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Artikel „Waldung, Wolfgang“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 724–725, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Waldung,_Wolfgang&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:27 Uhr UTC)
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Waldung: Wolfgang W., Schulmann und Arzt des 16.–17. Jahrhunderts. Zu Nürnberg im August 1555 geboren, studirte er in Wittenberg Philosophie und Physik, in Jena Medicin, wandte sich jedoch darauf dem Lehrerberufe zu; daneben freilich prakticirte er als Arzt und unterschrieb sich bis in sein höheres Alter: „Philosophiae magister et medicinae amator“. Nachdem er seit 1582 an der Spitalschule und seit 1585 an der Sebaldschule zu Nürnberg unterrichtet hatte, wurde er 1592 an das akademische Gymnasium zu Altdorf berufen und erhielt 1608 die Professur der Physik an der Altdorfer Universität. Er starb, nachdem er viermal verheirathet gewesen war, am 18. October 1621 zu Nürnberg und wurde in Altdorf bestattet.

Waldung’s zahlreiche Gelegenheitsschriften findet man bei Will verzeichnet. Sie behandeln mannichfache Themata allgemeineren Inhalts, wie das Lob des Frühlings, die Misère des Schulmeisterlebens, eine Vergleichung des Gelehrten- und des Kaufmannsstandes, oder aus der Theologie (von den guten und bösen Engeln), Philosophie, Naturkunde und Medicin (vom Makrokosmus, vom Nutzen des Aderlasses, von den Meteoren u. a.) und legen jedenfalls von seiner geistigen Regsamkeit und Vielseitigkeit Zeugniß ab. In seiner 1619 zu Amberg erschienenen „Lagographia“ trägt er sorgsam alles zusammen, was antike und neuere Autoren vom Hasen erzählen, auch Fabeln und Sprichwörter, und bespricht seine Verwendbarkeit in der Arzneikunde. Außerdem hat W. auch ein paar unbedeutende Gelegenheitsgedichte, sowie fünf Schulkomödien, alles in lateinischer Sprache, abgefaßt: 1. „Orestes“ (Altdorf 1593 und 1612); 2. „Oedipus“ (ebd. 1596); 3. „Catharinae martyrium“ (Nürnberg 1602); 4. „Aethiopicus amor castus“ (ebd. 1605); 5. „Cymon Galesus“ (ebd. 1616). Von diesen für das Altdorfer Schultheater bestimmten und am Stiftungsfeste der Anstalt am 29. Juni zur Aufführung gebrachten Stücken sind die beiden ersten merkwürdig als Versuche, die aus dem Alterthum erhaltenen Dramatisirungen der Orestessage und der Oedipuslegende zu einem Ganzen zu verschmelzen. So streicht W. im Orest zunächst den Agamemnon des Seneca auf einen Act zusammen, unterzieht dann im 2. und 3. Acte die sophokleische Electra, und zwar in der lateinischen Uebersetzung Naogeorg’s (1558) dem gleichen Verfahren und hängt endlich als 4.–5. Act den euripideischen Orestes (lateinisch von Sig. Gelous 1551) an. Im Oedipus schweißt er den König Oedipus des Sophokles (Act 1–3), die Phönissen des Seneca und das gleichnamige Drama des Euripides (4–5) und die sophokleische Antigone (6–7) zusammen. Natürlich geht es dabei nicht ohne gewaltsame Kürzungen der Monologe und Dialoge ab: doch läßt sich ein gewisses Streben nach [725] Modernisirung der antiken Stoffe nicht verkennen; die Chorlieder fehlen gänzlich. – Etwas mehr Selbständigkeit verrathen die drei übrigen, in glatter Prosa geschriebenen Stücke, die W. selbst bescheidentlich als Dialoge (dialogi forma exhibitus oder transformatus) bezeichnet. In dem Aethiocipus amor schildert er die tugendhafte Liebe des Theagenes und der Chariklea nach Heliodor’s Roman, versteht aber weder die weitläufige, in Aegypten, Delphi, Zakynthos, Memphis und Aethiopien spielende Handlung zu concentriren noch die mit Sentenzen gespickte Wechselrede lebendig zu gestalten. Besser gerathen ist die Bearbeitung der von Philipp Beroaldus (Opuscula 1509 Bl. 33b) übersetzten Novelle Boccaccio’s von Cimon und Iphigenia (Dekameron 5, 1). Hier zeigen sich in der Vorführung des bäurisch-plumpen Helden, der (II, 4) ganz in der Weise des deutschen Fastnachtspiels bei der Liebeserklärung seinen Hausrath aufzählt, dem ohnmächtigen Fräulein ein stercus equinum unter die Nase hält und sich später von Schneider und Schuster über modische Kleidung belehren läßt, sowie in der Rolle des exemplarischen Schulmeisters Philoponus und des närrischen Knechtes Davus erfreuliche Ansätze zur Charakteristik, die er dem kräftigeren Talente Frischlin’s oder Cramer’s abgelernt haben mag. Aber dann gerathen des Autors pädagogische Grundsätze in Conflict mit dem von Paul Heyse so schön zum Ausdruck gebrachten Gedanken der Novelle, daß wahre Liebe (insanus amor, sagt W. im Vorworte) oft besser erzieht als die Ermahnungen der Eltern und Lehrer; und die zweite Hälfte des Stückes, in der sich Iphigenia völlig schweigend verhält und das Eingreifen des Lysimachus recht überraschend erfolgt, fällt gänzlich ab. Eine weitergehende Wirkung haben Waldung’s Dramen trotz der beigedruckten Lobpreisungen seiner Freunde C. Rittershaus, M. Virdung und G. Mauricius des Jüngeren nicht ausgeübt; nur der Pegnitzschäfer S. v. Birken scheint, was ich z. Z. nicht nachprüfen kann, 1656 in seinem Nachspiele Sylvia den Cymon benutzt zu haben.

Will-Nopitsch, Nürnbergisches Gelehrten-Lexikon 4, 164 (1758); 8, 380 (1808). – In Goedeke’s Grundriß fehlt Waldung. – Ueber die offenbar dem Straßburger Theatrum academicum nachgebildete Altdorfer Schulbühne findet man einiges bei Will, Bibliotheca Norica 5, 252 (1777) und bei Franz, Der sächsische Prinzenraub (Marburger Diss. 1891) S. 35 zusammengestellt. – Ueber eine Aufführung des Orestes i. J. 1601 vgl. Bolte, Das Danziger Theater 1895, S. 30.