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Artikel „Stainer, Jacobus“ von Wilhelm Joseph von Wasielewski in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 413–414, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stainer,_Jacobus&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 22:21 Uhr UTC)
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Stainer: Jacobus St. (Steiner), der ausgezeichnetste deutsche Geigenmacher, geboren am 14. Juli 1621[WS 1] im tiroler Dorfe Absam bei Hall, wurde als Knabe zur Erlernung des Orgelbaues nach Innsbruck gegeben. An Geschick für diesen Beruf fehlte es ihm nicht, wol aber an den dafür erforderlichen Körperkräften, weshalb er seinen Lehrmeister bald wieder verließ, um sich dem weniger anstrengenden Streichinstrumentenbau zu widmen. Durch den Absamer Ortsgeistlichen, welcher sich für St. interessirte, wurde es demselben ermöglicht, nach Cremona, der Metropole des italienischen Geigenbaues zu gehen. Dieser Ort hatte damals bereits große Berühmtheit durch die Thätigkeit der Amati’s erlangt, und als St. sich dahin begab, stand gerade der bedeutendste Sproß jener Familie, Nicolaus Amati, geboren 1596, gestorben 1684, auf dem Höhepunkt seines Wirkens. Es wird behauptet, daß St. Schüler desselben wurde. Doch erscheint dies zweifelhaft, da die Form der Stainer’schen Instrumente sich in wesentlichen Punkten von der des Amati unterscheidet. Indessen dürfte St. sich [414] die sorgfältige und äußerst saubere Ausführung der Amati-Geigen zum Vorbild genommen haben. Man unterscheidet in Stainer’s Thätigkeit drei verschiedene Zeiträume. Der erste derselben fällt mit seinem Aufenthalt in Italien zusammen, der zweite (1650–67) betrifft die mittlere und der dritte die letzte Periode seiner Arbeitszeit. Die in der ersten und letzten Epoche entstandenen Instrumente gelten als die besten, während die dazwischen gebauten von geringerer Güte sind, weil sie fabrikmäßig hergestellt wurden. Vornehmlich verfertigte St. Violinen, Violen und Gamben. Violoncelle sind von ihm mit Sicherheit nicht nachzuweisen. Eine Anzahl seiner Gamben hat man aber, nachdem diese außer Gebrauch kamen, zu Violoncellen umgewandelt. Eine Besonderheit vieler Stainer’scher Instrumente besteht darin, daß sie anstatt der Schnecke einen geschnitzten Löwenkopf haben. Durch seine Leistungen wurde St. der Begründer einer specifisch deutschen Geigenbauschule, die heute noch in dem bairischen Orte Mittenwald fortlebt.

Von den Zeitgenossen wurden Stainer’s Erzeugnisse sehr geschätzt, wie auch seine 1669 erfolgte Ernennung zum kaiserlichen Hofinstrumentenmacher beweist. Gegenwärtig erkennt man seinen Violinen, die einen zwar angenehmen, aber kleinen und etwas spitzen Ton haben, keinen besonderen Werth mehr zu. Aber noch bis zum Beginn unseres Jahrhunderts waren sie außerordentlich beliebt, und Manche stellten sie sogar über die Stradivari-Geigen, welche jetzt bekanntlich als die besten und kostbarsten gelten.

Das äußere Leben Stainer’s war kein glückliches. Nachdem er im Alter von etwa zwanzig Jahren aus Italien heimgekehrt war, und sich in seinem Geburtsorte Absam niedergelassen hatte, schloß er 1645 mit Margarethe Holzhammer die Ehe, welche reichlich mit Kindern gesegnet wurde. Da er aber für seine Instrumente nur sehr mäßige Preise erhielt, – angeblich bekam er für eine Violine nicht mehr als sechs Gulden –, so gerieth er allmählich in Bedrängniß und Noth. Dazu kam, daß er von seiten des Clerus wegen vermeintlicher Ketzerei Verfolgungen zu erleiden hatte. Alle diese Widerwärtigkeiten versetzten ihn in tiefe Schwermuth, die sich schließlich bis zum Wahnsinn steigerte, welcher seinen Tod im J. 1683 herbeiführte.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. nach neuesten Forschungen: geboren nach September 1618, gestorben im späten Oktober oder frühen November 1683; siehe Rudolf Hopfner (Hg.): Jacob Stainer – „… kayserlicher diener und geigenmacher zu Absom“, Ausstellungskatalog Schloss Ambras, Innsbruck 2003