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Artikel „Wintergerst, J. Martin“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 496–497, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wintergerst,_Martin&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 06:09 Uhr UTC)
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Wintergerst: J. Martin W., Reisender, um 1670 in Memmingen geboren, erlernte das Bäckerhandwerk und begann 1688 seine großen Reisen, die ihn 22 Jahre lang durch alle vier Erdtheile führten. Er begab sich zunächst nach Venedig, arbeitete hier eine Zeit lang als Bäckerknecht, nahm dann Dienste auf einem holländischen Kaperschiff, das im Mittelmeere auf französische Kauffahrer kreuzte, half einige derselben erobern, wurde mehrfach gefangen, wechselte häufig den Herrn, diente den Spaniern gegen die Barbaresken, den Venezianern gegen [497] die Türken, den Franzosen gegen die Niederländer und lernte auf diese Weise alle Küstenländer des südlichen und westlichen Europas kennen. Nach 8 Jahren wollte er nach der Heimath zurückkehren, doch trieb ihn die Abenteuerlust bald wieder auf die See. Er fuhr als Heringsfischer nach den nordischen Meeren, trat dann in den Dienst der holländisch-ostindischen Compagnie, besuchte Brasilien und das Capland, lebte mehrere Jahre auf Ceylon, kehrte dann nach Holland zurück und nahm am Stockfischfange auf der Neufundlandbank theil. In den folgenden Jahren unternahm er eine Fahrt nach dem unbekannten Südland und hielt sich dann lange Zeit in Batavia und in den vorderasiatischen Besitzungen der Holländer auf. 1710 traf er wieder in Memmingen ein und verfaßte eine Beschreibung seiner Reise, die unter dem Titel: „Der durch Europam lauffende, durch Asiam fahrende, an Americam und Africam anländende und in Ostindien lange Zeit gebliebene Schwabe“ mehrfach gedruckt wurde (Memmingen 1712, 1713). Das Werk, das seiner Sprache nach für die breiten Schichten des Volkes bestimmt war, schildert hauptsächlich die persönlichen Erlebnisse des Verfassers in anschaulicher und interessanter Weise. Es ist culturhistorisch höchst merkwürdig, da es wie kaum eine andere Reisebeschreibung des 17. und 18. Jahrhunderts Einblicke in das Leben und die Denkungsweise des gemeinen Mannes jener Zeit gewährt. Uebrigens ist W., wie es scheint, der erste Deutsche, der als Augenzeuge die sagenberühmte große Seeschlange beschreibt, die er im nordatlantischen Ocean antraf.

Beckmann, Litt. der älteren Reisebeschreibungen II, 403–8.