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Artikel „Weber, Friedrich Wilhelm“ von Max Mendheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 296–298, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weber,_Friedrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 05:06 Uhr UTC)
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Band 41 (1896), S. 296–298 (Quelle).
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Weber: Friedrich Wilhelm W., Arzt, Politiker und Dichter, wurde am 26. December 1813 in dem Dorfe Alhausen bei Driburg geboren. Sein Vater, Johannes W., ein stiller Mann mit gutmüthig-trockenem Humor, bekleidete die Stelle eines Försters, mit dem der Knabe viel im Walde umherstreifte, und dessen Belehrung über alles Merkwürdige in der freien Natur sich später vielfach in den Dichtungen des Mannes widerspiegelt. Seine Mutter, Maria Anna geb. Gehlen, war eine kluge, verständige Frau, die mit ihrer Freude an Poesie und Musik großen Einfluß auf das dichterische Gemüth des Sohnes hatte, der ihr denn auch sein Leben lang mit inniger Liebe zugethan war. Nachdem er den ersten Elementarunterricht in der Schule seines Heimathdorfes genossen hatte, kam W. im October 1825 auf das Gymnasium zu Paderborn, wo er sich auch bereits im Versemachen versuchte. Im Herbst des Jahres 1833 bestand er dann mit glänzendem Erfolge die Reifeprüfung und bezog nun die Universität Greifswald. Seine Studien galten hier insbesondere der deutschen und der classischen Philologie, später vorwiegend der Medicin. Im Herbst 1836 ging er von Greifswald nach Breslau, wo er seine Studien zum Abschluß zu bringen gedachte und an Gustav Freytag, der sich im ersten Semester hier befand, einen seine Dichtkunst bewundernden Freund erwarb, an dessen Alterthumsstudien W. liebevoll theilnahm.

Im December 1838 erwarb sich W. in Greifswald die medicinische Doctorwürde und begab sich dann zu seiner weiteren Ausbildung auf Reisen; er zog zu Fuß durch Oesterreich nach Italien und reiste dann von Neapel aus über Marseille und Lyon nach Paris, überall auf seine weitere praktische Ausbildung bedacht und besonders in den Krankenhäusern der großen Städte, die er berührte, lernend und dienend als Arzt wirksam. Nachdem er sodann im Winter von 1839 auf 40 in Berlin sein Staatsexamen bestanden hatte, ließ sich W. im Frühjahre 1842 als Badearzt in Driburg bei Paderborn nieder, wo er nun 26 Jahre lang wirkte und sich auch am 31. Januar 1850 mit Anna Gipperich vermählte, die ihm in der Folge zwei Kinder, ein Mädchen und einen Knaben, schenkte. Neben seiner Praxis in Driburg war er von 1856–67 während der Saison zugleich als Brunnenarzt in Lippspringe thätig. Im Frühjahre 1867 gab er diese Thätigkeit auf und zog nach Thienhausen bei Pyrmont, damit einer Einladung seines edlen Gönners, des Freiherrn Guido von Haxthausen folgend, der ihm sein dortiges Schloß einräumte, das W. im Juni 1887 mit einem eigenen Heim in der Nähe des Städtchens Nieheim vertauschte, wo er auch am 5. April 1894 starb.

In seiner Einsamkeit auf Thienhausen begann sich W. in der alten Bibliothek des Schlosses nun wieder von neuem mit seinen ehemaligen Lieblingsstudien zu beschäftigen und auch seine Dichtungen wieder aufzunehmen. Zunächst machte er sich hier an die Uebersetzung von Tennyson’s „Enoch Arden“ und „Aylmers [297] Field“, die 1869 erschienen; dann gab er 1872 „Schwedische Lieder, übersetzt und mit ihren Singweisen und Klavierbegleitung“ heraus, denen er 1874 eine Uebersetzung von Tennyson’s „Maud“ folgen ließ. Alle diese Uebersetzungen zeigen W. als einen feinfühligen sprach- und stilgewandten Dichter, dem sein eigenes poetisches Gefühl bei seinen Uebertragungen wohl zu statten kam.

Aber weder diese Arbeiten, denen 1863 auch eine medicinische Fachschrift „Die Arminiusquelle zu Lippspringe“ vorangegangen war, noch Weber’s Thätigkeit als Arzt, so angesehen und beliebt er auch als solcher war, noch endlich sein Mandat für das preußische Abgeordnetenhaus, das er von 1861 bis zur Herbstsession 1893 (mit Ausnahme der Sommersitzung 1862) als Mitglied der Centrumspartei redlich erfüllte, haben seinen Namen in weiteren Kreisen bekannt gemacht und ihm ein dauerndes Andenken gesichert. Dies änderte sich mit einem Male, als der schon im 65. Lebensjahre stehende Mann im September 1878 mit dem episch-lyrischen Gedicht „Dreizehnlinden“ vor die Oeffentlichkeit trat. Sogleich nahm damals die ganze gebildete Welt Deutschlands, vor allem aber der katholischen Kreise, innigen Antheil an dem Werke, indem man von dieser Seite weniger die poetischen Schönheiten des Gedichtes zum Maßstabe der Beurtheilung machte, als vor allem den Umstand, daß ein überzeugter Anhänger der katholischen Kirche darin einzelne Einrichtungen derselben, poetisch verklärt, geschildert hatte, noch dazu in jenen Zeiten des leidigen Culturkampfes. Und doch ist es falsch, wie vielfach geschehen ist, das ganze Gedicht von diesem Standpunkte aus zu betrachten. W. hat es sicher nicht in diesem Sinne geschaffen. Er ist einfach den Anregungen gefolgt, die ganz von selbst nach dem siegreichen Kriege während der siebziger Jahre in Deutschland hervortraten. Die Schöpfungen Gustav Freytag’s, Dahn’s und vieler anderen in diesen Jahren zeigen, wie sich damals auch in der deutschen Litteratur ein besonderes nationales Streben, eine gewisse Vorliebe für das deutsche Alterthum und Mittelalter geltend machten im Gegensatz zu den bis dahin stark geübten Nachäffungen französischer Moden und Sitten in den höheren Gesellschaftskreisen. W. hat in seinen „Dreizehnlinden“ eine einfache aber anmuthige Fabel aus dem deutschen Mittelalter behandelt, dabei zahlreiche interessante und geschickt eingeflochtene Culturbilder geboten und durch gewandte Handhabung der Sprache reiche Abwechslung in den Ton des Ganzen zu bringen vermocht. So wechseln, in demselben Versmaß behandelt – allerdings dem gefügigen und für die deutsche Sprache gerade sehr geeigneten vierfüßigen Trochäus –, ernste Betrachtungen mit heiteren Zwiegesprächen und lieblichen Naturschilderungen erfreulich ab. Die eigentliche Fabel aber ist nicht mehr und nicht weniger als eine jener beliebten Bekehrungs- und Liebesgeschichten, in anmuthigem Gewande, mit theilweise prächtiger Charakterisirung einzelner Gestalten und lebendiger Schilderung der Ereignisse, aber doch ohne größere Tiefe und packende Gewalt, harmlos, schlicht, durchsichtig von Anfang bis zu Ende, und – zu Weber’s Lobe muß man dies sagen – ohne sichtbare confessionelle Tendenz, wenn auch hier wie in fast allen seinen Werken das tiefe religiöse Gemüth des Dichters überall deutlich hervortritt. Als gläubiger Katholik dagegen offenbart er sich besonders in seinen „Marienblumen“ (1885 als Prachtwerk erschienen mit Illustrationen [Madonnenbildern von Blumen umrankt] nach Ittenbach, 1892 auch in kleiner Ausgabe ohne Illustrationen) und allenfalls in der religiösen Dichtung „Vater unser“ (9 Strophen zu Bildern von P. Thumann), sowie in den Strophen zu 12 Alberttypien zu Cartons von P. Molitor, die „Das Leiden unseres Heilandes“ (1892) darstellen. Seine übrigen kleineren Gedichte, von denen zuerst 1881 und aus seinem Nachlaß unter dem Titel „Herbstblätter“ 1895 eine Sammlung erschien, behandeln in formvollendeten Versen, ernst und sinnig, die Schönheit der Natur [298] die Leiden der Liebe, sowie in Balladen Gestalten und Begebenheiten aus der Geschichte und Sage, denen sich noch kurze Sprüche mit scharfer Betonung seiner Lebensansichten anreihen. Eine größere Dichtung eigener Art, ihrem Inhalt wie ihrer Form nach aber gänzlich verschieden von „Dreizehnlinden“, ihrem poetischen Werthe nach noch über dieses Werk zu stellen, lieferte W. mit der poetischen Erzählung „Goliath“ (1892) in 14 Gesängen, in fünffüßigen reimlosen Jamben. Die markigen Gestalten in der sie umgebenden gewaltigen, rauhen und doch in ihrer Größe so schönen nordischen Natur sind von W. in angemessener, knapper, volltönender, ernster Sprache geschildert und treten in dieser schlichten, so wehmüthig ausgehenden Erzählung edel und plastisch hervor.

Ueber Weber und seine Dichtungen handeln Therese Treu (in der Monatsschrift für katholische Lehrerinnen, 6. Jahrgang), Keiter (1891) und Hoeber (1894), über die Dichtung „Dreizehnlinden“ im Besonderen: Stöckle (1890), F. Fischer (in der Kathol. Zeitschrift f. Erziehung u. Unterricht, 40. Jahrg., S. 251–256 und Rabenlechner (1892).