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Artikel „Springinklee, Gregor“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 776–777, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Springinklee,_Gregor&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:25 Uhr UTC)
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Springinklee *): Gregor S. nennt sich der Dichter eines geistlichen Liedes, von dessen 28 Strophen die 24 mittleren mit ihren Anfangsbuchstaben das ABC bilden; diese Spielerei, den Akrostichen verwandt, ist keineswegs selten. Die Sprache der durchweg Nürnberger Drucke des Liedes würde einer Nürnberger Herkunft im allgemeinen nicht widersprechen: der in Str. 25 enthaltene Reim Got: solt, der freilich schwäbisches Gepräge trägt, beweist nicht viel, da auch sonst Reimreinheit nicht die Stärke des Dichters ist. Daß seine Technik nicht streng zur meistersingerischen Art stimmt, trotzdem er die Silben zählt, das erweist von einer besseren Seite her die verhältnißmäßig leidliche Uebereinstimmung von Wort- und Versbetonung, die allerdings offenbar mehr auf instinctivem Trieb als auf bewußt befolgter Regel ruht. Das Lied ist, wie es technisch heißt, ‚zusammen getragen‘ oder ‚zusammen gezogen‘, d. h. es versificirt nicht eine bestimmte Bibelstelle, sondern baut sich in verhältnißmäßig selbständigem Gedankengang auf einer Reihe verschiedener Bibelcitate auf: wesentlich Lehren und Gebote, die sich aber weder an die Folge, noch an den Inhalt der Zweitafelgebote anschließen. Die Drucke sind nicht vor 1550 entstanden; das Lied wird kaum viel älter sein. Der Autor ist entschiedner Lutheraner: er freut sich, daß das göttliche Wort wieder frei ertönen dürfe, und mahnt alle Mühseligen und Beladenen, nicht auf die dreifaltige Krone, nicht auf Mönchthum und andere Orden sich zu verlassen, sondern einzig auf Gott selbst; die Heuchler läßt er auf die Lutherischen schimpfen. Nur an solchen polemischen Stellen wird S. belebter: im übrigen erhebt er sich nicht über die lehrhafte Ruhe der vielen derartigen geistlichen Lieder.

Es lag nahe, unsern Dichter in Verbindung zu bringen mit dem gleichnamigen Messerschmied Gregorius S., den Ayrer in seiner handschriftlich zu Wolfenbüttel befindlichen Bamberger Reimchronik rühmend erwähnt. Nach Ayrer führten die Messerschmiede beim Einzug Kaiser Maximilian’s II. in Nürnberg 1570 ein ehrendes Wappen, das sie der Großthat jenes S. verdankten: ihm, der in Prag begraben liege, habe ein Kaiser, dem er in einer fast verlorenen Schlacht bei Prag durch unerhört muthige Entschlossenheit Leben und Sieg gerettet, [777] jenes Wappen für alle Handwerksgenossen verliehen. Da sich diese Notiz doch wol nur auf Vorkommnisse der Hussitenkriege beziehen kann, so mag jener Messerschmied ein Ahn unseres Dichters gewesen sein. Daß gerade Ayrer jene Heldenthat rühmt, würde sich besonders gut erklären, wenn die Nachkommen des muthigen Schmiedes in Nürnberg lebten.

Springinklee’s Lied steht in Ph. Wackernagel’s ‚Deutschem Kirchenlied‘ III, 947 ff.; die bibliographischen Nachweise in Wackernagel’s ‚Bibliographie z. Geschichte d. dtschn. Kirchenlieds‘ Nr. DCI. DCII. – Vgl. Goedeke, Grundriß² II, 546. – Eine Abschrift der hergehörigen Stelle aus Ayrer’s Bamberger Chronik danke ich der Güte Dr. Milchsack’s in Wolfenbüttel.

[776] *) Zu S. 321.