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Artikel „Stackdorn, Veridor von“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 777, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stackdorn,_Veridor_von&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 03:22 Uhr UTC)
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Stackdorn *): Veridor v. St. nennt sich der Erzähler einiger satirischen „Gesichte“, die sich ausdrücklich auf das Vorbild Philander’s v. Sittewald berufen. Da ein Geschlecht des Namens St. unbekannt ist, da Veridor ferner ein paar Mal als Bewohner von „Alexandria“ erscheint, so ist es wahrscheinlich, daß Veridor v. St. ebenso nur der erfundene Träger jener „Gesichte“ ist, wie Philander v. Sittewald bei Moscherosch. Sie verdienen jedenfalls eine stärkere Beachtung, als die Litteraturgeschichte sie ihnen bisher geschenkt hat. Die drei in Leipzig bei Joh. Erich Hahn 1664 gedruckten Bändchen bilden nur den Anfang einer groß angelegten Beschreibung des teuflischen Reichs, das nach St. in 54 Provinzen unter 54 Obersten zerfällt; jeder Oberteufel rekrutirt die Bewohner seines Reiches durch ein bestimmtes Laster. St. wird im Scheintod zunächst in die Provinz des Uneinigkeitsteufels Barbatos versetzt, von der großen Sünderin Thais, die die Teufel schonen, da sie ihnen soviel Seelen gewonnen hat, eingeführt und gastlich durch alle Zellen des Gebietes geleitet; die Martern der Verdammten, die ausführlich ausgemalt werden, sind meist lange nicht so gräßlich, wie die Vorgeschichten ihrer grauenhaften irdischen Frevel. Von Barbatos wandert St. im zweiten Theile in das Doppelreich des Eligor und Permalfar, des Soldaten- und Verzweiflungsteufels, und entwirft da eine Schilderung des Landsknechtstreibens, gegen die Moscherosch’s „Soldatenleben“ das unschuldigste Kinderspiel ist. Der dritte Teil, „Belfry, das ist: der Goldmacher-Teufel“, bewegt sich vorzugsweise in den Kreisen der Rosenkreuzer und bietet durch detaillirte Schilderung von allerlei widerwärtigem und sündhaftem Aberglauben, Zaubereien u. s. w. lehrreiches, anscheinend noch unbenutztes culturhistorisches Material. Stackdorn’s consequente Einkleidung läßt sich, wenn ihr nicht eine mir entgangene Quelle zu Grunde liegt, aus der reichen und wüsten deutschen Teufelslitteratur (z. B. aus Kurandors Schoristen-Teufel) im Bunde mit Moscherosch’s „Schergenteufel“ und „Höllenkindern“ recht wohl ableiten. Nicht so sein Ton, der sich der üblichen salbungsvollen Lehren mehr als andere enthält. Der Autor der Stackdorn’schen Gesichte, der auch sprachlich einiges Interesse erregt, schwelgt mit ekelhaftem Behagen in den allerscheußlichsten Greueln; ich kenne wenige Bücher, die so nach Blut und Kot riechen, wie die beiden ersten „Gesichte“ Stackdorn’s. Doch auch das einförmige Uebermaß von Widerwärtigkeiten ist langweilig, und stilistische Kunst, wechselreiche Gestaltungskraft besitzt St. nicht. Er will Moscherosch offenbar durch seinen sensationellen Stoff überbieten; aber er überschraubt seine kranke Phantasie und entfernt sich viel zu weit vom Leben, um irgendwie Anschauung und Ueberzeugungskraft zu behalten. So blieb er trotz seiner Speculation auf die gröbste Nervenerregung ziemlich unbeachtet, und die mangelnde Gunst des Publicums mag ihn von der weitern Ausführung seiner „Gesichte“ abgehalten haben.

St. wird meines Wissens nur von Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung II², 482, und von Menzel, Geschichte der deutschen Dichtung II, 363, erwähnt.

*) Zu S. 339.