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Artikel „Stöckel, Leonhard“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 282–283, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:St%C3%B6ckel,_Leonhard&oldid=- (Version vom 23. April 2024, 08:58 Uhr UTC)
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Stöckel: Leonhard St., protestantischer Dramatiker des 16. Jahrhunderts. Aus Bartfeld in Ungarn gebürtig, bezog er im Winter 1531–32 die Wittenberger Universität, kehrte dann in seine Vaterstadt zurück und wurde 1539 Rector des dortigen Gymnasiums. In dieser Stellung, die er bis zu seinem Tode im J. 1560 bekleidete, führte er das protestantische Schuldrama in Bartfeld ein. Zwar erwähnen die 1540 von ihm verfaßten Gesetze des Gymnasiums noch nichts davon; aber 1553 wurde von seinen Schülern der terenzische Eunuchus lateinisch und ein deutsches Spiel von Kain und Abel (Chnustinus 1539) dargestellt; 1554 verzeichnen die Bartfelder Stadtrechnungen eine deutsche comoedia incontinentis et per legem Mosis damnati filii, in der wir Culman’s Drama von 1539 wiedererkennen, 1555 und 1558 ein Josephdrama (Greff oder Betulius?), 1556 eine germanica comoedia vidue (vielleicht Greff’s Judith), endlich 1559 eine deutsche Susanna. – Das letztgenannte Stück war eine eigne Dichtung Stöckel’s, der es auch alsbald im Druck erscheinen ließ: „Historia von Susanna in Tragedien weise gestellet“ (Wittenberg, H. Lufft, 1559. 8°). In der am 7. Februar unterzeichneten Widmung an den Breislauer Rathsherrn [283] J. Mornberger erzählt er, wie seine Schuljugend „jr zu jrer vbung furgenomen hette, auf dis jar die geschicht von Susanna zu handeln, vnd mir etlicher Scribenten Composition furbracht,“ wie er sich aber selber im Dichten habe versuchen wollen; im Prologe entschuldigt er sich, daß die Aufführung nicht in lateinischer Sprache stattfinde. In der Composition und auch in Einzelheiten lehnt er sich durchaus an die lateinische Susanna des Betulius (1537) an; wo er von seinem Vorbilde abweicht, wird er fast immer geschmacklos. Der erste Act verliert an dramatischer Wirkung, weil St. aus einer an sich löblichen Scheu vor dem anstößigen Eindrucke den Ueberfall im Bade nicht vorführt, sondern nur die Heldin ihren Mägden davon erzählen läßt; auch die beiden Alten rufen nicht sofort Zeter und klagen sie des Ehebruchs an, sondern treten erst im folgenden Acte als Ankläger auf. Die Gerichtsverhandlung wird sehr breit ausgeführt; für Susanna antwortet ihr Advocat. Ungeschickt ist auch, daß die überführten Sünder sich ihrem früheren Charakter zuwider als durchaus verstockt zeigen und den Priester, der sie zur Reue mahnt, verspotten. Die Sprache ist leidlich fließend; Stichomythie und Versbrechung sind öfter verwandt, dagegen fehlen ganz die Chorlieder. Ein beigefügtes Epigramm von G. Purkircher deutet Susanna auf die vom Papst und Türken bedrohte Kirche um.

Goedeke, Grundriß2 II, 405. – Pilger, Zeitschrift f. deutsche Philologie XI, 175 f. – E. Abel, Ungarische Revue IV, 670 f. – Album academiae Vitebergensis ed. Förstemann S. 141.