ADB:Werndl, Joseph
[18] auf jede Weise zu heben suchte; 1862 übernahm er die selbständige Leitung desselben. – Sogleich ging nun W. mit der ihm eigenen Energie daran, sein Etablissement, in dem bisher nur Waffenbestandtheile zur Lieferung für die Waffenfabriken in Wien, Prag und Ferlach erzeugt wurden, in eine selbständige Waffenfabrik umzuwandeln. Kaum hatte er das erreicht, so suchte er in directe Geschäftsverbindung mit Amerika zu treten, woher gerade damals während des Bürgerkrieges viele Waffenbestellungen in Europa einliefen. W. reiste selbst nach Amerika. Seinen beabsichtigten Zweck konnte er zwar nicht erreichen; dafür aber lernte er auf dieser Reise die Gewehrerzeugung lediglich mittelst Specialmaschinen kennen, und nach seiner Rückkehr ging er sofort daran, dieses System consequent und rasch auch in Steyr durchzuführen. So kam es, daß seine Fabrik in kurzer Zeit eine der leistungsfähigsten Europas wurde. – 1867 vereinigte er sich mit seinen Brüdern Franz und Ludwig zur Firma J. F. Werndl u. Comp. Als nach dem Jahre 1866 die österreichische Regierung an die Einführung des Hinterladersystems schritt, war das „Werndl-Gewehr“ es, das unter mehr als hundert eingereichten Systemen als das beste befunden und angenommen wurde. 80 000 Vorderlader wurden in das neue System umgewandelt, und nach und nach die Bewaffnung der ganzen österreichischen Armee mit dem Werndl-Gewehre durchgeführt. Die Fabriksanlagen mußten abermals vergrößert werden, und 1869 wurde die Firma J. F. Werndl u. Comp. in eine Actiengesellschaft mit dem Titel: Oesterreichische Waffenfabriks-Gesellschaft umgewandelt, deren Generaldirector Jos. W. blieb. – Rastlos war er für die Weiterentwicklung der Unternehmung thätig. Als 1873 die deutsche Regierung das „Mauser-Gewehr“ einführte, gelang es der Umsicht und Energie Werndl’s, für die österreichische Waffenfabrik die Lieferung eines großen Theiles dieser Gewehre und großer Quantitäten von Gewehrbestandtheilen zu erhalten. Die tadellose und schnelle Ausführung dieser Bestellung begründete den Weltruf des Steyrer Etablissements. Bald liefen große Neubestellungen von Frankreich, Griechenland, Rumänien, Montenegro etc. und selbst von außereuropäischen Staaten, namentlich von Persien ein. – Anfangs der achtziger Jahre trat durch längere Zeit ein Stillstand in der Waffenerzeugung ein, tausende von Arbeitern mußten entlassen werden; für die übrigen aber sorgte W. durch eine Reihe von anderen Unternehmungen. Eins der größten davon ist die von ihm angeregte elektrische Ausstellung in Steyr im J. 1884. – Mit der Einführung der Repetirgewehre kam neues Leben in die österreichische Waffenfabrik. Die Neubewaffnung des österreichischen Heeres mit dem Mannlicher-Gewehr wurde ihr fast ausschließlich übertragen, und kurz vor seinem Tode gelang es W., für dieselbe auch von Deutschland die Bestellung von 250 000 Repetirgewehren zu erhalten. Beim Tode Werndl’s beschäftigte die Steyrer Fabrik etwa 8000 Arbeiter, die wöchentlich etwa 8000 Gewehre herzustellen im Stande waren. – Der Actien-Gesellschaft selbst hat W. eine vortreffliche Organisation gegeben. Für die Arbeiter war er ein wahrer Vater; für sie und ihre Familien baute er eine große Anzahl netter, gesunder Wohnungen; die Stadt Steyr, insbesondere die Armen verehren ihn noch heute wegen seiner humanen Schöpfungen als ihren größten Wohlthäter. – W. war seit dem Jahre 1853 mit Caroline, einer Tochter des Messerfabrikanten Heindl in Wieserfeld, vermählt; dieser Ehe entsprossen fünf Kinder, drei Söhne: Franz, Ludwig und Eduard, und zwei Töchter: Caroline und Anna, von denen erstere mit Baron Imhof, letztere mit Josef Graf Lamberg vermählt ist. – 1894 wurde W. auf dem Franz-Josef-Platz in Steyr ein von Prof. Victor Tilgner in Wien in Erz ausgeführtes Monument gesetzt, dessen Enthüllung am 10. November desselben Jahres stattfand.
Werndl: Joseph W., Generaldirector der österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft, geboren zu Steyr in Ob.-Oesterr. am 26. Februar 1831, † ebendaselbst am 29. April 1889. Seine Eltern, Leopold und Anna W., betrieben anfänglich eine Bohrerschmiede, die sie noch in den zwanziger Jahren zu einer kleinen Fabrik erweiterten, in welcher Gewehrbestandtheile erzeugt wurden. – W. besuchte zuerst durch sechs Jahre die Normalschule seiner Vaterstadt, erlernte dann in Wien bei dem Gewehrfabrikanten Fruhwirth die Büchsenmacherei und in seiner Heimath die Feilenhauerei. Nun begab sich der junge Mann auf die Wanderschaft, wobei er in den verschiedensten Werkstätten und Fabriken sich jene praktischen Kenntnisse aneignete, die ihn später in den Stand setzten, alle Arbeiten seiner Fabrik bis ins kleinste Detail selbst beurtheilen und controlliren zu können. 1849 ließ sich der thatendurstige Jüngling ohne Wissen seiner Eltern in Wien freiwillig zu einem Chevaulégersregimente assentiren, wurde aber bald auf Betreiben seiner Eltern „commandirt beurlaubt“. Nach Steyr zurückgekehrt, etablirte er sich zuerst selbständig und beschäftigte in einer „Schleife“ etwa ein Dutzend Arbeiter. Nach dem Tode seines Vaters 1855 unterstützte er seine Mutter auf das thatkräftigste in der Fortführung des Geschäftes, das er