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Artikel „Wittich, Ludwig von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 635–637, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wittich,_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 23:20 Uhr UTC)
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Wittich: Friedrich Wilhelm Ludwig von W., königlich preußischer Generallieutenant, am 15. October 1818 zu Münster in Westfalen geboren und im Cadettencorps erzogen, aus welchem er am 15. August 1835 als Secondlieutenant zum 1. Infanterieregimente nach Königsberg i. Pr. kam, besuchte von 1840–1843 die allgemeine Kriegsschule und ward dann seit dem Jahre 1844 mit Ausnahme einer nicht ganz einjährigen Unterbrechung, während deren er 1856–57 Compagniechef im 34. Infanterieregimente war, zuerst in der höheren Adjutantur und darauf im Generalstabe verwendet, zuletzt als Oberst und Chef des Generalstabes des 5. Armeecorps unter General v. Steinmetz. Als solcher machte er den Krieg von 1866 in Böhmen mit und erwarb den Orden pour le mérite. Nachdem er am 20. Juli 1867 das Commando der 5. Infanteriebrigade zu Stettin erhalten hatte und am 22. März 1868 zum Generalmajor befördert worden war, wurde er am 22. Mai d. J. zu den Officieren von der Armee versetzt und gleichzeitig behufs Verwendung als Brigadecommandeur dem Großherzoge von Hessen zur Verfügung gestellt, bei dessen Truppen die preußischen Normen zur Einführung gelangen sollten. Am 1. Juni übernahm er das Commando der 50., daneben im Frühjahr 1870 auch das der 49. Infanteriebrigade und führte letztere bei Beginn des Krieges gegen Frankreich unter dem Prinzen Ludwig von Hessen im Verbande der großherzoglich hessischen (25.) Division, welche zum IX. Armeecorps unter General v. Manstein stieß, in das Feld. Nachdem er an ihrer Spitze an den Augustkämpfen vor Metz und an der Einschließung der Festung theilgenommen hatte, ward er am 20. September zum Commandeur der vorher vom Generallieutenant v. Gersdorff befehligten 22. Infanteriedivision ernannt. Schon am 16. August hatte er erfolgreich in die Schlacht [636] von Vionville-Mars la Tour eingegriffen und am 18. August bei Gravelotte-Saint Privat im Verbande der Division dazu beigetragen, daß das Bois de la Cusse den ganzen Tag über im blutigen Ringen gehalten wurde; der Wechsel seiner Stellung aber gab ihm Gelegenheit seine vortrefflichen Führereigenschaften in noch glänzenderer Weise zu verwerthen und wiederholt einen selbständigen Einfluß auf den Gang der Ereignisse auszuüben. Aus der Einschließungslinie von Paris wurde er am 6. October unter General von der Tann gegen Orleans entsandt, die Wahl der Heeresleitung hatte den richtigen Mann getroffen. Nachdem er am 10. bei Artenay und am 11. vor Orléans gefochten hatte, erhielt er am 15. den Auftrag, im Vereine mit der 4. Cavalleriedivision über Châteaudun nach Chartres vorzugehen, um die Belagerungstruppen vor Paris gegen Angriffe von Westen her zu sichern. Am 18. erstürmte er nach heftiger Gegenwehr die erstgenannte Stadt, am 21. capitulirte die zweite, dann blieb W. in der besetzten Gegend stehen, bis das am 9. November gelieferte Treffen von Coulmiers ihn wieder nach Süden rief und er gleich darauf dem mit dem Oberbefehle über eine gesonderte Heeresabtheilung betrauten Großherzoge Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin unterstellt wurde. Nachdem er zunächst an dem von diesem gegen Westen gemachten Luftstoße theilgenommen hatte und die Abtheilung sodann dem Prinzen Friedrich Karl untergeordnet war, rückte diese zu dem zweiten Angriffe auf Orléans von neuem gen Süden. Der 2. December, an welchem W. in dem von ihm selbständig geführten Gefechte von Poupry einen schönen Erfolg davontrug, war sein Hauptruhmestag und an den darauf folgenden Kämpfen um Beaugency hatte er bedeutenden Antheil. Auch beim Vormarsche gegen le Mans und den dabei vorfallenden Gefechten konnte er noch gute Dienste leisten, als dann aber das 13. Armeecorps, wie die Armeeabtheilung jetzt hieß, sich nach Norden auf Rouen wandte, erkrankte er am 21. Januar an den Blattern, ließ sich nach Versailles bringen und übernahm hier am 27. Februar von Neuem das Commando seiner dahin abgerückten Division, mit welcher er am 1. März in Paris einzog. Während des Communeaufstandes hielt er die Forts Romainville, Noisy und Rosny besetzt. Nach Friedensschluß blieb er zunächst an der Spitze der 22. Division in Kassel, vertauschte diese Stellung aber, nachdem er am 18. August 1871 zum Generallieutenant befördert worden war, am 22. März 1872 mit der gleichen an der Spitze der 31. Division zu Straßburg i. E., bat bald nachher um seinen Abschied, welcher ihm am 12. April 1873 bewilligt wurde, und widmete sich nun, nebenbei als Abgeordneter am parlamentarischen Leben sich betheiligend, der Bewirthschaftung seines Gutes Siede bei Berlinchen in der Neumark, wo er am 2. October 1884 gestorben ist. Sein Name wurde am 27. Januar 1889 von Kaiser Wilhelm II. für alle Zeiten dem 3. hessischen Infanterieregimente Nr. 83 verliehen, welches 1870/71 der 22. Infanteriedivision angehört hatte.

W. war durch und durch Soldat; mit allen Zweigen seines Berufes auf das genaueste bekannt, energisch und tapfer, wortkarg und unzugänglich, aber warmherzig und bieder. Hauptmann Fr. Hoenig kennzeichnet seine Persönlichkeit in „Der Volkskrieg an der Loire“, III. Bd., 1. Theil, S. 214 (Berlin 1896), vornehmlich auf Grund der von W. in diesem Theile des Feldzuges gespielten Rolle, indem er ihn einen der vielseitigen Generale nennt, die sich als gleich vertraut mit den Obliegenheiten des Adjutanten und des Generalstabsofficiers wie des Truppendienstes und mit den Verrichtungen der Verwaltungsbeamten erwiesen hätten. W. war ein hervorragender Taktiker, unternehmend, kühn im Entschlusse und zäh in der Ausführung, streng im Dienste, nur selten mittheilsam, selbstbewußt, ein unbequemer Untergebener, wenig liebenswürdig im Umgange, aber voll Fürsorge für die Truppe, gerecht, unparteiisch und ohne Vorurtheile. [637] Seine Division gehörte zu den bestgeführten und bestverwalteten und seine Vorgesetzten konnten jederzeit mit Sicherheit auf ihre Dienste rechnen. Sie war es, welche schon während des Krieges wegen ihrer Marschleistungen den später auch von anderen beanspruchten Beinamen der Kilometerdivision führte. Weitere Beiträge zu Wittich’s Charakteristik enthalten, aus berufenen Federn stammend, Nr. 85 und Nr. 89 des Militärwochenblattes vom Jahre 1884.

v. Löbell, Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen, Jahrg. 1884, Berlin. – L. v. Wittich, Aus meinem Tagebuche 1870/71, Kassel 1872 (rein fachlich, mit Ausschluß alles Persönlichen, ein Abbild der Eigenart des Verfassers).