Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: Ahrenshoop, Oktober 1943
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Entstehungsdatum: 1943
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Ahrenshoop, Oktober 1943
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Einführung

Der Artikel Ahrenshoop, Oktober 1943 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Ahrenshoop vor und im Krieg“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom Oktober 1943. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, den 10. Oktober 1943.     

[1]      Gestern Vormittag, etwa 1/2 11 Uhr, flog ein Geschwader von 120 schwerer, amerikanischer Bomber über unseren Ort, von Westen kommend, nach Osten, also Richtung Stettin. Bis jetzt ist Näheres noch nicht bekannt geworden. Die Maschinen flogen garnicht sehr hoch bei klarstem Wetter u. Sonnenschein, sodaß man sie vorzüglich sehen konnte. [...]

[2]
Sonnabend, den 16. Oktober 1943.     

[2]      In dieser Woche habe ich seit vielen Jahren wieder einmal zu malen versucht. Durch Hülsmann habe ich gutes Aquarellpapier bekommen und auch Aquarellfarben. Der erste Versuch mißlang vollständig, einen zweiten Versuch habe ich gleichfalls aufgeben müssen. Die Technik ist schwierig – aber vor allem schlage ich mich noch mit Kompositionsproblemen herum. Wenn man in Oel malt, kann man das während dem Malen tun, beim Aquarell soll aber alles gleich sitzen. Gestern betrachtete ich Reproduktionen nach Picasso u. es wurde mir einigermaßen klar, woran ich gescheitert bin, nämlich an den Formen, die in's Bild hineingehen, also hier hauptsächlich am Vorder= u. Mittelgrund. Es handelte sich um einen Weg u. eine Wiese, die vom Vordergrund in den Mittelgrund reichen. Dergleichen kann Picasso offenbar auch nicht lösen. [...]

[3]
Sonnabend, den 23. Okt. 1943.     

[...] [3]      Es ist mir zu Ohren gekommen, daß einige Klatschweiber im Dorfe sich die Mäuler zerschlagen über den Religionsunterricht, den ich den Kindern gebe. Vor allem scheint es diese Frau Siegert zu sein, die als Nationalsozialistin eine Rolle spielt u. furchtbar angibt. Was die Weiber das bloß angeht? [...]

[3]
Sonntag, den 24. Oktober 1943     

[3]      Der Klatsch im Dorf über den Religionsunterricht geht fröhlich weiter. Martha hat mit dem Lehrer Deutschmann gesprochen, dem die Sache auch bereits zu Ohren gekommen ist. Wir hatten ihn vorsichtshalber gleich zu Beginn des Unterrichts über die Sache informiert u. er hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt; aber nun war doch zu merken, daß er Angst hatte u. vor dem Klatsch u. Frau Siegert zurückweichen wollte. Gestern Nachmittag war aber Frau Prof. Marie Seeberg bei Martha. Sie ist Nationalsozialistin, oder wenigstens steht sie dieser Bewegung positiv gegenüber u. verkehrt darum mit Frau Siegert. Martha hat ihr von diesem Klatsch erzählt u. hat ihr gesagt, daß es sich dei dem Unterricht nur darum handele, daß der Vater von Jens mich gebeten hat, seinem Jungen Religionsunterricht zu geben u. daß daraufhin andere Mütter mich gebeten hätten ihre Kinder daran teilnehmen zu lassen, – daß also diese Sache keinen anderen Menschen etwas anginge. Frau S. rief dann noch am Abend bei uns an u. teilte mit, daß sie bei Frau Siegert gewesen wäre u. daß nun alles in Ordnung sei. Es scheint also, als ob diesem übelsten u. gehässigsten Weibe erst mal der Mund gestopft wäre. – [...]

[4]
Sonnabend, 30. Oktober 1943     

[...] [4]      Frau Siegert hat ihren Klatsch gegen den Religionsunterricht trotz der Einmischung von Frau Marie Seeberg fortgesetzt u. hat dabei nun auch den politischen Leiter, den Lehrer Deutschmann, mit Drohreden bedacht. Dieser hat nun Angst bekommen. Er war gestern Abend bei mir, um mich zu bitten, den Unterricht einzustellen. Er beruft sich auf ein Gesetz aus dem Jahre 1872, nach welchem jeder, der irgend einen Unterricht erteilen will, dazu einen Erlaubnisschein haben muß. Einen solchen habe ich natürlich nicht u. es ist aussichtslos, einen solchen zu beantragen. Auf jeden Fall liegt die Sache so, daß diese Frau Siegert den weiteren Unterricht verhindern kann, wenn sie sich dieserhalb an die politische Behörde bzw. an die Partei, wendet, denn dann wird der Unterricht glatt verboten, ob mit oder ohne Erlaubnisschein, denn es genügt, wenn auch nur Einer daran Anstoß nimmt. Es wird dann daraus sofort eine öffentl. Volksmeinung gemacht. – Herr D. war überaus wohlwollend, aber da er Angst hat, kann man nichts machen. Wenn ich den Unterricht trotzdem fortsetze, dann kann er sagen, er hätte es mir verboten u. man könnte mich dann im Gefängnis festsetzen. – Es wird ja wohl nicht mehr allzu lange dauern! – [...]