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Artikel „Westphalen, Philipp (Edler v.)“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 228–231, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Westphalen,_Philipp_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 00:03 Uhr UTC)
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Westphalen: Christian Heinrich Philipp (Edler v.) W., † 1792, wurde am 24. April 1724 geboren. Wo, ist nicht mit Sicherheit anzugeben. Sein Vater Isaak Joh. Christian Westphal (so schrieb er seinen Namen und bis 1749 auch der Sohn) war vor 1720 Kammerschreiber und Postverwalter in Blankenburg a. H. (wo die Geburt dieses Sohnes in den Kirchenbüchern aber nicht verzeichnet steht), auch nach 1730 wieder dort, in der Zwischenzeit aber, wie es scheint, auch an anderen Orten (Hannover?) beschäftigt; 1738 erlangte er als Hofpostmeister in Braunschweig die höchste Stelle im Postdienste des Herzogthums; er starb am 19. April 1753; seine Frau war eine geb. Henneberg († 17. August 1759). Der Sohn erhielt seine erste Erziehung im Hause der Eltern, kam dann im Februar 1738 auf die Klosterschule zu Marienthal und bezog am 9. October 1740 mit seinem ältesten Bruder Ernst August, der früh [229] verstarb, die Universität Helmstedt, um sich der Rechtswissenschaft zu widmen. Nachdem er hier zwei Jahre geblieben, ging er nach Halle, wo er drei Jahre verweilte. Er kehrte dann nach Braunschweig zurück und bewarb sich, um seinem Vater die Sorge des Unterhalts zu nehmen, um eine Hofmeisterstelle am Collegium Carolinum daselbst, die er unterm 23. März 1746 sogleich erhielt. Er blieb hier bis Ostern 1749, wo er als Begleiter eines jungen Herrn v. Spiegel eine größere Reise durch Süddeutschland, Frankreich und Italien antrat; sie verweilten in Straßburg vier, in Paris sechs Monate und kehrten über Wien, München und Kassel im April 1751 in die Heimath zurück. Noch in demselben Jahre trat W. als Secretär in den Dienst des Herzogs Ferdinand, den er nach Potsdam, für den Winter 1753–54 an den dänischen Hof, 1755 nach Magdeburg begleitete und dessen volles Vertrauen er in kurzer Zeit gewann. Er leitete das ganze Hauswesen des Herzogs, besorgte seine Correspondenz, seine Finanzangelegenheiten etc. Bei Ausbruch des siebenjährigen Krieges, wo Ferdinand anfangs eine preußische Division befehligte, folgte er ihm auch zum Heere, bei den Schlachten von Lowositz, Prag und Roßbach war er zugegen und fertigte er von ihnen eingehende Relationen an, die an den regierenden Herzog Karl nach Braunschweig gesandt wurden. Als dann Ferdinand Ende 1757 den Oberbefehl auf dem westlichen Kriegsschauplatze erhielt, ging W. wieder mit ihm und entfaltete hier eine im höchsten Grade verdienstvolle, umfassende und vielseitige Thätigkeit. „Er war und blieb“, wie später sein Enkel (S. 11) schrieb, „durch die ganze, fünf volle Jahre dauernde, Kriegszeit hindurch im Hauptquartier des Herzogs Ferdinand sein geschicktester, unermüdlicher Gehülfe in allen Kriegsgeschäften und Arbeiten des Cabinets, sein kluger Rathgeber und wachsamer Diener um seine Person, sein ihn nie verlassender Freund. In der äußerlich bescheidenen Stellung „des Secretärs“ des Herzogs war er, unter Beseitigung jeder Controlle durch einen Kriegsrath, im Besitz des unbeschränkten Vertrauens seines durchlauchtigen Herrn: er machte die strategischen Entwürfe, gab die Operationen bis ins kleinste Detail an, bereitete dieselben vor und half sie in der Ausführung leiten und verbessern; er wurde mit bestimmten Vorschlägen, wann, wo und wie die Treffen zu liefern seien, stets vom Herzog gehört. Er besorgte allein die Generalstabsgeschäfte, sowie die Correspondenz des Herzogs über alles, was auf die Verpflegung, Bekleidung, Bewaffnung, Recrutirung und Verstärkung der verbündeten Truppen sich bezog, um zu verhüten, daß nicht das Geheimniß der Operationen des Herzogs dem Feinde verrathen werden konnte.“ Dabei war er auch der vertraute Rathgeber des Herzogs in allen seinen persönlichen Angelegenheiten und vor allem in der Behandlung politisch-diplomatischer Fragen, die bei der staatlichen Verschiedenheit der unter Ferdinand’s Oberbefehl vereinigten Contingente, besonders aber gegenüber einem Friedrich dem Großen und den englischen Ministern oft ganz besondere Geschicklichkeit, Tact und Klugheit erforderte. W. hat hier fast alle Berichte und Briefe selbst aufgesetzt; er war des Herzogs „Minister des Hauses, der auswärtigen Angelegenheiten und des Krieges in einer Person“. Trotz der Verschiedenheit der Stellung verband beide eine innige, wahre Freundschaft. Ganz eigenthümlich dieses Verhältniß, dieses gegenseitige Ergänzen zweier Männer, und nur möglich bei zwei so edlen selbstlosen Naturen, wie Ferdinand und W. waren, ebenso ehrenvoll aber für den einen wie für den anderen. Der Mann, der niemals Soldat gewesen war, bewährte sich als hervorragender Schlachtendenker und setzte so in stiller unbemerkter Arbeit alles in Bereitschaft, daß die vorzüglichen, specifisch militärischen Tugenden seines Fürsten, der den scharfen Blick des Feldherrn mit festem Muthe, ruhigem Blute und beharrlicher Ausdauer verband, sich während des ganzen Feldzuges glänzend bewähren konnten. Man müßte eine Geschichte des ganzen Krieges schreiben, [230] um die Leistungen Westphalen’s des einzelnen aufzuführen. Es genüge daher zu bemerken, daß W. in der geschilderten Weise dem Herzog während des ganzen Krieges auf das treueste zur Seite stand, und das die großen Erfolge, die man errang, nur dem einmüthigen Zusammenwirken der beiden Männer zu danken sind.

Bald nach der Schlacht bei Vellinghausen verlieh König Georg III. W. eine lebenslängliche Pension, die nach dem Frieden auf 200 Pfund Sterling festgesetzt wurde; eine Jahrespension von 500 Thalern seitens der kurhannoverschen Regierung ging daneben her. Außerdem gab ihm Georg den Titel eines Generaladjutanten der Armee, von dem W. jedoch niemals Gebrauch machte, da er für seine Geschäfte und seinen Stand nicht passe. Herzog Ferdinand hatte ihm im Juni 1762 den Titel eines Geheimsecretärs (Secretaire intime) gegeben, den er als Zeichen innigen Vertrauens des Fürsten dankend annahm. Herzog Karl, der Bruder Ferdinand’s, verlieh W. schon unterm 15. Mai 1761 eine Präbende im Stifte St. Blasii zu Braunschweig, die er jedoch 1771 wieder resignirte; auch erhielt er unterm 20. November 1764 den Titel eines herzoglichen Landdrosten. Wie dies auf Verwendung Ferdinand’s erfolgte, so auch der kaiserliche Adelsbrief, der ihm unterm 23. Mai 1764 mit dem Prädicate „Edler von Westphalen“ ertheilt wurde. Von Seiten König Friedrich’s hatte er sich keinerlei Auszeichnung zu erfreuen. Nach dem Kriege hat W. den Herzog nicht mehr nach Potsdam und Magdeburg begleitet; er suchte, wie auch bald sein Herr, der für kommende Fälle wieder auf die Hülfe des zuverlässigen Freundes rechnete und daher anfangs mit einer Art Eifersucht seinem Eintritte in andere Dienste abgeneigt war, die Ruhe und Zurückgezogenheit des Privatlebens auf. Er kaufte von dem Herzoge Karl 1764 für 24 000 Thaler (von denen 9000 Thaler Herzog Ferdinand zugab) ein kleines heimgefallenes Lehngut der erloschenen Familie von Weferling, Bornum bei Königslutter, und verheirathete sich im folgenden Jahre (13. October 1765) in Wesel mit Jeanie Wishart of Pittarow, der jüngsten Tochter des Stadtpfarrers Dr. George Wishart in Edinburg, die er bei ihrem Schwager, dem englischen General Beckwith, kennen gelernt hatte. Als dann mit der Zeit vier Söhne heranwuchsen, genügten W. die Einkünfte des Gutes nicht mehr. Er verkaufte es 1779 für 40 000 Thaler an den Herzog zurück, zog im Juni 1779 nach Braunschweig und sah sich nach irgend einer Anstellung um. Er hoffte eine solche durch den Herzog Ferdinand in Dänemark zu bekommen, wo er am 25. Februar 1780 Ritter des Danebrogordens geworden war, und erhielt auf die Fürsprache des Fürsten in der That, nachdem er schon im Mai 1781 das dänische Indigenat erworben hatte, unterm 21. September 1782 für den Fall der Erledigung die Zusicherung auf den dänischen Gesandtschaftsposten in Niedersachsen oder eine Amtmannsstelle in Holstein. Inzwischen hatte er 1781 in Mecklenburg eine Besitzung bei Boytzenburg an der Elbe, Blücher und Timkenberg, erstanden. Er beschäftigte sich in dieser Mußezeit mit der Verwaltung seines Besitzes, mit der Erziehung seiner Kinder, mit geschichtlichen, philosophischen und theologischen Studien. Die Winter verlebte er zum Theil auch in der Folge noch oft in Braunschweig, wo alle vier Söhne das Collegium Carolinum besuchten. Schon 1758, um die Zeit der Schlacht bei Crefeld, hatte er den Plan gefaßt, eine Kriegsgeschichte des Herzogs Ferdinand zu schreiben; sogleich nach dem Kriege machte er sich an die Arbeit, an der der Herzog selbst lebhaften Antheil nahm. Das Werk sollte bei Gosse und Pinet im Haag in prächtiger Ausstattung erscheinen und ist auch schon 1764 durch Prospecte etc. von diesen angekündigt worden. Dann traten Störungen ein, die 1769 zum Abbruch der Verbindung mit Gosse führten. Dennoch setzte W. die Arbeit bis in das Jahr 1772 fort, doch ist er mit seiner Darstellung nicht über das Jahr 1758 hinausgekommen. Rücksichten auf hohe lebende Persönlichkeiten [231] scheinen vor allem die Vollendung des Werkes verhindert zu haben, das dann erst Westphalen’s Enkel 1859 (B. I, II) und 1871–72 in sechs Bänden herausgab, von denen der erste den Text jener Kriegsgeschichte, die anderen Briefe und Actenstücke enthalten. Zwischen dem Herzog und W. führte die Entfernung des Wohnortes, das Auseinandergehen der Interessen, wie z. B. die lebhafte Theilnahme Ferdinand’s am Freimaurerorden, dem W. nicht angehörte u. a., mit der Zeit nicht gerade eine Erkaltung, aber doch eine minder lebhafte Bethätigung der alten Freundschaft herbei, wenn beide Männer auch im Herzen bis zu ihrem Tode die alte Gesinnung sich gegen einander bewahrten. Diese spricht sich auch in dem Testamente des Herzogs aus, in dem er auf das Wohlwollendste des treuen Gehülfen und Freundes gedachte und ihm u. a. die freie Benutzung seines Kriegsarchivs bestimmte. Der Herzog starb am 3. Juni 1792, wenige Monate darauf am 21. September 1792 folgte ihm W. im Tode nach. Seine Wittwe überlebte ihn bis zum 31. Juli 1811, wo sie in Salzwedel bei ihrem jüngsten Sohne, Joh. Ludwig W., verschied. Dieser 1770 geboren und 1794 als Assessor bei der Kammer in Braunschweig angestellt, war in der westfälischen Zeit nach Salzwedel versetzt worden und ging hier später in preußische Dienste über; er starb am 3. März 1842 und war der Vater des preußischen Staatsministers F. O. W. H. v. W., der die genannte Geschichte der Feldzüge Herzog Ferdinand’s herausgab. Von den anderen Söhnen Westphalen’s ist Ferdinand (geboren 1766) schon am 17. Mai 1789 als Legationsrath in Berlin gestorben, Heinrich George (geboren 1768), 1790 als Kammerassessor angestellt, aber bald in das Privatleben zurückgetreten, am 26. Februar 1855 in Braunschweig, und Hans Annius als Major am 12. Juli 1818 in Seesen.

Vgl. v. Westphalen, Westphalen der Secretär des Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneb. (Berlin 1866). – Dessen Vorwort zu der Geschichte des Feldzuges des Herzogs Ferdinand. – Donalies, Der Antheil Westphalen’s an d. Feldzügen des Herzogs Ferdinand v. Br. in d. Forsch. z. Brand. u. Preuß. Gesch. VIII. B., S. 1–57, 319-417. – Herzogl. Landes-Haupt-Archiv in Wolfenbüttel.