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Artikel „Weiß, Christian Ernst“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 562–563, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9F,_Christian_Ernst&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:17 Uhr UTC)
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Weiß: Christian Ernst W., Professor der Mineralogie an der Bergakademie und Landesgeologe in Berlin, sehr geachtet als Mineralog, Geolog, insbesondere als ausgezeichneter Phytopaläontolog, Neffe des berühmten Berliner Mineralogen Samuel Weiß, war der Sohn eines Kaufmanns in Eilenburg, wo er am 12. Mai 1833 geboren war. Frühzeitig seiner Eltern beraubt erhielt er seine Jugenderziehung bei Verwandten, besuchte das Gymnasium in Merseburg und bezog 1854 die Universität Halle a./S., dann 1855 die in Berlin, wo er unter Beyrich, Rose, Ritter und seinem Onkel Weiß, der ihm in seinen Studien sehr förderlich war, seine akademische Ausbildung vollendete. Zu Ostern 1858 unterzog er sich der Prüfung pro facultate legendi und erwarb sich in Halle 1859 den Doctorhut mit der Dissertation: „Ueber krystallographische Entwicklungen, besonders des Quarzsystems“, worin er das in ihm schon von früher Jugend an erwachte Talent zur Naturforschung deutlich an den Tag legte. 1860 wurde W. als Lehrer an die Bergschule nach Saarbrücken berufen, wo er, sieben Jahre lang thätig, sich hauptsächlich mit der geologischen Erforschung des Pfälzisch-Saarbrückner Kohlengebirgs und mit phytopaläontologischen Studien eingehend beschäftigte. Die Ergebnisse dieser umfassenden Untersuchungen legte er 1868 in der Schrift: „Begründung von fünf geognostischen Abtheilungen in den Steinkohlen-führenden Schichten des Saar-Rheingebietes“ nieder und lehrte darin auf Grund paläontologischer Feststellungen die Scheidung des echten, älteren Steinkohlengebirgs von einer jüngeren, zum Rothliegenden hinführenden Schichtenreihe, die er Cuseler Schichten nannte, kennen. Gemeinschaftlich mit Laspeyres veröffentlichte er sodann auch eine geognostische Uebersichtskarte dieses Gebiets. Damit war die Hauptrichtung aller seiner späteren, sehr umfassenden Arbeiten, nämlich die der Phytopaläontologie vorgezeichnet, obwol er auch auf dem mineralogisch-petrographischen Gebiete Vortreffliches leistete, wie die Lösung der von der Haarlemer Gesellschaft gestellten Preisfrage in der Schrift: „Beiträge zur Kenntniß [563] der Feldspathbildung und der Entstehung vom Quarztrachyt“ (1866), dann später (1880) die Abhandlung: „Die Krystallisationsgesetze seit Ch. S. Weiß, insbesondere die Lehre von der Hemiëdrie, erörtert am Diamant“, sowie zahlreiche kleinere Aufsätze mineralogischen Inhalts beweisen. Sein Hauptarbeitsfeld aber war das der Phytopaläontologie, in welcher er bahnbrechend voranschritt. Unter den ungemein zahlreichen Publicationen über Pflanzenversteinerungen sind besonders jene von hervorragendster Bedeutung, welche sich auf die Pflanzenreste des Steinkohlengebirgs und der diesem zunächst sich anschließenden jüngeren Permocarbonschichten sowie der Ablagerungen des Rothliegenden beziehen. Inzwischen war W. 1868 zum Mitarbeiter an der neu gegründeten geologischen Landesanstalt ernannt und ihm als Wohnsitz Bonn angewiesen worden, wo er auch gleichzeitig sich an der Universität als Privatdocent für Mineralogie und Geologie habilitirte. Neben seinen geologischen Aufnahmsarbeiten fand hier W. noch Zeit, sein erstes größeres Werk: „Flora der jüngsten Steinkohlenformation und des Rothliegenden im Saar-Rheingebiet“ (1869–1872) mit 20 Tafeln vortrefflicher Abbildungen zur Veröffentlichung zu bringen, eine Arbeit, welche für dauernde Zeit ein Hauptwerk für die Pflanzenversteinerungskunde der betreffenden Schichtengruppen bleiben wird. Im J. 1872 wurde W. als Docent für Mineralogie an die Bergakademie nach Berlin berufen, in welcher Stellung er neben seiner fortdauernden Beschäftigung bei der geologischen Landesaufnahme eine sehr erfolgreiche Thätigkeit bis zu seinem Lebensende entfaltete. Als Landesgeologe stellte er viele geologische Kartenblätter nebst Erläuterungen namentlich in der Saarbrücker Gegend und des Thüringer Waldes fertig, setzte aber auch ununterbrochen mit unermüdlichem Fleiße seine paläontologischen Forschungen und Publicationen fort, wobei er an dem Grundsatz festhielt, daß es die Aufgabe der Versteinerungskunde sei, die organischen Ueberreste systematisch zu beleuchten, ihre Verwandtschaft zu noch lebenden Formen festzustellen und durch die Ermittelung ihrer geologischen Vertheilung in den Gesteinsschichten Anhaltspunkte zu gewinnen, um gleich- und ungleichalterige Gebilde zu erkennen. Von seinen zahlreichen in dieser Richtung ausgeführten Arbeiten können hier nur einige wenige der wichtigsten hervorgehoben werden wie: „Ueber die Entwicklung der fossilen Floren in den geologischen Perioden“ (1877); „Ueber Steinkohlen-Calamarien (1876 bis 1884); „Flora des Rothliegenden von Wünschendorf“ (1879); „Beiträge über die vertikale Verbreitung der Steinkohlenpflanzen“ (1881); „Aus der Flora der Steinkohlenformation“ (1882) mit zahlreichen Abbildungen, welche dem praktischen weniger paläontologisch geübten Bergmann eine leicht auszuführende Orientirung ermöglichen; „Die Steinkohlen-führenden Schichten am Harzrande“ (1883); „Beiträge zur fossilen Flora I–IV“ (1888); „Die Sigillarien der preuß. Steinkohlengebiete“ (1887) u. s. w. Schon seit 1882 begann W., der sich nie einer festen Gesundheit zu erfreuen hatte, ernstlich zu kränkeln. Vergebens suchte er Heilung in Bädern und an südlich gelegenen Orten, wie in San Remo, wo er das Erdbeben vom Februar 1887 erlebte und in einer seiner letzten Publicationen schilderte. Er erlag endlich seinem Leiden am 4. Juli 1890 in Schkeuditz bei Halle a. S.

Neues Jahrb. f. M., G. u. P. 1891, I.