Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ahrenshoop, Juli 1945
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1945
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Tagebuchauszüge zum Thema Ahrenshoop, Juli 1945
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung

Der Artikel Ahrenshoop, Juli 1945 zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Ahrenshoop vor und im Krieg“ zusammengestellten Tagebuchauszüge von Juli 1945. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].

Tagebuchauszüge

[1]
Dienstag, 3. Juli 1945.     

[...] [2]      Soeben um 5 Uhr nachm. höre ich, daß heute die erste Post in Ahrenshoop angekommen ist. Es sind meist sehr alte Briefe. Herr Pedak im Büro hat eine Aufforderung vom 24. März von seiner Dienststelle erhalten, den Dienst wieder aufzunehmen; aber Frau Niemann von der Post, die eben hier war, hat einen Brief vom 26. Juni erhalten aus der Nähe von Rostock. Sie sagt, daß vorläufig wöchentlich zwei mal Post hier ankommen u. auch abgehen soll. [...]

[3]
Freitag, 6. Juli 1945.     

[...] [3]      Gestern habe ich alle Hausschlachtungen beschlagnahmen lassen. Es war nicht mehr anders zu machen. Wenn ich freilich gewußt hätte, daß Leplow heute Fleisch bekommen würde, hätte ich damit noch gewartet. Nun fehlt es wieder an Kartoffeln u. an Mehl, der Bäcker hat Mehl nur noch für eine Woche. [...]

[3]
Sonnabend, 7. Juli 1945.     

[...] [3]      Heute höre ich, daß noch nicht ein einziges Stück Fleisch von den Hausschlachtungen bei Leplow abgeliefert worden ist. [...]

[3] Nur bei Frau Bertsch soll noch Fleisch sein. Meyer erzählt mir, daß Frau Bertsch den ganzen Krieg hindurch besondere Vergünstigungen genossen hätte, die sie durch Bestechung der Landratsbeamten erlangt haben soll. Wir werden also bei ihr Haussuchung machen lassen. –

[3]
Montag, 9. Juli 1945.     

[...] [3]      Am Abend kam Dr. Hoffmann. Herr Soehlke war bei ihm gewesen u. im Interesse von Frau Bertsch zu intervenieren, da diese sich wegen der Beschlagnahmung der Hausschlachtungen beklagt hatte. Herr Dr. H. war mit Herrn S. zu Frau B. gegangen u. da hatte sich dann ergeben, daß Frau B. ganz gewaltige Mengen von Hamsterwaren besaß. Herr Dr. H. hat diese Sachen sofort beschlagnahmt. Ich werde die Sachen heute von Spangenberg abfahren lassen.

     In der Nacht sollen sehr viele Einbrüche vorgekommen sein, es scheint so, als ob da eine organisierte Räuberbande am Werke wäre. [...]

[4]
Dienstag, 10. Juli 1945.     

[4]      Gestern Nachmittag waren wiederum Herr Harder u. sein Genosse im Dorf u. machten Haussuchung. Bei Bertsch wurde nochmals nachgesucht u. viel beschlagnahmt. Es gab dann eine kleine dramatische Zuspitzung, da unser Michael sich einmischte u. verhindern wollte, daß von diesen zuletzt beschlagnahmten Sachen einiges nach Wustrow ging. Es gelang ihm jedoch nicht, auch er ließ sich dumm machen von Dr. Hoffmann, der dabei war. [...]

[4]
Mittwoch 11. Juli 1945     

[4]      Wie ich erst später feststellte, haben Dr. Hoffmann + Herr Harder mich wiederum betrogen. Die ganzen Sachen, die bei der zweiten Durchsuchung bei Bertsch gefunden, worden waren, sind wieder restlos nach Wustrow gekommen, ohne daß wir auch nur das geringste behalten hätten. Im Gegenteil: es wurden noch von dem Mehl, was wir schon hatten, noch 60 Pfd. abgewogen u. mitgenommen. [5] Ich habe mich dumm machen lassen, denn ich bin gegen die Gerissenheit dieser Gauner machtlos. Aber auch sonst hätte ich vielleicht nichts machen können, da ich mich mit Dr. H. ja gut stellen muß, damit er sich um die Lebensmittel-Anfuhr bemüht. – In der Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ich mich über diesen neuen Betrug ärgerte. [...]

[5] Heute früh, als ich zum Amt ging, traf ich Herrn Damm, der mir die Neuigkeit brachte, daß Harder gestern in Wustrow auf der Straße erschossen worden sei. Etwas später kam Gläser, u. brachte mir einen ärztlichen Bericht, den er für die russische Kommandantur übersetzen soll. Denmach ist Harder gestern Nachmittag von einem gewissen Harry Grubach aus zwei Schritt Entfernung in den Leib geschossen worden. Man hat ihn nach Rostock in die Klinik gebracht, aber nach dem ärztl. Bericht kann man nicht damit rechnen, daß er mit dem Leben davon kommt. Ein großer Halunke ist damit weniger u. Dr. H. soll sich sehr hüten, daß es ihm nicht ähnlich geht, die Schiebereien dieses Mannes bilden überall das Dorfgespräch sowohl hier, wie in Althagen.

Herr Dr. Ziel kam in dieser Angelegenheit zu mir. Er erzählte mir von der Wut der Leute auf Dr. H. u. deutete an, daß diese Wut sich leicht gegen mich richten könne, da ich mich von ihm hätte betrügen lassen. Ich erwiderte ihm, daß ich im Kampf gegen Schieber tatsächlich machtlos wäre. Wenn die Gemeinde mir das zum Vorwurf machen sollte, dann müßte sie sich eben einen anderen Bürgermeister suchen, der mit den Praktiken der Schieber besser vertraut ist, als ich. – [...]

[6]
Freitag, 13 Juli 1945.     

[6]      Gestern entschloß ich mich, nach Wustrow zum Kommandanten zu fahren, um ihm die Ernährungslage in Ahrenshoop darzustellen. Frau Marie Seeberg fuhr mit als Dolmetscherin u. auch Martha kam mit, weil sie sich das Entbindungsheim ansehen wollte. Wir fuhren mit Spangenberg im Kastenwagen mit einem Pferd.

     Beim Kommandanten waren Dr. Hoffmann u. der Genosse des Herrn Harder zugegen. Der Kommandant meinte, Ahrenshoop gehöre zu Pommern u. müsse sich selbst ernähren, – nachdem es doch bisher immer geheißen hat Ahrenshoop gehöre zu Mecklenburg. Ich wurde darüber ziemlich erregt u. rief, daß Herr Dr. H. bisher immer erklärt hätte, wir gehörten zu Mecklenbg. Er bestätigte das mit der Einschränkung: „wirtschaftlich“. Ich sprach weiter mit erhobener Stimme, sodaß der Kommandant mich auffordern ließ, leiser zu sprechen. Das Ergebnis der ganzen Sache war dann, daß er mir schriftlich die Berechtigung auf 20 kg. Butter aus der Molkerei gab. Außerdem gelang es mir, für den Schlachter Leplow einen Passierschein von 4 wöchentl. Gültigkeit zu bekommen, ebenso für mich selbst, wie auch für Frau Seeberg. Vor allem setzte ich durch, daß der LKW morgen den ganzen Tag für die Gemeinde fahren kann. Ich werde dann wieder mitfahren nach Ribnitz, um Kartoffeln zu kaufen, – ich hoffe, daß wir 2 mal, vielleicht gar 3 mal hin u. zurück fahren können.

     Inzwischen ist es Dr. Hoffmann gelungen, unseren Fahrer Butt zu beschuldigen, daß er Sabotage triebe. Die Batterie des Wagens war nämlich nach Ribnitz gebracht worden zum Aufladen u. Richter, der Fahrer des zweiten Wagens, hatte die Batterie dann vertauscht mit einer anderen, die nicht funktionierte, sodaß unser Wagen drei Tage lang nicht fahrbereit war. Dr. H. hat nun einen anderen Fahrer angestellt, was vielleicht der erste Schritt dazu sein soll, den Wagen ganz an sich zu bringen. Herr Dr. H. spielt da ein gewagtes Spiel. Ich habe in Wustrow beim Bürgermeister Hallier festgestellt, daß die Waren, die bei Frau Bertsch beschlagnahmt u. von hier abgefahren worden sind, angeblich, um in Wustrow u. Althagen verteilt zu werden, dort nicht verteilt worden sind. Von Bauer Nagel, der die Sachen gefahren hat, höre ich, daß alles in eine Garage in Wustrow abgeladen worden ist. – Herr Hallier, der sich von dieser Schieberbande mindestens ebenso betrogen fühlt wie ich, beklagte sich sehr u. behauptete, daß Herr Dr. H. früher in Berlin ein Parteianwalt gewesen wäre. – Herr Dr. Meyer, der mich ebenfalls in Wustrow begrüßte, sprach von all diesen Leuten dort als von einem Schieber=Konzern.

[6]
Montag, 16. Juli 1945.     

[6]      Am Sonnabend fuhr ich wieder nach Wustrow, weil mir ja der LKW. für den ganzen Tag versprochen war. [...]

[7] Ich hatte Leplow mitgenommen, um den Vieheinkauf zu klären, aber die Verhandlung mit dem Bürgermeister u. seinem landwirtschaftl. Sachbearbeiter verlief ganz ergebnislos. Dieser Bürgermeister ist ein Knoten. Die Leute lassen kein Stuck Vieh aus ihrem Bebiet heraus. Es wird nichts weiter übrig bleiben, als nach Barth zu fahren u. zu versuchen, dem Damgartner Versorgungsgebiet angegliedert zu werden. Wir fuhren dann zurück nach Ribnitz u. luden 60 Centner Kartoffeln auf bei Reiffeisen, alles in größter Hast, dann zurück nach Wustrow wo ich in der Molkerei noch 20 kg. Butter bekam u. dann nach Ahrenshoop zurück. Der LKW. ist dann tatsächlich pünktlich um 1 Uhr wieder in Wustrow gewesen. Es gelang mir dann noch, 20 Centner Kartoffeln von Dillwitz in Althagen dazu zu bekommen, sodaß nun endlich einmal wirklich alle Leute je 10 Pfd. Kartoffeln bekommen konnten.

     Am Sonntag morgen kam Herr Damm u. erzählte mir, daß Dr. Hoffmann mit Frau, Herr Soehlke u. Frau u. Kinder u. Frau Kuhnke mit Kindern in der Morgenfrühe mit dem Richterschen Wagen nach Berlin abgefahren sein sollten. Tatsächlich waren am Sonnabend Nachmittag Frau Soehlke u. Frau Kuhnke bei uns gewesen um sich zu verabschieden, – sie wollten nach Berlin fahren am Sonntag oder Montag. In der ganzen Gegend ging nun das Gerücht, Herr Dr. H. sei getürmt. Offenbar muß er aber vorher selbst gesagt haben, daß er für 10 Tage nach Berlin auf Urlaub führe. Mir hat er zwar davon kein Wort gesagt, aber den jüngeren Dr. Grantz hat er gebeten, ihn beim Kommandanten zu vertreten. Ich kann mir nicht gut denken, daß Dr. H. wieder zurück kommt, der Boden ist ihm wohl zu heiß geworden. Wir sind damit einen üblen Schieber los, müssen uns nun zwar selbst mehr um die Ernährungsfragen kümmern oder vielmehr, ich bin nun ganz auf mich selbst angewiesen in diesem Punkt, aber Herr Dr. H. hat ja so wie so in dieser Sache nicht mehr viel getan. Seine Tatigkeit bestand in der Hauptsache darin, für den Kommandanten Schnaps u. für sich selbst Lebensmittel zu organisieren.

[8]      Heute Morgen fand die feierliche Eröffnung der Oberstufe der Schule statt, die Herr Schulrat Zelk eingerichtet hat u. von der 32 Kinder in 3 Klassen erfaßt werden. Der Akt fand im Hause der Frau Geheimrt. Mietke in Althagen statt. Da Herr Ziel sich eifrig um die Sache bemüht hatte, mußte die unvermeidliche Frau Richter-Langner sich als Sängerin produzieren, aber sonst verlief die Sache ohne Zwischenfall. Herr Zelk hielt eine sachliche u. gute Rede. Alle Lehrkräfte sind aus Ahrenshoop. – [...]

[8]
Dienstag 17. Juli 1945.     

[8]      Heute früh fuhr ich zusammen mit dem Förster Damm auf Spangenbergs Kastenwagen nach Born, um auf dem Forstamt mit Herrn Mett über Holzlieferung zu verhandeln. Da wir mit dem einen Pferd nur im Schritt fahren konnten, dauerte es zwei volle Stunden, bis wir dort waren. Ich war also 4 Stunden unterwegs. Der Weg durch den Darss liegt immer noch voll von verbrannten Autos der SS, Stahlhelme u.a. Ausrüstungen. Es ist ein trostloser Anblick [...]

[8]      Mittags hörte ich dann von Martha, daß auf der Batterie ein neuer Kommandant eingetroffen sein soll, der mir heute Morgen einen Besuch machen wollte. In der Nacht ist wieder viel eingebrochen u. gestohlen worden, das deutet auf Abrücken der Truppe hin.

[8]
Mittwoch, 18. Juli 1945.     

[8] In Wustrow sind gestern dramatische Ereignisse gewesen. Man soll beim Bürgermeister Hallier ganz gewaltige Hamster Vorräte gefunden haben. Der Bürgermeister selbst soll verhaftet worden sein u. seine Frau soll ins Wasser gegangen sein, doch soll man sie noch rechtzeitig herausgezogen haben.

[9]
Freitag, 20. Juli 1945.     

[9]      Gestern früh war unser LKW. frei u. ich fuhr mit nach Ribnitz, um mit dem Bürgermeister u. dem Kommandanten zu verhandeln. [...]

[9]      Der Bürgermeister erzählte mir, daß zwei Tage vorher ein Herr bei ihm gewesen wäre, der sich Bezirksbürgermeister von Wustrow, Althagen u. Ahrenshoop genannt habe. Dieser Herr habe sich jedoch bei ihm u. beim Kommandanten so flegelhaft benommen, daß der Kommandant ihn hatte stehen lassen. Dieser Herr kann nur der jüngere Dr. Grantz gewesen sein, von dem ich gehört habe, daß er Dr. Hoffmann während seines Urlaubs vertritt. Es ist ja bezeichnend, daß er sich einfach den Titel eines Bezirksbürgermeisters anmaßt, wozu er selbst dann kein Recht hätte, wenn Dr. Hoffmann diesen Titel führen dürfte, was aber garnicht der Fall ist. [...]

[10]
Montag, 23. Juli 1945.     

[...] [10]      Am Sonntag habe ich zum ersten Male nach der Andacht ein Kind getauft. Es war ein uneheliches Kind einer Flüchtlingin aus dem Osten. Die junge Mutter wohnt mit ihrer Mutter in Althagen. Diese erste Taufhandlung hat mich sehr bewegt. Ich habe sie so feierlich wie möglich gestaltet. [...]

[10]
Dienstag, 24. Juli 1945.     

[10]      Gestern Abend kam der Kommandant aus Althagen, nachdem er sich vorher angemeldet hatte. Er brachte sich den Dolmetscher Daschewsky mit, ich hatte Dr. Hahn mit seinen Arbeitslisten beordert, denn der Kommandant hatte sich beklagt, daß der Arbeitseinsatz nicht klappte. Er forderte für die nächsten Tage 40 Arbeitskräfte an, Männer u. Frauen, die Erdarbeiten machen sollen. Es handelt sich um Bunker oder Erdstellungen, die z. Zt. auch in Wustrow gebaut werden u. über deren Zweck kein Mensch etwas weiß. Selbst unser kleines Kosackenkommando im Hause Monheim hat 4 Leute angefordert, um solche Arbeiten zu machen. Die Arbeiten sollen mit allergrößter Beschleunigung durchgeführt werden, weil die Arbeitskräfte dann, wie der Kommandant sagt, für die Erntearbeiten frei sein sollen; aber in Wustrow soll ein Anschlag zu lesen sein, nach welchem alle Flüchtlinge u. Evakuierten den Ort innerhalb von 3 Tagen zu verlassen haben. [...]

[11]      Hagedorn sollte gestern in Born über Fischlieferung verhandeln. Es schien so, als könnten wir dort Fische bekommen, um sie nach Ribnitz zu liefern; aber er kam Abends zurück ohne Erfolg. Die Russen holen auch dort alle Fische fort. Heute früh ist der LKW. wieder nach Ribnitz unterwegs, weil es heißt, wir könnten nun doch Mehl bekommen auch ohne Fische. Unser Brot reicht nur noch einige Tage.

     Ich fange an, müde zu werden. Die Schwierigkeiten sind zu groß, teilweise unlösbar u. alles sieht oft ausweglos aus. Gestern hieß es im Radio, daß demnächst die Grenzen zwischen den einzelnen Besatzungszonen geöffnet werden sollten, sodaß wir dann wenigstens die West-Flüchtlinge los werden könnten. Die Ost-Flüchtlinge los zu werden, ist ja garkeine Aussicht, – wir können im Gegenteil froh sein, wenn wir von dort nicht neue Flüchtlinge bekommen, nachdem die Polen ganz Pommern bis zur Oder einschl. Stettin verlangen u. dort alle Deutschen hinauswerfen werden. [...]

[11]
Mittwoch, 25. Juli 1945.     

[...] [11]      Um die Mittagszeit war der Bürgermeister von Born bei mir. Er erzählte mir Wunderdinge. In Born gibt es keine Requisitionen. Wenn die Russen etwas brauchen, kaufen sie es gegen Geld zu normalen Preisen u. sogar die Arbeitskräfte, die sie anfordern, bezahlen sie. Der Kreiskommandant in Barth läßt alle 4 Wochen die Bürgermeister zur Besprechung zu sich kommen u. lädt sie dann zum Mittagessen ein. In Born fehlt noch keine Kuh u. kein Pferd u. kein Möbelstück oder sonst irgendetwas. Es ist kaum zu glauben. – [...]

[12]
Donnerstag, 26. Juli 1945.     

[12]      Der Tag gestern verlief, abgesehen vom Vormittag, ziemlich ereignislos. Gott sei Dank! Das Wetter ist heute auch wieder besser, nachdem wir einige kalte Sturmtage gehabt hatten, durch die der Garten arg mitgenommen worden ist. Viele Dahlien, die in diesem Jahre besonders kräftig gediehen waren, liegen am Boden. Den Tomaten hat der Sturm nichts geschadet, auch sie sind in diesem Jahre besonders kräftig. Ueberhaupt steht draußen alles besonders schön u. man könnte sich des Lebens freuen, wenn die Russen nicht wären. [...]

[13]
Freitag, 27. Juli 1945.     

[13]      Gestern Abend sagte mir Gretl Neumann, die gegen 11 Uhr abends von Dr. Grantz kam, daß am Montag früh 9 Uhr ein Dampfer für Ahrenshooper Flüchtlinge ab Wustrow fährt. Nichts ist dafür vorbereitet. Es werden sich kaum viele finden, die den Dampfer benutzen werden. Leerlauf! Leerlauf! [...]

[13]
Sonnabend, 28. Juli 1945.     

[...] [13]      Gestern brachte ein Bote Post aus Born mit allerhand Rundschreiben u. Fragebogen vom Landrat u. einigen Briefen vom Bürgermeister in Prerow, der jetzt als Bezirksbürgermeister über Zingst, Prerow, Müggenburg, Wiek, Born u. Ahrenshoop eingesetzt ist. Es herrscht nach wie vor völlige Unklarheit, wohin Ahrenshoop nun eigentlich gehört. – [...]

[13] Herr Wiethuchter hat sich in Verhandlungen mit der Wustrower Molkerei [14] sehr verdient gemacht. Wir bekommen jetzt täglich wieder 50 ltr. Magermilch von dort. Ich habe Frau Hoppe beauftragt, den Milchverkauf in ihrem Laden zu übernehmen. Herr Wiethuchter u. Herr Grantz haben auch mit dem neuen Wustrower Bürgermeister Brüssow gesprochen. Es scheint so, als gäbe sich dieser Mühe, mit mir gut zu stehen. [...]

[14]
Montag, 30. Juli 1945.     

[14]      Gestern Nachmittag waren Martha u. ich beim Kommandanten in Althagen zum essen eingeladen. Es war eine ziemlich unmögliche Sache. Schon der Zeitpunkt: um 1/2 4 Uhr. Wir kamen sehr hungrig hin. Der Herr Kommandant hatte auf seinem Bett gelegen u. geschlafen. Er hatte – Gott sei Dank! – Hosen an, sonst aber war er in Hemdsärmeln u. grauen Wollsocken. Er zog sich im Laufe der Zeit wenigstens den Rock an, wenn er ihn auch offen stehen ließ. Frau Kahl u. Herr Daschewski kamen ebenfalls. Das Essen, an dem der Oberleutnant selbst nicht teilnahm, da er bereits gegessen hatte, bestand aus einer sehr fetten Brühe mit Gemüse u. Fleisch darin, sodann aus einem Schlag Quetschkartoffeln mit großen Fleischstücken, die herunterzuschlingen Mühe machte, da es keine Messer gab mit denen man sie hätte zerkleinern können. Außerdem stand das bei den Russen unerläßliche Brot auf dem Tisch, dazu je ein Teller mit aufgeschnittener Mettwurst u. in Würfel geschnittenem, geräucherten Schweinefett. Unter dem Sofa holte der Herr Oberleutnant eine Flasche Weißwein hervor, die wir in verschiedene Gläser schenkten. Wir selbst brachten ihm eine Blumenvase mit Blumen mit, zwei Porzellantassen, einen Thermometer u. eine kleine Tischdecke. Er freute sich zu all dem sehr u. gab sich große Mühe, die Mängel seiner Bewirtung zu entschuldigen. [...]

[14] Der Oberleutnant ist ein sehr gutwilliger u. sehr bescheidener Mann ohne Bildung. Er ist sehr pflichteifrig u. man kann gut mit ihm auskommen. Er verlangt nichts Unmögliches u. hat den Willen, gerecht zu sein [...]

[14]
Dienstag 31. Juli 1945.     

[14]      Gestern Abend brachte der Unteroffizier der Batterie ein großes Stück Fleisch u. mehrere Brote als Bezahlung für Kleidungsstücke, die ihm in der Schneiderstube gemacht worden waren. Martha war leider nicht da, sie war beim russ. Unterricht. Der Unteroffizier ging gleich von hinten her ins Haus u. legte das Fleisch ohne mein Wissen in die Küche, während ich selbst vorn vor dem Hause saß u. mit dem anderen Unteroffizier sprach, der immer die Arbeitskräfte anfordert. Der erste kam dann von hinten her zurück u. trug einen leeren Sack. Er ging an mir vorbei zur Gartentür zum Wagen, mit dem er gekommen war. Hinter ihm her kam dann noch ein Hilfspolizist mit roter Armbinde, den ich nicht kenne. Er sagte zu mir: „Das ist ja gut: bei uns in Althagen werden jede Woche drei Schweine requiriert u. das Fleisch kommt zum Bürgermeister von Ahrenshoop.“ – Da ich nichts von dem Fleisch gesehen hatte, wußte ich nicht, was der Mann [15] meinte, jedoch ahnte ich wohl, daß der Unteroffizier Fleisch gebracht hätte als Bezahlung gegen Kleidungsstücke, die er aus der Schneiderstube erhalten hatte. So war es auch in der Tat. Ich versuchte, dem Polizisten dies klar zu machen u. ich sagte ihm, daß dieses Fleisch nicht mein Besitz sei, wenn es auch vielleicht in meiner Küche abgeladen worden sei. Dort wird das Fleisch nur verteilt an diejenigen, die für die Russen gearbeitet haben u. die Hauptsache kommt in die Notküche zur Verteilung an die Bedürftigen. Der Mann hörte zum Glück zu u. ließ sich wohl auch von der Wahrheit überzeugen, dennoch war diese Sache sehr unangenehm. Es ist gut möglich, daß daraus übler Klatsch entsteht. [...]

[15]      Abends kam Gretl Neumann aus Ribnitz zurück, wo sie gut für uns gearbeitet hatte. Es war ein Dampfer bis Althagen gefahren u. hatte allerhand Lebensmittel gebracht. Darunter war auch Grütze. Wir, bzw. Paul, errechnete die Verteilung u. wir kamen überein, jedem Kinde bis zu 10 Jahren 2 Pfd. Grütze zuzubilligen. Ein kleiner Rest bleibt dann noch für alte u. kranke Leute. Darob heute große Aufregung bei einigen Weibern, die keine kleinen Kinder haben. Es fällt manchmal sehr schwer, die Ruhe zu bewahren.

     Ein Leutnant aus Zingst war Mittags hier u. wollte Teller, Tassen u. Gläser requirieren. Ich versprach, ihm die Sachen u. er versprach mir dafür, mich nach Barth u. zurück zu fahren. [...]