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Artikel „Wiebe, Friedr. Karl Hermann“ von Egbert Ritter von Hoyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 370–372, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wiebe,_Hermann&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:18 Uhr UTC)
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Wiebe: Friedr. Karl Hermann W., Ingenieur, geboren am 27. October 1818 zu Thorn, † am 26. März 1881 zu Berlin, erwarb sich seine Jugendbildung auf dem Gymnasium in Elbing, welches er bis Secunda besuchte. In der Absicht sich dem Mühlenbau zu widmen, der sich damals infolge der vollständig durch amerikanische und englische Neuanlagen veränderten Verhältnisse in einer großen Umwälzung befand, machte W. erst eine zweijährige Lehrzeit in einer Getreidemühle durch und besuchte dann drei Jahre das königliche Gewerbeinstitut in Berlin, welches er im Alter von 23 Jahren als geprüfter Mühlenbaumeister verließ, um sich dauernd in Berlin niederzulassen. Schon 1847 übertrug man ihm – auf Veranlassung Beuth’s – die Vertretung des Lehrers für Maschinenelemente an der königlichen allgemeinen Bauschule, Salzenberg, der um diese Zeit den Auftrag erhalten hatte, die Sophienkirche in Constantinopel aufzunehmen. In dieser Stellung zeigte und entwickelte sich sehr bald das Lehrtalent Wiebe’s, so daß er nach kurzer Zeit auch mit dem Unterricht in der Maschinenkunde an dem Gewerbeinstitut betraut und 1853 als Professor dieses Faches dauernd zum Mitglied des Professorencollegiums dieser [371] Anstalt ernannt wurde. Sehr kurze Zeit nach bestandenem Mühlenbaumeisterexamen, nämlich 1843, begann er seine fruchtbringende litterarische Thätigkeit mit der Herausgabe des „Archivs für den praktischen Mühlenbau“, in dem er zahlreiche Abbildungen und Beschreibungen ausgeführter Maschinen aus dem Gebiete des Mühlenbaus brachte, und dem sich 1848 „Vorträge über Maschinenbau“ anschlossen. Die damals an guten Werken über den Maschinenbau nicht reiche Litteratur vermehrte W. 1853–1860 mit einem zweibändigen Werke „Die Lehre von den einfachen Maschinentheilen“, dem 1858 und 1861 das ebenfalls zweibändige Werk „Die Maschinenbaumaterialien und deren Bearbeitung“ ferner 1861 „Die Mahlmühlen“ und 1868 „Die Theorie der Turbinen“ sowie 1876 „Die Schieberbewegung der Dampfmaschinen“ folgten. Unter dem Titel „Skizzenbuch für den Ingenieur und Maschinenbauer“ begann W. 1858 eine Sammlung ausgeführter Maschinen, Fabrikanlagen, Feuerungen, eiserner Bauconstructionen u. dergl. in Heften zu veröffentlichen, welche in vorzüglichen Maßzeichnungen mit kurzem Text alle bedeutenden Arbeiten auf dem bezeichneten Gebiete brachte und ihres großen Werthes halber weit über den Tod des Herausgebers hinaus ihre Fortsetzung fand. – Wenn auch diese Werke selbstverständlich das Gepräge ihrer Zeit tragen, so sind sie andererseits hervorragend durch die systematische Anordnung des Stoffes, klare Darstellungsmethode und durch die vollständig erreichte Absicht des Verfassers ein Band zwischen Schule und Werkstatt zu ziehen, weshalb sie in der technischen Litteratur als bedeutungsvolle Erzeugnisse zu gelten haben. Ueberhaupt blieb W. auch der Praxis stets treu, wofür insbesondere der Umstand Zeugniß ablegt, daß er in maßgebender Weise bei einer Anzahl größerer Mühlenanlagen, z. B. der Proviantmühlen der fünf großen preußischen Festungen und anderer dem Verpflegungswesen der Armee dienenden maschinellen Ausführungen thätig war.

Als im J. 1877 die Vereinigung der Berliner Bauakademie mit der Gewerbeakademie durchgeführt werden sollte und auf Grund einer neuen Organisation ein Wahldirectorat eingerichtet war, wurde W. am 17. December 1877 vom Collegium mit 25 von 30 Stimmen zum ersten Director der neuen höheren Lehranstalt gewählt und kurze Zeit darauf von dem König von Preußen unter Verleihung des Charakters des Geheimen Regierungsrathes bestätigt. In dieser Stellung hatte er Gelegenheit seine besondere Organisationsfähigkeit zur Geltung zu bringen, infolgedessen das getroffene Provisorium schon anfangs 1879 sein Ende erreichen konnte. Die preußische Unterrichtsverwaltung, welche sich die erstmalige Besetzung des Rectoramtes vorbehalten hatte, ernannte W. sodann in Anerkennung seiner geleisteten Dienste, besonders aber wegen seiner bewiesenen Tüchtigkeit als Verwaltungsbeamter zum Rector der Berliner höheren technischen Lehranstalt, die von nun an die Bezeichnung technische Hochschule führte. Wie sehr W. das Vertrauen seiner Collegen sich erworben hatte, geht daraus hervor, daß er nach Ablauf seiner Dienstperiode als nunmehriger erster Wahlrector auch aus der Collegiumsabstimmung hervorging. Bald nachdem W. die erste öffentliche Feier der technischen Hochschule geleitet hatte, ereilte ihn am 26. März 1881 der Tod.

W. hat es in ausgezeichneter Weise verstanden, als Lehrer seine Schüler stets über die leicht verwirrenden Einzelheiten hinweg auf den großen Zusammenhang zu lenken, als einer der ersten technischen Schriftsteller die Theorie für die Praxis nutzbar zu machen und praktische Erfahrungen wissenschaftlich zu erläutern und so dann durch sein reiches Wissen und seine Beherrschung der Verhältnisse zur Neugestaltung des höheren technischen Unterrichtes in der segensreichsten Weise anzuregen, so daß er zu denjenigen Vorkämpfern zu zählen ist, welchen an der Ueberwindung der dem höheren technischen Unterricht gegenüberstehenden Vorurtheile [372] und somit an der Hebung des technischen Unterrichtswesens ein hervorragender Antheil gebührt.