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Artikel „Sonnin, Ernst George“ von Carl Bertheau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 637–638, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sonnin,_Ernst_George&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 23:15 Uhr UTC)
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Band 34 (1892), S. 637–638 (Quelle).
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Sonnin: Ernst George S., der geniale Erbauer der großen St. Michaelis-Kirche in Hamburg, ist am 10. Juni 1713 zu Quitzow in der Nähe von Perleberg in der Priegnitz geboren. Sein Vater, Johann S., war v. J. 1708 bis 1713 Pastor zu Mertensdorf gewesen und ward im J. 1713 nach Quitzow versetzt; hier wurde ihm unser S. als drittes Kind und zweiter Sohn geboren. Seine Mutter war Rahel Elisabeth geb. Struensee. Der Vater stand bis 1725 in Quitzow; ob er in diesem Jahre nach Perleberg (an die St. Spiritus-Kirche?) versetzt ist, mag wegen Unsicherheit der Angabe dahingestellt bleiben; jedenfalls scheint er bald, nachdem er Quitzow verließ, gestorben zu sein. Im J. 1725 war in Altona eine große lateinische Stadtschule (nicht das Christianeum, das erst 1738 gegründet ist) eröffnet worden; an sie war Johann Cruse aus Perleberg als Conrector berufen. Wahrscheinlich war Sonnin’s Vater mit Cruse befreundet gewesen, so daß die Versetzung Cruse’s nach Altona es veranlaßte, daß S. nach dem Tode seines Vaters von seiner Mutter nach Altona zum Besuch der Schule geschickt wurde. Ob dies in Sonnin’s 12. Jahre geschah, wie gewöhnlich gesagt wird, oder später, läßt sich nicht mehr ausmachen. Cruse, der, so lange S. in Altona war, Conrector blieb, (erst 1735 ward er Rector und 1737 Pastor in Neuenbrok) scheint Sonnin’s Studien geleitet zu haben; in den alten Sprachen, sowie im Hebräischen hat S. Tüchtiges gelernt; außerdem trieb er besonders Mathematik. Er wohnte bei einem Töpfer Behn; mit dem Lehrburschen desselben, Cord Michael Möller, der sich später als Maler blauer Kacheln auszeichnete, schloß S. hier eine Freundschaft, die bis zum Tode Möller’s (um 1775) beide eng verbunden bleiben ließ. Beide förderten einander; S. ward von Möller vor allem im praktischen Zeichnen unterwiesen, während dieser von jenem in der Mathematik und im perspectivischen Zeichnen unterrichtet ward. Im Herbst 1734 ging S. darauf wohl vorbereitet zum Studium der Theologie nach Halle; er ist hier am 9. December 1734 inscribirt. Er soll hier wegen seiner ausgezeichneten Fertigkeit im Lateinischen von Joachim Lange (A. D. B. XVII, 634) zum Lehrer seiner Söhne angenommen sein. Das Studium der Theologie gab S. nach einiger Zeit auf, angeblich weil er glaubte, den Eid auf die symbolischen Bücher (?) nicht leisten zu können; er wandte sich der Philosophie und ganz besonders der Mathematik zu. Von Halle ging er nach der gewöhnlichen Annahme nach Jena; doch ist er in dieser ganzen Zeit (von 1729–1743) nicht in Jena inscribirt. Nachdem er seine Studien vollendet, zog er nach Hamburg; diesen Ort wählte er wohl, weil sein Freund Möller sich inzwischen hier niedergelassen hatte; zu ihm zog S. ins Haus und bis zu Möller’s Tode haben sie auch nur ein gemeinschaftliches Hauswesen gehabt; sie blieben beide unverheirathet. S. gab zunächst, um seinen Unterhalt zu erwerben, Unterricht im Lateinischen und in der Mathematik, doch beschäftigte er sich daneben mit mechanischen Arbeiten, und diese Thätigkeit ward dann immer mehr sein eigentlicher Beruf. Er verfertigte Uhren, Globen, Maschinen und Instrumente der verschiedensten Art, ganz besonders auch optische. Als er auf diese Weise sich schon in weiten Kreisen vortheilhaft bekannt gemacht hatte, begann er auf Rath eines angesehenen Gönners sich auf das Studium der Bauwissenschaft zu legen. Der erste Bau, dessen Leitung ihm dieser Freund verschaffte, war der einer Bierbrauerei in Altona, der zweite, der ihm übertragen ward, war der der großen St. Michaelis-Kirche in Hamburg. In dem Thurm dieser Kirche hatte am 10. März 1750 ein Blitzstrahl gezündet und in wenigen Stunden war die ganze Kirche, die nur 89 Jahre gestanden hatte und für die schönste Kirche Hamburgs galt, eingeäschert. Schon bei der Untersuchung der Ruinen des Thurmes bewährte sich Sonnin’s richtiger Blick; als es sich darum handelte, einen Baumeister für den Neubau zu wählen, kam schließlich, nachdem die Vorschläge [638] einiger auswärtiger Architekten abgewiesen waren, außer S. nur noch Johann Bernhard Prey in Betracht. Für letzteren sprach, daß er vor wenigen Jahren den Bau der Kirche in St. Georg vor Hamburg zu allgemeiner Zufriedenheit ausgeführt hatte; doch war er namentlich wegen seines Charakters nicht allgemein beliebt. Gegen S. sprach, daß er noch nichts Rechtes an Gebäuden bisher ausgeführt hatte. So geschah es denn, daß man beide, Prey und S., gemeinschaftlich zu Baumeistern wählte (am 3. December 1750). Es führte das zu manchen Mißhelligkeiten; S. war seinem Collegen in allen Stücken überlegen, zeigte aber auch oftmals im Bewußtsein, das Bessere zu wollen, einen Starrsinn, der den Umgang mit ihm nicht leicht machte. Im ganzen ist die Kirche Sonnin’s Werk, dessen Ansichten und Pläne fast immer angenommen wurden, und der denn auch, als Prey am 1. December 1757 gestorben war, den Bau allein fortführte; doch hat S. auch von Prey gelernt und ist während der Arbeit selbst, wie es bei einem so strebsamen und besonnenen Künstler nicht anders sein kann, an Einsicht und Fertigkeit gewachsen. Der Bau litt mehrfach Unterbrechungen, theils weil die Mittel ausgingen, theils weil man sich über wichtige Punkte nicht einigen konnte; so verzögerten namentlich die Verhandlungen über die Construction des Gewölbes und des Daches den Bau bedeutend. Am 19. October 1762 konnte dann die Kirche eingeweiht werden; aber noch hatte sie keinen Thurm. Im J. 1776 ward S. auch zum Baumeister des Thurmes angenommen; nach zehn Jahren war er vollendet, am 31. October 1786 wurde er eingeweiht. S. hatte auch beim Thurmbau allerlei böse Nachreden zu dulden; höchst interessant ist ein Brief Sonnin’s vom 14. August 1780 an den Senator Wagener, in welchem er sich siegreich gegen alle Einwürfe seiner Gegner vertheidigt (abgedruckt von Geffcken in der Zeitschr. des Vereins für hamb. Geschichte, Band 4; s. unten). Daß die St. Michaelis-Kirche ein architektonisches Meisterwerk ist, wird heute niemand leugnen; die große Kreuzkirche mit dem hohen Gewölbe und ihrer unvergleichlich schönen Akustik ist für den protestantischen Gottesdienst außerordentlich geeignet; S. hat sich in ihr ein großartiges Denkmal gesetzt. Von den übrigen Bauten Sonnin’s mögen hier nur erwähnt werden die Kirchen in Rellingen, in Niendorf, in Wilster, in Herzhorn und in Cappeln; Privatbauten führte er in Hamburg, in Kiel und in Wilster aus. Besonderes Aufsehen erregte die Art, wie er einige Thürme wieder gerade richtete, und ein Reparaturbau am Rathhause zu Hamburg. Am Anfang der siebenziger Jahre arbeitete er vielfach in Lüneburg; hier hat er namentlich durch ein Stangenwerk für den Betrieb der Saline sich berühmt gemacht. Er starb am 8. Juli 1794 im Alter von 81 Jahren.

Biographische Angaben über S. veröffentlichte Johann Theodor Reinke (A. D. B. XXVIII, 88) zuerst anonym in Friedrich Schlichtegroll’s Nekrolog auf das Jahr 1794, 2. Band, Gotha 1796, S. 1 bis 33. Später gab derselbe heraus: Lebensbeschreibung des ehrenwerthen Ernst Georg Sonnin, Baumeisters und Gelehrten in Hamburg. Herausgegeben von seinem Zöglinge Johann Theodor Reinke, Hamburg 1824. Die Angaben Reinke’s über Sonnin aus der Zeit vor 1750 sind aber höchst ungenau, oft geradezu falsch. Trotzdem sind sie bisher überall wiederholt, auch in den gleich zu nennenden Arbeiten von Geffcken und Faulwasser. – Hamburgisches Künstlerlexikon I, 235 ff. – J. Geffcken, Ernst George Sonnin als Baumeister der St. Michaelis-Kirche, in der Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte, 4. Band, Hamburg 1858, S. 185 bis 205. – Lexikon der hamburgischen Schriftsteller VII, 235 f. – Johannes Geffcken, Die große St. Michaelis-Kirche in Hamburg, 2. Aufl., Hamburg 1862, S. 58 ff. – Julius Faulwasser, Die St. Michaelis-Kirche zu Hamburg, Hamburg 1886.