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Artikel „Willebrand, Johann Peter“ von Hans Nirrnheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 261–262, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Willebrand,_Johann_Peter&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 16:05 Uhr UTC)
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Willebrand: Johann Peter W., königl. dänischer wirklicher Justizrath, wurde zu Rostock am 10. September 1719 geboren. Daß er zu der in Rostock seit dem 16. Jahrhundert blühenden Professorenfamilie W. in verwandtschaftlicher Beziehung stand, ist zwar nicht ersichtlich, läßt sich aber vermuthen. Sein Vater, Tobias W., war Kaufmann; seine Mutter, Margaretha Wendula, entstammte der altrostockischen Familie der Nembzau. W. studirte die Rechte und promovirte im J. 1742 zu Halle. Nachdem er darauf seine Kenntnisse durch mehrjährige Reisen im In- und Auslande bereichert hatte, ließ er sich als Advocat in Lübeck nieder, woselbst er sich im J. 1747 mit der Wittwe Johanna Maria Paarmann, geb. Meyer vermählte. Sein Wunsch, in kgl. dänische Dienste zu gelangen, veranlaßte ihn, die Gönnerschaft des dänischen Ministers, des Grafen Bernstorff, zu suchen, der ihm im J. 1755 beim Könige den Titel eines Justizraths auswirkte; zugleich wurde er zum Mitglied des Pinnebergischen und Altonaischen Oberappellationsgerichts und Oberconsistorii zu Glückstadt ernannt mit der Bedingung, seinen ständigen Wohnsitz in Altona zu nehmen. Da mit dieser Stellung weder ein Gehalt noch eine ernste und anhaltende Thätigkeit verbunden war, so bemächtigte sich des arbeitslustigen Mannes bald eine große Unzufriedenheit. Er ergriff daher im J. 1759 während eines zufälligen Aufenthalts in Kopenhagen eifrig die Gelegenheit, sich um das gerade erledigte Polizeidirectorat in Altona bei Bernstorff und dem Könige zu bewerben. Er hatte mit seiner Bewerbung Erfolg und trat, wenn auch durch die geringe Höhe des ihm zugebilligten Gehalts von Anfang an enttäuscht, dennoch mit frohem Muthe und in der Hoffnung auf eine ersprießliche Thätigkeit sein neues Amt an. Allein dieses wurde für ihn eine Quelle fortgesetzter Sorgen und Unannehmlichkeiten. Es gestattete seiner Wirksamkeit keineswegs den Spielraum und die Selbständigkeit, die er erhofft hatte. Indem er aber seine Competenzen zu erweitern suchte, gerieth er zu seinem Vorgesetzten, dem holsteinischen Oberpräsideuten, einerseits, zum Magistrate und den Bürgern Altonas andrerseits in ein derartig schlechtes Verhältniß, daß er allmählich alles Ansehen verlor und sich zur Thatenlosigkeit verdammt sah. Krank an Körper und Seele erbat er gegen Ende des Jahres 1766 seinen Abschied, der ihm im folgenden Jahre gewährt wurde. Er scheint die nächsten Jahre mit Reisen zugebracht zu haben und ließ sich dann im J. 1771 in Hamburg nieder. In dieser Stadt, zu deren Einrichtungen und Sitten er eine lebhafte Zuneigung gefaßt hatte, hat er in geistig anregendem Verkehre und mit litterarischen Arbeiten beschäftigt seinen Lebensabend verbracht. Er starb hier am 22. Juli 1786, wenige Monate nach dem Tode seiner Frau. Sein einziger Sohn, Christian Ludwig, lebte gleichfalls als Schriftsteller bis zu seinem 1837 erfolgten Tode in Hamburg.

Willebrand’s Name ist hauptsächlich dadurch bekannt geworden, daß er der Verfasser einer hansischen Chronik war, der man, so wenig sie auch ernsten wissenschaftlichen Anforderungen schon damals genügte, doch das Verdienst beimessen [262] darf, daß sie als eine der ersten Arbeiten auf diesem Gebiete weitere Kreise auf den Werth hansischer Geschichtsforschung aufmerksam zu machen gesucht hat. In dieser Chronik veröffentlichte W. zugleich ein von dem 1658 verstorbenen lübeckischen Bürgermeister Köhler hinterlassenes Manuscript, welches Aufzeichnungen über die hansische Geschichte enthielt. Diese, sowie die im Schlußtheile publicirten zahlreichen Urkunden, bezeichnete später Sartorius in seiner Geschichte des hanseatischen Bundes als das einzig Brauchbare der Chronik, die freilich bei den Zeitgenossen eine gute Aufnahme gefunden zu haben scheint. Uebrigens war W. selbst von seinem Werke wenig befriedigt, und er kündigte 20 Jahre später in einer kleinen „Betrachtung über die Würde der deutschen Hansa“ genannten Schrift eine verbesserte Auflage desselben an. Doch ist diese so wenig wie eine schon im J. 1749 in Aussicht gestellte Fortsetzung des diplomatischen Theils der Chronik erschienen, vermuthlich da es an der erforderlichen Anzahl von Subscribenten fehlte. – Von den übrigen Arbeiten Willebrand’s ist zunächst der im J. 1765 verfaßte „Abregé de la Police“ zu nennen, ein Handbuch der Polizeiwissenschaft, welches ihm unter anderen Beifallsbezeugungen auch die Anerkennung der Kaiserin Katharina von Rußland eintrug. Eine Frucht seiner Polizeiwirksamkeit war ferner sein „Grundriß einer schönen Stadt“ (Theil I 1775, Theil II u. III 1776), in welchem er die Grundsätze einer zweckmäßigen Stadtanlage und Stadtverwaltung darzulegen suchte. Die auf seinen Reisen gesammelten Erfahrungen legte W. 1758 in einem Buche „Historische Berichte und practische Anmerkungen auf Reisen in Deutschland und anderen Ländern“ nieder, einem zum Theil in Briefen abgefaßten Führer und praktischen Reisehandbuch, welches 1799 in 2. Auflage erschien. Schließlich seien noch die anspruchslosen, aber liebenswürdigen kleinen Schriften „Hamburgs Annehmlichkeiten, von einem Ausländer beschrieben“ (1. Aufl. 1772, 2. Aufl. 1783), und „Lübecks Annehmlichkeiten, von einem Ausländer beschrieben“ (1774) erwähnt.

Meusel, Lexikon XV. – Lexikon d. hamb. Schriftsteller VIII. – Quellenmaterial boten, außer den Vorreden zu Willebrand’s Werken, Acten des Staatsarchivs zu Schleswig. Ueber die Herkunft Willebrand’s verdanke ich Herrn Dr. Koppmann in Rostock einige Mittheilungen.