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Artikel „Tscherte, Hans“ von Karl Weiß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 716–718, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tscherte,_Hans&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 18:19 Uhr UTC)
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Tscherte: Hans T., Baumeister (Geburtsjahr unbekannt, gestorben im September 1552 zu Wien). Derselbe entstammt einer slavischen Familie, welche im 15. Jahrhundert in Brünn ansässig war. Ueber seine Jugendjahre und seinen Bildungsgang fehlen nähere Nachrichten. Um das J. 1510 übersiedelte T. nach Wien. Im J. 1512 erwerben er und seine Frau Veronika das unter den Tuchlauben [717] Nro. 439 gelegene Haus in der Stadt. Für die geachtete Stellung, welche T. einnahm, zeugt der Umstand, daß er im J. 1515 in den inneren Rath gewählt und in den J. 1516, 1517, 1518, 1519, 1520 und 1522 in denselben neuerdings berufen und gleichzeitig mit dem Amte eines Spitalmeisters betraut wurde. In dem Kampfe, welchen der Stadtrath um die Behauptung seiner alten Freiheiten gegen die Regierung des Kaisers Max I. führte und der nach dessen Tode zum Sturze der alten Regierung und zur Einführung einer neuen ständischen Regierung führte, stand T. auf der Seite der letzteren, ohne jedoch so weit gegangen zu sein, wie Bürgermeister M. Siebenbürger und dessen Anhang, welche zum offenen Aufruhr schritten. Wenigstens zählte er nicht zu jenen Stadträthen, welchen Erzherzog Ferdinand nach seiner Besitzergreifung der österreichischen Erblande den Hochverrathsproceß gemacht hatte und deren Führer er in Wiener Neustadt hinrichten ließ. Als der Nürnberger Reichstag im J. 1522 einen allgemeinen Convent zur Abwendung der Türkengefahr eingesetzt hatte, war T. Mitglied des für die österreichischen Erblande eingesetzten Ausschusses und verweilte während des Reichstages in Nürnberg, wo seine Kenntnisse und Erfahrungen in militärischen Bauten zur Geltung gelangten. Wenige Jahre darauf, als die Türkengefahr immer näher gerückt war, trat er in königliche Dienste. Im J. 1528 ernannte König Ferdinand I. T. zum Brückenmeister der Donaubrücke bei Wien und noch in demselben Jahre zum Baumeister in Nieder-Oesterreich; in der letzteren Eigenschaft hat er die Aufgabe die Stadt Wien in einen besseren Vertheidigungsstand zu setzen. Als die Türken im J. 1529 vor Wien erschienen waren, leitete T. erfolgreich alle für die Vertheidigung der Hauptstadt und des Landes Niederösterreich erforderlichen Befestigungsarbeiten. Und als die traurigen Folgen, welche der Fall Wiens bei einem etwaigen neuerlichen Vordringen der Türken für ganz Oesterreich und Deutschland haben könnte, gewürdigt und eine Umgestaltung der Stadt in eine moderne Festung beschlossen wurde, ward T. ein hervorragendes Mitglied der zur Feststellung und Ausführung des Planes eingesetzten Commission und blieb in derselben bis zu seinem Tode thätig. Im Auftrage des Kaisers setzte T. die Hofburg in Wien, ferner die gegen die ungarische Grenze gelegenen befestigten Schlösser in Niederösterreich gegen feindliche Angriffe – in Stand, er bereiste 1540 trotz seines schon vorgeschrittenen Alters über Begehren des obersten Feldhauptmanns Freiherrn v. Ungnad die Grenzfestungen in Steiermark und Kärnten, traf Anordnungen zu deren Verstärkung und führte das neue Bollwerk bei der Augustiner Bastei gemeinschaftlich mit dem italienischen Baumeister Franz de Pozzo, mit den Wiener Baumeistern Bonifaz Wolmuet und Benedict Kölbl aus. T. war ein gebildeter und in dem neueren Fortificationswesen gut unterrichteter Mann. Er stand mit Albrecht Dürer und Pirckheimer in lebhaftem freundschaftlichen Verkehr. Unter den Blättern des ersteren besteht ein Holzschnitt mit dem Wappen T., einen wilden Mann und zwei Hände darstellend, welches sich auch auf der Innenseite des Deckels des seltenen Druckwerkes des Leo Alberti Florentini vorfindet mit dem darunter befindlichen Distichon:

Joannis quaquam sint pulchra insignia Tscherte

Vir tamen ingenii est clarior ille bonis

C. M. O. 1536.

Bekannt ist auch das Concept eines in der Nürnberger Stadtbibliothek vorhandenen Briefes, den Pirckheimer nach dem Tode Dürer’s an seinen Freund T. richtete, worin er in der Aufwallung, daß die Witwe ein paar in dem Besitze ihres Mannes gewesene, schöne Hirschgeweihe ohne sein Wissen verkauft hatte, eine keineswegs schmeichelhafte Schilderung der Dürerin entwirft, welche M. Thausing in seinem Leben Dürer’s allerdings auf das richtige Maaß zurückgeführt hat. [718] Eine Tochter Tscherte’s war an den Hofmaler des König Ferdinand I. Jacob Seifenecker verheirathet. Sein Sohn Sebastian machte sich wieder in seiner Heimath ansässig.