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Artikel „Vos, Jan“ von Ernst Martin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 321–322, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vos,_Jan&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 06:06 Uhr UTC)
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Vos: Jan V., holländischer Dramatiker des 17. Jahrh. Das Geburtsjahr ist unbekannt, muß aber vor 1620 fallen, da V. 1639 heirathete. Seines Zeichens ein Glaser, wurde er 1641 wahrhaft berühmt durch seinen Aran en Titus, eine Bearbeitung des Stoffes, den Shakespeare in Titus und Andronicus behandelt [322] hatte, der aber dem holländischen Dichter nur in einer vergröbernden Fassung durch die englischen Komödianten bekannt geworden zu sein scheint. Die gräuelvolle Geschichte wird mit bombastischen Reden vorgeführt. Das Drama erhielt nicht nur, und zwar auf lange hinaus, den größten Beifall der Zuschauer aus dem Volke, es ward von der Schuljugend in Tiel 1658 ins Lateinische übersetzt. Die besten zeitgenössischen Dichter bewunderten V.: Barläus, Vondel, Tesselschade. Er ward in den Kreis eingeführt, der sich auf dem Schlosse zu Muyden um Hooft versammelte. In der vornehmen Familie Huydecoper ward er gewissermaßen der Hauspoet. Daß er als ein des Lateins unkundiger Handwerker ein solches Werk verfaßt hatte, wurde immer von neuem bestaunt: das Wortspiel auf seine Beschäftigung (dichten heißt auch Glasplatten einsetzen) kehrt oftmals wieder. V. ward zum städtischen Glasermeister ernannt, auch zum wijnroeijer d. h. Weinvisierer. Bedeutsamer war seine Erwählung zum Regenten der Schouburg 1647. Die Theaterleitung besorgte er in verdienstlicher Weise: er drang auf einen Neubau, worin die Flugmaschinen und ähnliche Vorrichtungen, die er zur Aufführung seiner Dramen brauchte, besser angebracht werden konnten. Als das neue Theater 1665 eingeweiht wurde, schrieb V. das Drama „Medea“, worin z. B. eine Sternschnuppe zur Erde fällt und in die acht Planeten sich zertheilt, deren Darsteller dann ein Ballet tanzen. Ob er im Uebrigen die Medea selbständig dichtete, ist unbekannt. Eine Klucht van Oene verfaßte er 1642, ließ sie aber später nicht aufführen: der Inhalt ist allerdings ebenso anstößig, als die Sprache niedrig. Nur das Volkstümliche daran kann interessiren, z. B. das eingelegte Kindermärchen von Kohle, Bohne und Halm. V. hatte auch mehrmals für öffentliche Feste lebende Bilder zu stellen, besonders bei Besuchen vornehmer Personen. Auch hier zeigte sich sein bunter, crasser Geschmack. 1660 ließ er u. A. auch die Hinrichtung Karl’s I. von England darstellen, was die Prinzeß von Oranien, Karl’s Tochter, mit begreiflicher Entrüstung ansah. Solche Tactlosigkeiten zogen dem Dichter heftige Angriffe zu. Auch er hatte, wie Vondel, mit den orangistischen Prädicanten zu kämpfen, um so mehr, als er katholisch war, wenn auch, seinem vornehmen Umgang angemessen, ohne jeden Fanatismus. Er selbst antwortete mit Puntdichten, welche für uns vielfach räthselhaft bleiben müssen. Seine Werke erschienen als: Alle de gedichten van den Poëet J. V. verzamelt en uitgegeven door J. L. t’Amsterdam 1662. Bald nach seinem Tode 1667 änderte sich der Geschmack in den maßgebenden Kreisen: das Gepolter ward lächerlich, die Derbheit erschien als gemein. Doch blieben Verse von V. noch spät in den bürgerlichen Kreisen Amsterdams wohlbekannt. Wenn auch kein wahrer Dichter, ist V. doch eine wichtige Erscheinung in der Blüthezeit Hollands.

J. A. Worp, Jan Vos, Proefschr. Groningen 1879.