Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wittel, Johannes“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 607–608, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wittel,_Johannes&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 12:22 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 43 (1898), S. 607–608 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand August 2017, suchen)
Johannes Wittel in Wikidata
GND-Nummer 119872951
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|43|607|608|Wittel, Johannes|Johannes Bolte|ADB:Wittel, Johannes}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119872951}}    

Wittel: Johannes W. aus Erfurt, protestantischer Dramatiker des 16. Jahrhunderts. Nachdem er den Magistertitel zu Erfurt oder Wittenberg errungen hatte, ward er 1568 von Georg von Werthern zum Pfarrer in Frohndorf bei Kölleda in der Diöcese Sangerhausen berufen; 1575 erhielt er die Pfarrstelle im benachbarten Aroldshausen und lebte noch 1582. Er veröffentlichte mehrere lateinische Dichtungen: „Epigrammatum sacrorum liber unus“, [608] Erphordiae 1567 (Kopenhagen); „Apophthegmatum libri duo cum rhythmica interpretatione germanica“, Mulh. 1568 (Jena, wo auch andere Gelegenheitsgedichte erhalten sind); „Lyricorum libri duo“, Erph. 1581 (Lübeck). Größeres Interesse jedoch beansprucht sein deutsches Schauspiel „Zelotypia. Ein hübsch vnd nützlich Spiel, vber das fünffte Capittel Numeri vom Eyfferopfer“, o. O. 1571 (Göttingen) als eine bisher nicht beachtete Variante der Dramen vom bekehrten Sünder, die vom niederländischen Elckerlijck ausgehend als Hecastus, Homulus, Schlömer im Jahrhundert der Reformation weite Verbreitung fanden. W. hat nämlich die Titelhandlung, die Bestrafung einer Ehebrecherin durch die alttestamentliche Einrichtung des Eiferopfers, mit der Darstellung der christlichen Rechtfertigungslehre verquickt, um, wie er im Vorwort sagt, zugleich zu schrecken und zu trösten. Das Schlemmerleben des Helden Stymargus wird wie im Hecastusdrama veranschaulicht, aber jener ist kein verheiratheter Mann, sondern ein lebenslustiger Jüngling, den ein verkappter Teufel, sein Genosse Zabulus, zur Völlerei reizt und dem ein gefälliger Parasit mit Hülfe der kuppelnden Vettel Circe die Frau Möcha zuführt, indeß die Mahnungen seiner Vormünder (wie in Kolros’ Fünf Betrachtnüssen) fruchtlos verhallen. Der Nachts unvermuthet heimkehrende Ehemann Zelotes argwöhnt die Untreue der Möcha und führt sie am folgenden Morgen vor den Priester. Nachdem sie das Fluchwasser getrunken, verendet sie jäh; Tod und Teufel schleppen sie und ihre Helferin unter dem parodischen Gesange des „In dulci iubilo“ von dannen. Der letzte Act bringt das Gericht über den erkrankten Sünder. Moses hält dem verzagten Stymargus, an dessen Stelle seine Verkläger Sünde, Tod und Teufel antworten, die zehn Gebote vor und fällt das Urtheil. Auf den Hülferuf des reuigen Sünders aber erscheint Aaron und spricht ihn durch Christi Verdienst frei; er gesundet zu neuem Leben, während Teufel und Tod von den Engeln verjagt werden. Wenn auch die rechte Geschlossenheit der Handlung mangelt, da Aaron einmal als jüdischer Priester und gleich darauf als christlicher Heilsverkünder auftritt, und die Verlockung der Frau und die Entdeckung ihrer Schuld, die das Schicklichkeitsgefühl des Verfassers ebenso wie den Ehebruch hinter die Scene verlegt, etwas näher begründet sein könnte, so verräth doch Aufbau und Dialog ziemliche Gewandtheit und Lebendigkeit; mehrfach beginnt W. ein Gespräch in der Mitte und läßt den Zuhörer das Voraufgegangene errathen. Die Reime zeigen thüringische Mundart.

Wol mit Unrecht hat Goedeke unserm Dichter eine o.J. und O. erschienene vieractige Posse „Narren Schule“ zugeschrieben, die wider ungelehrte vagirende Schulmeister und eine veraltete Buchstabirmethode gerichtet ist, weil er den Namen des Verfassers „Johannes Herphort von Fr.“ als „Joh. Wittel Erphordianus zu Frondorff“ deutete. Abgesehen von der Willkürlichkeit dieser Deutung (ein Johannes Herford Herpolitanus erscheint dagegen 1569 in der Wittenberger Matrikel; Zeitschr. f. dtsch. Philol. 20, 82) spricht weder Ausdrucksweise noch Dialekt für die Identität beider Verfasser.

Goedeke, Grundriß2 2, 366. – Dietmann, Priesterschaft in dem Churfürstenthum Sachsen 1, 3, 913 (1754). – Ueber die „Narrenschule“, von der auch 1580 der Freiberger Schulmeister Val. Apelles eine ausführlichere, gelehrtere Bearbeitung drucken ließ, vgl. Zarncke zu Brant’s Narrenschiff S. CXXVIII; Straumer im Chemnitzer Schulprogramm 1888, S. 10; M. Herrmann im Euphorion 1, 283.