ADB:Witzleben, Cäsar Dietrich von

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Artikel „Witzleben, Cäsar Dietrich von“ von Woldemar Lippert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 667–669, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Witzleben,_C%C3%A4sar_Dietrich_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:53 Uhr UTC)
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Witzleben: Cäsar Dietrich von W., sächsischer Publicist und Historiker. Geboren am 4. December 1823 zu Kamenz in der Oberlausitz als ältester Sohn des sächsischen Premierlieutenants Gustav Wilhelm Dietrich v. W. (geboren am 26. December 1793, † am 3. December 1866, dem Hause Witzleben-Wendelstein und zwar dem Rothenhöfischen Zweig der neuen Wolmirstedter Linie angehörig) und der Karoline von Prittwitz-Gaffron (geboren 1787, † 1839), verlebte W. seine Kindheit in Kamenz, seit 1828 in Rochlitz und Dresden, und erhielt seinen ersten Unterricht mit seinen Geschwistern, dem 1897 als Oberlandforstmeister verstorbenen Bruder Oskar und einer Schwester, durch einen Hauslehrer. Vom April 1837 an besuchte er die von seinen Ahnen gestiftete und noch unter der Erbadministration eines Mitgliedes der Familie stehende Klosterschule Roßleben an der Unstrut, die er im December 1841 verließ; sein Maturitätsexamen soll er an der Kreuzschule zu Dresden abgelegt haben. Bis 1845 studirte er hierauf an der Landesuniversität Leipzig Rechts- und Staatswissenschaft. Während seiner Studienzeit und seines juristischen Vorbereitungsdienstes beim Leipziger Kreisamt und einem Rechtsanwalt zu Bautzen machte er zu seiner Ausbildung Reisen nach Belgien und den Niederlanden, in späteren Jahren auch nach Frankreich, der Schweiz und Italien. Als Student hatte er den akademischen Preis für die beste Abhandlung über das Thema „Welche Grenzen die Volksrepräsentation in der constitutionellen Monarchie einhalten müsse, wenn der Staat nicht den Charakter einer Monarchie verlieren solle“, erhalten. Diese Preisarbeit ließ er, bedeutend erweitert und vertieft, unter dem Titel „Die Grenzen der Volksrepräsentation in der constitutionellen Monarchie. Ein Versuch im Gebiete des constitutionellen Staatrechts“ (Leipzig 1847), als Buch erscheinen; sie ist beachtenswerth durch die bei aller gut monarchischen Gesinnung freimüthige Art, mit welcher diese damals im Mittelpunkt des allgemeinsten Interesses stehenden Fragen behandelt werden, besonders auch durch das Eintreten für eine zwar nicht schrankenlose, sondern durch Preßgesetz, nicht Censur, geregelte, aber doch thunlichst große Preßfreiheit. Außer Artikeln in staatswissenschaftlichen, nationalökonomischen und politischen Zeitschriften veröffentlichte er in diesen Jahren noch Schriften über „Die Hauptquellen des Pauperismus“, und über „Die Gesetze vom 15. November 1848 und ihre verfassungsmäßige Bedeutung“. 1846 hatte er die zweite Prüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden und war am 15. November 1847 als Accesist bei der Kreisdirection zu Bautzen angetreten. Auch bei seiner Ernennung zum Referendar am 1. Januar 1850 blieb er formell dieser Behörde zugetheilt, obwol er bereits seit dem 4. Juni 1849 nach Dresden in das Ministerium des Innern berufen war. Wie in Bautzen, erwarb er sich auch in der neuen Stellung als Ministerialhülfsarbeiter, seit 1852 Ministerialreferendar, durch seine – wie der Minister Ferdinand v. Beust schreibt – gediegene wissenschaftliche und geschäftliche Bildung, seine erfolgreiche Thätigkeit besonders in Preßangelegenheiten und seine sittliche und politische Haltung die Anerkennung seiner Vorgesetzten und wurde daher am 22. März 1853 vom 1. April ab zum Supernumerar-Regierungsrath bei dem Ministerium des Innern ernannt. Zu seinen Specialaufgaben gehörte, neben dem Referat über Preßsachen im Allgemeinen, insbesondere seit 1851 das Commissariat über das officielle Regierungsorgan, das „Dresdner Journal“. Am 22. Juli 1855 erfolgte seine Beförderung zum Regierungsrath als Mitglied der Kreisdirection zu Zwickau, doch bekleidete er diesen Posten nur ein [668] Jahr; denn schon am 18. August 1856 schlug, mit Rücksicht auf seine frühere Beschäftigung mit Preßangelegenheiten und daher wol auch im Einklang mit Witzleben’s eigenen Neigungen, Beust ihn dem Könige in einem längeren, für W. sehr günstigen Berichte als königlichen Commissar für die Leipziger Zeitung vor. Am 1. October 1856 trat W., der zugleich als Mitglied der Leipziger Kreisdirection zugetheilt ward, das Amt an. Diese älteste sächsische, seit 1660 ununterbrochen erscheinende Zeitung war anfänglich an den kurfürstlichen Postmeister zu Leipzig, dann, von der Post losgelöst, als selbständiges Unternehmen von der Regierung verpachtet worden, seit 1831 jedoch ging sie in unmittelbare fiskalische Verwaltung über. Die Regierung ernannte den für seine Wirksamkeit ihr verantwortlichen Redacteur und ließ für die Zeitung durch einen bestimmten Beamten die für geeignet befundenen Artikel über innere Landesangelegenheiten aus den Mittheilungen der einzelnen Behörden zusammenstellen. Als aber im „Dresdner Journal“ (s. oben) ein besonderes officielles Organ erstand, wurde die Leipziger Zeitung selbständiger gemacht; der Redacteur war vom Ministerium des Innern fest angestellt und mußte ihm zugesandte Regierungsartikel unverändert abdrucken, im übrigen sollte die Zeitung unabhängig und nicht verpflichtet sein, in ihren Orginaltiteln unbedingt nur die Ansicht der Regierung in der betreffenden Frage zu vertreten; sie sollte kein specifisches Regierungsblatt, sondern nur ein Regierungsunternehmen sein, bestimmt, ein beachtenswerthes, einflußreiches Organ zur Vertretung der conservativen Interessen zu schaffen. Die Oberleitung besorgte seit 1854 der vom Ministerium bestellte „königliche Commissar für die Angelegenheiten der Leipziger Zeitung“. Diese Verhältnisse waren hier kurz mit zu skizziren, um ein Verständniß der Stellung zu ermöglichen, die W. jetzt übernahm. Die Aufgabe war eigenartig und nicht leicht, sie verlangte Vorsicht und Mäßigung, politische, wissenschaftliche und geschäftliche Erfahrung; feste Dienstvorschriften ließen sich der Natur der Sache noch gar nicht geben, vieles, fast das meiste war dem persönlichen Takt und eignen Urtheil des Commissars überlassen, wobei dem neuen Inhaber der Stelle auch nicht etwaige, durch bisherigen längeren Gebrauch herausgebildete Gepflogenheiten zur Richtschnur dienen konnten, da die Einrichtung erst seit zwei Jahren bestand und der vorige Commissar, wie Beust’s oben erwähnter Bericht vom 18. August 1856 erkennen läßt, sich für diese Thätigkeit minder als für den Verwaltungsdienst geeignet erwiesen hatte. W. bemühte sich, die Originalität und Vielseitigkeit des Blattes zu heben, erweiterte den Kreis der Correspondenten und Mitarbeiter, trug für geeignete Leitartikel Sorge, wobei ein Hervortreten officieller oder officiöser Schreibweise möglichst vermieden wurde. Bei dem zweihundertjährigen Jubiläum der Zeitung wurde er auch ihr Geschichtsschreiber, 1860 erschien zu Leipzig seine „Geschichte der Leipziger Zeitung“. In den Jahren der Neugestaltung Deutschlands, besonders während des Jahres 1866 war seine Stellung, infolge der nicht sehr sächsisch-loyalen, politischen Haltung, die damals vielfach in Leipzig vorherrschte, schwierig, doch verstand er es, die Interessen der Regierung in taktvoller, ehrenhafter Weise zu vertreten, ohne in persönliche Conflicte zu gerathen. Gegen Ende der sechziger Jahre wandte er sich mit Eifer archivalischen Studien aus der neuesten Geschichte zu, deren Ergebnisse er in interessanten Aufsätzen des Weber’schen Archivs für die sächsische Geschichte veröffentlichte. Im J. 1868 erschien seine Studie über „die Verhandlungen über den Norddeutschen Bund, Juli bis October 1806“, worin er sich mit Erfolg bemühte, Sachsens Politik gegen die in den Schriften von Adolf Schmidt und Rudolf Usinger vertretene Auffassung zu vertheidigen, 1869 folgte „Julius Traugott von Könneritz, königlich sächsischer Staatsminister“, worin er sich der Erforschung der jüngsten Periode sächsischer Geschichte seit Erlaß der Constitution [669] zuwandte. Dieser Zeit blieb er auch in seinen folgenden Arbeiten treu: 1874 schrieb er eine Abhandlung über „Heinrich Anton v. Zeschau“, eine Lebensskizze des ersten constitutionellen Finanzministers Sachsens, seit 1835–1849 auch Ministers des Auswärtigen und 1849 sächsischen Vertreters im Verwaltunsrath des Dreikönigsbündnisses, wodurch die Arbeit, die noch im selben Jahre in ausführlicherer Gestalt als selbständiges Werk „Heinrich Anton v. Zeschau. Sein Leben und öffentliches Wirken“ (Leipzig 1874) erschien, auch für die außersächsische Geschichte von Bedeutung ist. Auch ein Lebensabriß des sächsichen Ministers und bekannten Historikers der Völkerwanderung, von Wietersheim, sowie zahlreiche Artikel in der wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung entflossen seiner Feder. Als am 17. Juli 1879 der langjährige verdiente Archivdirector zu Dresden, K. v. Weber (siehe über ihn A. D. B. XLI, 345 ff.) starb, wurde W., der 1872 zum Geheimen Regierungsrath ernannt worden war, zu seinem Nachfolger bestimmt, erhielt am 15. December 1879 das Prädicat als Geheimer Rath und trat am 1. Januar 1880 die Direction des königlichen Hauptstaatsarchivs an, doch wurde seine Arbeitsfähigkeit in den zwei Jahren seiner Verwaltung durch körperliches Leiden stark beeinträchtigt. Er widmete zuerst seinem Vorgänger einen kurzen biographischen Aufsatz „Dr. Karl von Weber“ (1880), dann galt seine Hauptthätigkeit der Bearbeitung des ihm seitens der Regierung gewordenen Auftrages, eine wissenschaftliche Festschrift zur fünfzigjährigen Jubelfeier der Constitution zu verfassen. Dieses Werk „Die Entstehung der constitutionellen Verfassung des Königreichs Sachsen“ (Leipzig 1881) gibt in allerdings nur großen Zügen einen knappen Ueberblick über die Entwicklung der alten ständischen Verfassung, um mit der Thronbesteigung des Königs Anton 1827 in eine ausführliche Darstellung der Zustände, die zum Erlaß der Constitution führten, und der Vorgänge hierbei selbst überzugehen. Am 5. April 1881 erhielt W. vom Gesammtministerium auch die Oberleitung der Arbeiten des Codex diplomaticus Saxoniae regiae übertragen, die bis 1871 der Cultusminister v. Falkenstein, dann dessen Nachfolger v. Gerber persönlich geführt hatten. Nach vierwöchentlicher Krankheit setzte am 7. April 1882 der Tod seinem Wirken, dem auch äußere Zeichen der Anerkennung seitens seines Königs und anderer Fürsten nicht gefehlt hatten, ein Ziel. Seine am 27. Juli 1859 geschlossene Ehe mit Luiska Freiin v. Gregory war glücklich, aber kinderlos geblieben.

Vgl. G. A. und H. A. v. Witzleben, Geschichte d. Familie v. Witzleben, II. Theil (Berlin 1860–80). – Album der Schüler zu Kloster Roßleben 1742–1854 (Halle 1854). – C. D. v. W., Geschichte der Leipziger Zeitung (Leipzig 1860). – Ferner an ungedruckten Quellen: Familienaufzeichnungen, hauptsächlich aber Acten des königlich sächsischen Gesammtministeriums, des Ministeriums des Innern und des Hauptstaatsarchivs.