennen, und ihre Materie nicht genugsame Feuerbeständigkeit haben, um durch diese Hitze nicht zerstreuet zu werden. Allein, um wie vielmehr müßte der Sonnen eigene Materie selber, welche doch 4mal leichter, als die ist, daraus die Erde besteht, von dieser Gluth zerstöret werden; oder warum ist der Mond zweymal dichter, als die Erde, da er doch mit dieser in eben demselben Abstande von der Sonne schwebet. Man kann also die proportionirten Dichtigkeiten nicht dem Verhältniß zu der Sonnenwärme zuschreiben, ohne sich in die grösseste Widersprüche zu verwickeln. Man siehet vielmehr eine Ursache, die die Oerter der Planeten [42] nach der Dichtigkeit ihres Klumpens austheilet, müsse auf das innere ihrer Materie, und nicht auf ihre Oberfläche eine Beziehung gehabt haben; sie müsse, ohnerachtet dieser Folge, die sie bestimmete, doch eine Verschiedenheit der Materie in eben demselben Himmelskörper verstatten, und nur im Ganzen des Zusammensatzes dieses Verhältniß der Dichtigkeit fest setzen; welchem allem, ob irgend ein anderes statisches Gesetz, als wie das, so in unserer Lehrverfassung vorgetragen wird, ein Gnüge leisten könne, überlasse ich der Einsicht des Lesers, zu urtheilen.

Das Verhältniß unter den Dichtigkeiten der Planeten führet noch einen Umstand mit sich, der, durch eine völlige Uebereinstimmung mit der vorher entworfenen Erklärung, die Richtigkeit unseres Lehrbegriffes bewähret. Der Himmelskörper, der in dem Mittelpunkte anderer um ihn laufenden Kugeln stehet, ist gemeiniglich leichterer Art, als der Körper, der am nächsten um ihn herum läuft. Die Erde in Ansehung des Mondes, und die Sonne in Ansehung der Erde, zeigen ein solches Verhältniß ihrer Dichtigkeiten. Nach dem Entwurfe, den wir dargelegt haben, ist eine solche Beschaffenheit nothwendig. Denn, da die untern Planeten vornehmlich von dem Ausschusse der elementarischen Materie gebildet worden, welche durch den Vorzug ihrer Dichtigkeit, bis zu solcher Nähe zum Mittelpunkte, mit dem erforderlichen Grade der Geschwindigkeit haben dringen können; dagegen der [43] Körper in dem Mittelpunkte selber, ohne Unterscheid aus denen Materien aller vorhandenen Gattungen, die ihre gesetzmäßige Bewegungen nicht erlanget haben, zusammen gehäufet worden, unter welchen, da die leichteren Materien den grössesten Theil ausmachen, es leicht einzusehen ist, daß, weil der nächste oder die nächsten zu dem Mittelpunkt umlaufenden Himmelskörper gleichsam eine Aussonderung dichterer Sorten, der Centralkörper aber, eine Mischung von allen ohne Unterschied in sich fasset, jenes seine Substanz dichterer Art, als diese seyn werde. In der That ist auch der Mond 2mal dichter als die Erde, und diese 4mal dichter als die Sonne, welche allem Vermuthen nach von den noch tieferen, der Venus und dem Merkur, in noch höheren Graden an Dichtigkeit wird übertroffen werden.

Anjetzo wendet sich unser Augenmerk auf das Verhältniß, welches die Massen der Himmelskörper nach unserem Lehrbegriff, in Vergleichung ihrer Entfernungen, haben sollen, um das Resultat unseres Systems an den untrüglichen Rechnungen des Newton zu prüfen. Es bedarf nicht viel Worte, um begreiflich zu machen: daß der Centralkörper jederzeit das Hauptstück seines Systems, folglich die Sonne auf eine vorzügliche Art an Masse grösser, als die gesammten Planeten, seyn müsse; wie denn dieses auch vom Jupiter, in Ansehung seiner Nebenplaneten, und vom Saturn, in Betrachtung der seinigen, gelten wird. Der Centralkörper [44] bildet sich aus dem Niedersatze aller Partikeln, aus dem ganzen Umfange seiner Anziehungssphäre, welche die genaueste Bestimmung der Zirkelbewegung, und die nahe Beziehung auf die gemeinschaftliche Fläche, nicht haben bekommen können, und deren ohne Zweifel eine ungemein grössere Menge, als der letzteren, seyn muß. Um an der Sonne vornemlich diese Betrachtung anzuwenden: wenn man die Breite des Raumes, um den die in Zirkeln umlaufende Partikeln, welche den Planeten zum Grundstoffe gedienet haben, am weitesten von der gemeinschaftlichen Fläche abgewichen sind, schätzen will: so kann man sie ohngefehr etwas grösser, als die Breite der grössesten Abweichung der Planetenkreise von einander annehmen. Nun macht aber, indem sie von der gemeinschaftlichen Fläche nach beyden Seiten ausschweifen, ihre größte Neigung gegen einander kaum 71/2 Grade aus. Also kann man alle Materie, daraus die Planeten sich gebildet haben, sich als in denjenigen Raum ausgebreitet gewesen, vorstellen, der zwischen zwey Flächen, von dem Mittelpunkte der Sonne aus, begriffen war, die einen Winkel von 71/2 Grade einschlossen. Nun ist aber eine, nach der Richtung des größten Zirkels, gehende Zone von 71/2 Grad Breite, etwas mehr als der 17te Theil der Kugelfläche, also der körperliche Raum zwischen den zwo Flächen, die den sphärischen Raum in der Breite obgedachten Winkels ausschneiden, etwas mehr, als der 17te Theil des körperlichen Inhalts der ganzen Sphäre. Also würde dieser Hypothese gemäß alle Materie, [45] die zur Bildung der Planeten angewandt worden, ohngefehr den siebenzehnten Theil derjenigen Materie ausmachen, die die Sonne aus eben der Weite, als der äusserste Planet stehet, von beyden Seiten zu ihrer Zusammensetzung gesammlet hat. Allein dieser Centralkörper hat einen Vorzug des Klumpens vor dem gesammten Innhalte aller Planeten, der nicht zu diesem wie 17:1, sondern wie 650 zu 1 ist, wie die Ausrechnung des Newton es bestimmet; aber es ist auch leicht einzusehen, daß in den obern Räumen über dem Saturn, wo die planetischen Bildungen entweder aufhören, oder doch selten seyn, wo nur einige wenige cometische Körper sich gebildet haben, und wo vornehmlich die Bewegungen des Grundstoffes, indem sie daselbst nicht geschickt seyn, zu der gesetzmäßigen Gleichheit der Centralkräfte zu gelangen, als in der nahen Gegend zum Centro, nur in eine fast allgemeine Senkung zum Mittelpunkte ausschlagen, und die Sonne mit aller Materie aus so weit ausgedehnten Räumen vermehren, daß, sage ich, aus diesen Ursachen der Sonnenklumpen die so vorzügliche Grösse der Masse erlangen müsse.

Um aber die Planeten in Ansehung ihrer Massen unter einander zu vergleichen: so bemerken wir erstlich, daß nach der angezeigten Bildungsart die Quantität der Materie, die in den Zusammensatz eines Planeten kommt, auf die Weite seiner Entfernung von der Sonne vornemlich ankomme: 1) darum, weil die Sonne durch ihre Anziehung [46] die Sphäre der Attraction eines Planeten einschränkt, aber bey gleichen Umständen der entfernteren ihre nicht so enge einschränkt, als der nahen: 2) weil die Zirkel, aus denen alle Theilchen zusammen gekommen seyn, einen Planeten auszumachen, mit grösserem Radius beschrieben werden, also mehr Grundstoff, als die kleinern Zirkel in sich fassen: 3) weil aus eben dem letzten Grunde die Breite zwischen den zwey Flächen der grössesten Abweichung, bey gleicher Anzahl Grade, in grossen Höhen grösser, als in kleinen ist. Dagegen wird dieser Vorzug der entfernteren Planeten, vor den niedrigern, zwar dadurch eingeschränkt, daß die Partikeln näher zur Sonne dichterer Art, und allem Ansehen nach auch weniger zerstreuet, als in grösserem Abstande seyn werden; allein man kan leicht ermessen, daß die ersteren Vortheile, zu Bildung grosser Massen, die letztern Einschränkungen dennoch weit übertreffen, und überhaupt die Planeten, die sich in weitem Abstande von der Sonne bilden, grössere Massen, als die nahen bekommen müssen. Dieses geschiehet also in so ferne man sich die Bildung eines Planeten nur als in Gegenwart der Sonne vorstellet; allein, wenn man mehrere Planeten in unterschiedlichem Abstande, sich bilden läßt; so wird einer den Umfang der Attraction des andern, durch seine Anziehungssphäre einschränken, und dieses bringt eine Ausnahme von dem vorigen Gesetze zuwege. Denn derjenige Planet, welcher einem andern, von ausnehmender Masse, nahe ist, wird sehr viel von der Sphäre seiner Bildung verlieren, und dadurch ungleich [47] kleiner werden, als das Verhältniß seines Abstandes von der Sonne allein es erheischet. Obgleich also im Ganzen die Planeten von grösserer Masse seyn, nachdem sie weiter von der Sonne entfernt sind, wie denn überhaupt Saturn und Jupiter, als die zwey Hauptstücke unseres Systems, darum die grössesten seyn, weil sie von der Sonne am weitesten entfernet sind: so finden sich dennoch Abweichungen von dieser Analogie, in denen aber jederzeit das Merkmal der allgemeinen Bildung hervorleuchtet, die wir von den Himmelskörpern behaupten: daß nemlich ein Planet von ausnehmender Grösse die nächsten von beyden Seiten, der, ihnen wegen ihrer Sonnenweite, gebührenden Masse beraubet, indem er einen Theil der Materien sich zueignet, die zu jener ihrer Bildung kommen sollten. In der That hat Mars, der vermöge seines Ortes grösser als die Erde seyn sollte, durch die Anziehungskraft des ihm nahen so grossen Juppiters an seiner Masse eingebüsset; und Saturn selber, ob er gleich durch seine Höhe einen Vorzug über den Mars hat, ist dennoch nicht gänzlich befreyet gewesen, durch Juppiters Anziehung eine beträchtliche Einbusse zu erleiden, und mich dünkt, Merkur habe die ausnehmende Kleinigkeit seiner Masse, nicht allein der Anziehung der ihm so nahen mächtigen Sonne, sondern auch der Nachbarschaft der Venus zu verdanken, welche, wenn man ihre muthmaßliche Dichtigkeit mit ihrer Grösse vergleicht, ein Planet von beträchtlicher Masse seyn muß.

[48] Indem nun alles so vortreflich, als man es nur wünschen mag, zusammenstimmet, die Zulänglichkeit einer mechanischen Lehrverfassung, bey dem Ursprunge des Weltbaues und der Himmelskörper, zu bestätigen: so wollen wir, indem wir den Raum schätzen, darinn der Grundstoff der Planeten vor ihrer Bildung ausgebreitet gewesen, erwegen, in welchem Grade der Dünnigkeit dieser Mittelraum damals erfüllet gewesen, und mit was vor Freyheit, oder wie wenigen Hindernissen die herumschwebenden Partikeln ihre gesetzmäßige Bewegungen darinn haben anstellen können. Wenn der Raum, der alle Materie der Planeten in sich begriff, in demjenigen Theile der Saturnischen Sphäre enthalten war, der von dem Mittelpunkte der Sonne aus, zwischen zwey um 7 Grade weit, in allen Höhen von einander abstehenden Flächen begriffen, und daher der siebenzehnte Theil der ganzen Sphäre war, die man mit dem Radius der Höhe des Saturns beschreiben kan; so wollen wir, um die Veränderung des planetischen Grundstoffs, da er diesen Raum erfüllete, auszurechnen, nur die Höhe des Saturns 100000 Erddiameter ansetzen; so wird die ganze Sphäre des saturnischen Kreises den Raumesinhalt der Erdkugel 1000 Bimillionenmal übertreffen; davon, wenn wir an statt des siebenzehnten Theils, auch nur den zwanzigsten nehmen, der Raum, darinn der elementarische Grundstoff schwebete, den Raumesinhalt der Erdkugel dennoch 50 Bimillionenmal übertreffen muß. [49] Wenn man nun die Masse aller Planeten mit ihren Begleitern 1/650 des Sonnenklumpens nach dem Newton ansetzet; so wird die Erde, die nur 1/169282 derselben ist, sich zu der gesammten Masse aller planetischen Materie wie 1 zu 2761/2 verhalten; und wenn man daher alle diese Materie zu gleicher specifischen Dichtigkeit mit der Erde brächte, würde daraus ein Körper entstehen, der 2771/2 mal grössern Raum als die Erde einnähme. Wenn wir daher die Dichtigkeit der Erde in ihrem ganzen Klumpen nicht viel grösser, als die Dichtigkeit der festen Materie, die man unter der obersten Fläche derselben antrifft, annehmen: wie es denn die Eigenschaften der Figur der Erde nicht anders erfordern, und diese obere Materien ohngefehr 4 oder 5mal dichter als das Wasser, das Wasser aber 1000mal schwerer als die Luft ansetzen; so würde die Materie aller Planeten, wenn sie zu der Dünnigkeit der Luft ausgedehnet würden, einen fast 14mal hunderttausendmal grössern Raum als die Erdkugel einnehmen. Dieser Raum mit dem Raume, in welchem nach unserer Voraussetzung alle Materie der Planeten ausgebreitet war, verglichen, ist dreyßig Millionenmal kleiner als derselbe: also macht auch die Zerstreuung der planetischen Materie in diesem Raume eine eben so vielmal grössere Verdünnung aus, als die die Theilchen unserer Atmosphäre haben. In der That, diese Grösse der Zerstreuung, so unglaublich sie auch scheinen mag, war dennoch weder unnöthig, noch unnatürlich. Sie mußte so groß als möglich seyn, [50] um den schwebenden Partikeln alle Freyheit der Bewegung, fast so, als in einem leeren Raume, zu verstatten, und den Widerstand unendlich zu verringern, den sie einander leisten könnten; sie konten aber auch von selber einen solchen Zustand der Verdünnung annehmen, woran man nicht zweifeln darf, wenn man ein wenig die Ausbreitung kennet, die die Materie leidet, wenn sie in Dünste verwandelt ist; oder wenn man, um bey dem Himmel zu bleiben, die Verdünnung der Materie in den Schweifen der Cometen erweget, die bey einer so unerhörten Dicke ihres Durchschnittes, der den Durchmesser der Erde wohl hundertmal übertrifft, dennoch so durchscheinend sind, daß die kleinen Sterne dadurch können gesehen werden; welches unsere Luft, wenn sie von der Sonne erleuchtet wird, in einer Höhe, die viel tausendmal kleiner ist, nicht verstattet.

Ich beschliesse dieses Hauptstück, indem ich eine Analogie hinzufüge, die an und vor sich allein gegenwärtige Theorie, von der mechanischen Bildung der Himmelskörper über die Wahrscheinlichkeit der Hypothese, zu einer förmlichen Gewißheit erheben kann. Wenn die Sonne aus den Partikeln desselben Grundstoffes, daraus die Planeten sich gebildet haben, zusammengesetzt ist: und wenn nur darinn allein der Unterschied bestehet, daß in der ersteren die Materien aller Gattungen ohne Unterschied gehäufet, bey diesen aber in verschiedenen Entfernungen, nach Beschaffenheit der Dichtigkeit [51] ihrer Sorten vertheilet worden; so wird, wenn man die Materie aller Planeten zusammen vereinigt betrachtet, in ihrer ganzen Vermischung eine Dichtigkeit herauskommen müssen, die der Dichtigkeit des Sonnenkörpers beynahe gleich ist. Nun findet diese nöthige Folgerung unseres Systems eine glückliche Bestätigung in der Vergleichung, die der Herr von Buffon, dieser so würdigberühmte Philosoph, zwischen den Dichtigkeiten der gesammten planetischen Materie und der Sonnen ihre, angestellet hat; er fand eine Aehnlichkeit zwischen beyden, wie zwischen 640 und 650. Wenn ungekünstelte und nothwendige Folgerungen aus einer Lehrverfassung in den wirklichen Verhältnissen der Natur so glückliche Bestätigungen antreffen; kan man denn wohl glauben, daß ein blosses Ungefehr diese Uebereinstimmung zwischen der Theorie und der Beobachtung veranlasse?


Zweyter Theil – Erstes Hauptstück Nach oben Drittes Theil – Zweytes Hauptstück
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.