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Artikel „Stichart, Franz Otto“ von Georg Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 164–165, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stichart,_Franz_Otto&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 11:20 Uhr UTC)
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Stichart: Franz Otto St. (ursprünglich Stichert), sächsischer Geistlicher und Volksschriftsteller, wurde 1810 in Werdau als Sohn eines Kaufmanns geboren. Er besuchte zunächst die Schule seiner Vaterstadt, von 1822–1828 das Zwickauer Gymnasium und widmete sich dann dem Studium der Theologie auf der Universität Leipzig. Er vertauschte diese 1829 auf ein Jahr mit der Universität Halle, wo er Gesenius, Wegscheider, Ullmann, Tholuck, Thilo und Gerlach hörte. Nachdem er von 1832 an als Lehrer an der Bürgerschule seiner Vaterstadt thätig gewesen war, wurde er 1844 Pfarrer in Jöhstadt im sächsischen Erzgebirge und ging 1852 in das Pfarramt zu Reinhardtsgrimma über. 1875 trat er in den Ruhestand und ließ sich in Dresden-Antonstadt nieder, wo er am 5. April 1883 starb. Neben seiner Wirksamkeit im geistlichen Amte entwickelte er mit sächsischer Betriebsamkeit eine vielseitige Thätigkeit. Im J. 1860 rief er den „Verein zur Unterstützung verwaister und unversorgter Predigerstöchter im Königreich Sachsen“ ins Leben, zu dessen finanzieller Unterstützung er von 1871 an den „Amtskalender für evangelische Geistliche im Königreich Sachsen“ herausgab. 1882 trat der Verein, nachdem er bereits zahlreiche segensreiche Unterstützungen hatte gewähren können, mit einem Vermögen von 30 000 Mark dem neugegründeten Landesvereine bei. Daneben war St. fast sein ganzes Leben hindurch schriftstellerisch thätig. Für die Bedürfnisse seiner Schulthätigkeit schrieb er einen „Wegweiser in das Gebiet der lateinischen Sprache und Grammatik“ (1839), ein „Handwörterbuch der Synonymik der deutschen Sprache für Volksschullehrer“, dazu eine „Kleine Synonymik für Schulen“ (beide 1841). Ins Gebiet der biblischen Theologie gehören die Abhandlungen über „die Lehre von dem Beistande des heiligen Geistes zur Besserung“ (1835), „De reditu Christi ad iudicium solenne“ (1841) und „De vi quae fidei in Christi resurrectionem habitae tribuenda est“ (1867). Von asketischen Schriften sind zu nennen mehrere Predigten, sowie ein Andachtsbuch „Unser Wandel mit Gott. Frei nach Baxter“ (1865). Zur Vertheidigung Luther’s und der evangelischen Kirche schrieb St. den „Offenen Protest gegen des römisch-katholischen Pfarrers, Herrn E. Machatschek zu Chemnitz, Angriffe auf den Charakter … Luther’s und die evangelisch-lutherische Kirche“ (1862) und „Warum kann die evangelische Kirche mit dem römischen Stuhl nie eins werden?“ (1869). Am meisten Verbreitung erlangten Stichart’s geschichtliche Schriften, die im Volkstone gehalten sind. Bereits 1841 und 1842 veröffentlichte er die „Chronik von Werdau“ (2. Aufl. 1865), der im Jahre darauf das Schriftchen „M. Paulus Odontius aus Werdau oder jesuitische Verfolgungswuth und evangelischer Glaubensmuth. Eine rührende (sic !) Geschichte der Vorzeit“ folgte. In den Schriften des Zwickauer „Vereins zur Verbreitung von Volksschriften“ erschienen seine „Betrachtungen über den Selbstmord“ (1843), „Joseph und seine Brüder“ (1843), „Frauenspiegel“ (2 Bändchen, 1845), „Kirchenpforte oder Belehrung über die heiligen Tage, Orte und Gebräuche der Christen“ (1846, 2. Aufl. 1859), „Namensbüchlein. Kurze Belehrung über die Taufnamen für den Bürger und Landmann“ (1849, 2. Aufl. unter dem Titel: Wie soll unser Kind heißen? Dresden 1874). Nachdem St. aus Anlaß des sächsischen Reformationsjubiläums im J. 1839 die „Kirchliche Chronik der 3. kirchlichen Säcularfeier der Einführung der Reformation in Sachsen“ (1841) herausgegeben hatte, veranlaßte ihn die Lutherfeier des Jahres 1846 zur Veröffentlichung einer Schrift über „D. Martin Luther’s Tod“ (1845) und des Berichts „Sachsens Todtenfeier zu D. M. Luther’s Gedächtniß im Februar 1846“ (1847 im Selbstverlage). 1861 erschien „Die kirchliche Legende über die heiligen Apostel“, 1870 „Erasmus von Rotterdam. Seine Stellung zur Kirche und zu [165] den kirchlichen Bewegungen seiner Zeit“. In den sächsischen Schulen wurden Stichart’s Lehrbücher über die vaterländische Geschichte viel gebraucht: „Das Königreich Sachsen und seine Fürsten. Preisschrift. Auf Anordnung des königl. Ministeriums des Cultus und öffentl. Unterrichts gedruckt“ (1854, neue Ausgabe von Köhler, 1889), „Sächsische Vaterlandskunde für den Schulgebrauch“ (1864, 6. Aufl. 1874) und die „Galerie der sächsischen Fürstinnen“ (1857). – St. vermählte sich 1834 mit Johanne Emilie Liebhold. Dieser Ehe entsprangen drei Kinder, von denen der Maler Alexander St. in Dresden lebt.

A. H. Kreyßig, Album der evangelisch-lutherischen Geistlichen im Königreich Sachsen S. 222. 430. Dresden 1883. – Sächsisches Kirchen- und Schulblatt, Jahrgang 1883, Sp. 153. – W. Haan, Sächsisches Schriftsteller-Lexikon S. 330 f. Leipzig 1875, wo die meisten Schriften, wie die zahlreichen Zeitschriften, deren Mitarbeiter St. war, verzeichnet sind. Hinzuzufügen ist u. a., daß er den 24.–26., die Jahre 1877–79 umfassenden Jahrgang der von K. Matthes begründeten „Kirchlichen Chronik“ herausgab (Hamburg, Haendcke und Lehmkuhl).