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Artikel „Wyck, Johann von der“ von Wilhelm von Bippen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 381–382, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wyck,_Johann_von_der&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 06:15 Uhr UTC)
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Wyck: Johann von der W., Jurist und Staatsmann des Reformationszeitalters. Nur über die letzten sechs Jahre seines Lebens sind wir ziemlich gut unterrichtet, aber das wenige, was wir über ihn wissen, kennzeichnet ihn als eine bedeutende Persönlichkeit. Er entstammte einer erbmännischen Familie der Stadt Münster i. W. Sein Geburtsjahr ist unbekannt. Wir finden ihn zuerst im Anfange des Jahres 1515 in Rom, im Kreise der Männer, die in der Sache Reuchlin’s die freie geistige Bildung gegen pfäffische Beschränktheit vertheidigten. Er war von Reuchlin zu seinem ersten Anwalte vor der römischen Curie bestellt und hat von diesem in einem Briefe an Leo X. das Lob eines ausgezeichnet rechtskundigen und scharfsinnigen Mannes erhalten. Mehrfache Erwähnungen in den Briefen der Dunkelmänner zeigen, daß Wyck’s Name unter den deutschen Humanisten einen guten Klang hatte. Bis zum Sommer 1518 ist er jedenfalls in Rom geblieben. Dann entschwindet er für zehn Jahre unseren Blicken, um erst 1528 als Syndicus des Raths der Stadt Bremen wieder aufzutauchen. Er hatte inzwischen der Reformation sich zugewandt und ist fortan bis an seinen Tod einer ihrer eifrigsten Verfechter geblieben. Er fand in Bremen die kirchliche Reformation fast völlig durchgeführt, aber die Stadt politisch isolirt. Er war es, der ihre Beziehungen zu den fürstlichen Führern der evangelischen Partei anknüpfte und den Anschluß der Stadt an den schmalkaldischen Bund bewirkte. Auch hat er schon im Herbst 1529 an das Reichskammergericht und an das Reichsregiment den in der damaligen Weltlage sehr auffallenden Antrag gerichtet, Bremen in kaiserlicher Majestät und des h. Reichs Verspruch, Schutz und Schirm zu nehmen und für eine Stadt des h. Reichs zu halten. Es geschah in der unleidlichen Stellung, in die die Stadt sich durch den Speierischen Reichstagsabschied und die auf Grund dieses Abschiedes vom Erzbischof Christoph gegen sie erhobenen Klagen versetzt sah. Wie sollte sie dem Fürsten, dessen weltlicher Gewalt sie sich nahezu völlig entzogen hatte, in geistlichen Dingen gehorchen, in denen die Ueberzeugung der ungeheuren Mehrheit der Bürger von der des streng altgläubigen Erzbischofs durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt war? Man kann sich schwer überzeugen, daß W. sich Hoffnung machte, mit dem Antrage auf Reichsunmittelbarkeit eben jetzt durchzudringen. Ihm lag vermuthlich nur daran, durch die Motive des Antrags die thatsächliche Unabhängigkeit Bremens und die Unmöglichkeit, dem Speierischen Abschiede nachzuleben, den Reichsgewalten darzuthun. Immerhin ist es denkwürdig, [382] daß W. so rasch die politische Consequenz aus der neuen religiösen Stellung Bremens gezogen hat. Merkwürdig ist auch, daß W. schon 1529, geradeso wie die mitteldeutschen Juristen und Theologen, mit der Frage sich beschäftigt hat, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Widerstand zu leisten? Sein Memorial, daß im Gegensatze zu Luther’s Auffassung sich für die Statthaftigkeit des Widerstandes aussprach, ist später von Georg Spalatin in deutscher Uebersetzung veröffentlicht worden. Im December 1530 sandte der Rath W. mit unbeschränkter Vollmacht nach Schmalkalden. Er hat die denkwürdigen Tage des Jahresschlusses dort miterlebt und hat bewirkt, daß Bremen, neben Magdeburg bekanntlich die einzige Stadt, gleich von Anbeginn dem evangelischen Bündnisse beitrat. Er hat von da an an einer Reihe allgemeiner Bundestage und particularer Versammlungen der Schmalkaldener theilgenommen. Er war im März und April 1531 zum zweiten Male in Schmalkalden, im Juni und wieder im December desselben Jahres in Frankfurt, im Februar und im November 1532 in Braunschweig, im Januar des folgenden Jahres in Höxter und nochmals im Juni 1533 in Schmalkalden. Welchen Werth man auf seinen Eifer und seine juristische Sachkunde legte, ergibt sich daraus, daß man ihn auf dem ersten Frankfurter Tage zum Anwalt der evangelischen Stände des sächsischen Kreises beim Reichskammergerichte machen wollte. Er lehnte indes ab, weil er den bremischen Dienst eben jetzt nicht verlassen wollte und konnte. Im J. 1532 hat er im Auftrage des Herzogs Ernst von Lüneburg am Reichstage zu Regensburg theilgenommen und den ersten Religionsfrieden Namens des Herzogs und der Stadt Bremen unterzeichnet. Im Herbste desselben Jahres trat er in neue Beziehungen zu seiner Vaterstadt Münster, die in ihrem Kampfe gegen Bischof und Domcapitel seines Rathes sich zu bedienen wünschte und ihm die Stelle eines Syndicus anbot. Er schlug den Antrag nicht ab, erbat sich aber Frist, da er zur Zeit noch mit dem bremischen Reichskammergerichtsproceß gegen den Erzbischof beschäftigt sei. Als er aber im Januar des folgenden Jahres auf Wunsch des Landgrafen Philipp von Höxter aus nach Münster ging, um an dem Friedenswerke dort mitzuarbeiten und dem Rathe, der schon ein fast willenloses Werkzeug ehrgeiziger Volksführer geworden war, beizustehen, nahm er die förmliche Bestallung zum Syndicus an, ohne zuvor die Entlassung aus seinem bremischen Dienste nachgesucht oder erhalten zu haben. Im April 1533 war er nochmals in Bremen, und nahm, wie erwähnt, im Juni desselben Jahres noch einmal für Bremen an dem Bundestage in Schmalkalden Theil. Seine Wirksamkeit in Münster wurde durch die unaufhaltsame Entwicklung der Dinge zum wiedertäuferischen Radicalismus völlig gelähmt, und sein schon 1532 in Braunschweig vorgetragener Wunsch, daß auch Münster in den schmalkaldischen Bund aufgenommen werden möchte, natürlich vereitelt. Ende April 1534 entfloh er aus Münster und machte sich wieder auf den Weg nach Bremen. Da fiel er in dem Städtchen Fürstenau dem bischöflichen Drosten in die Hände, der ihn, wie man annahm, auf Befehl des Bischofs Franz von Münster, man weiß nicht mehr aus welchen Gründen, unverhört und unverurtheilt im Gefängniß des dortigen Schlosses niedermachen ließ. Herzog Ernst schrieb voll tiefer Betrübniß an den Kurfürsten Johann Friedrich: „und ist wahrlich hoch erbärmlich, daß der fromme ehrliche Mann, der Euer Liebden und allen evangelischen Ständen also getreu, daß er also jämmerlich unverklagt und also insgeheim seines Lebens beraubt“.

Ueber seine römische Zeit Geiger, Johann Reuchlin 1871, Buch 3, Kap. 4; über seine spätere Wirksamkeit W. v. Bippen, Aus Bremens Vorzeit 1885, S. 115 ff., und desselben Geschichte der Stadt Bremen, 1895, Bd. 2, S. 45 ff. u. 91 ff. – Im Bremisch. Jahrbuch, Serie 2, Bd. 1, 1885 sind mehrere Schreiben v. d. Wyck’s abgedruckt.