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Artikel „Selle, Thomas“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 684–685, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Selle,_Thomas&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 08:14 Uhr UTC)
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Selle: Thomas S. (Sellius), ein sehr fleißiger und tüchtiger Componist des 17. Jahrhunderts, geboren am 23. März 1599 zu Zörbig in Sachsen (auf dem Druck von 1624 liest man „Cervicca-Saxone“, auch „Zervicca“), † am 2. Juli 1663 zu Hamburg. Ueber seinen Bildungsgang sind wir nicht unterrichtet, da er aber Schulcollege zu Weslingsbüren (Wesselburen in Ditmarschen) und seit etwa 1624 zu Heide war (Scholae Heidanae p. t. Collega bezeichnet er seine Stellung), so gibt uns dies den Beweis, daß er studirt hatte und ein im alten Sinne gelehrter Cantor war. Die biographischen Lexika nennen ihn einen Rector, doch ist dies unerwiesen, und er wird auch in Wesselburen nur vierter Schulcollege gewesen sein. Seit 1624 trat er als Componist an die Oeffentlichkeit und gab in diesem Jahre in Hamburg zwei Sammlungen dreistimmiger Lieder in „Concertweise nach jetziger newen Manier componieret“ heraus. 1627 folgte diesen „10 geistliche Concertlein mit 1. 2. 3. und 4. Stimmen zusampt dem Basso continuo auff jetzo hin und wieder gebraeuchliche italianische Invention“. 1630, 1631, 1634–1639 erschienen stets in Hamburg ähnliche Compositionen, dabei auch eine Sammlung Instrumentalstücke zu 5 und 6 Stimmen. (Sämmtliche Werke besitzt die Stadtbibliothek in Hamburg. Einzelnes in Breslau, Hannover, Berlin, Wien, Königsberg, Wernigerode, Leipzig und München.) Diese fruchtbare Compositionsthätigkeit trug natürlich seinen Namen in weite Kreise. Im Jahre 1636 berief man ihn als Cantor nach Itzehoe in Holstein und ein Jahr später ans Johanneum in Hamburg. Sein Ansehen als Componist stieg immer höher, so daß man ihn mit Schütz und Schein, als die berühmten drei S, zusammenstellte. 1641 wurde er in Hamburg zum Stadtcantor und Canonicus minor am Dome ernannt und bald darauf erhielt er das Prädicat: städtischer Musikdirector, die höchste amtliche Stellung als Musiker in Hamburg. Rist bezeichnet ihn in seinem Parnaß von 1649, S. 76, auch als Organist an der St. Katharinenkirche, ob mit Recht, ist bis jetzt unerwiesen; doch konnte Rist es wohl wissen. Vielleicht bekleidete er diese Stelle nur vorübergehend, da alle anderen Quellen darüber schweigen. Seine letzten Werke erschienen im Jahre 1655, von da ab scheinen die vielfältigen Amtspflichten und vielleicht auch Kränklichkeit seinen Schaffenstrieb geschwächt zu haben. Auch im Manuscript besitzt die Stadtbibliothek in Hamburg noch einen beträchtlichen Theil seiner Werke, darunter auch eine „Kurze Anleitung zur Singekunst“. Wie behaglich sich S. in Hamburg gefühlt haben muß, beweist sein Testament, in welchem er der Stadt seine ganze reichhaltige Bibliothek [685] vermachte. Auch Rist, der geistliche Liederdichter, zog ihn zur musikalischen Mitarbeit heran, und dies bewog S., sich auch dem Kirchenliede zuzuwenden und Choralmelodien zu schaffen, die aber, wie Winterfeld im evang. Kirchengesang II, 390 nachweist, keine weitere Verbreitung gefunden haben. Er findet die Ursache theils in den Melodien selbst, von denen er in den Musikbeispielen Theil II Nr. 154–157 vier mittheilt, theils auch in der Zeit im allgemeinen, die nicht gern von den allbekannten und eingeprägten Melodien ließ. S. schuf zu den beiden Rist’schen Liederbüchern „Sabbathische Seelenlust“ 1651 und „Neue musikalische Fest-Andachten“ von 1655 die beträchtliche Zahl von 110 Melodien mit einem Baß versehen. 5 davon fanden 1683 in P. Sohr’s[WS 1] Musikalischem Vorschmack Aufnahme. Auch in König’s[WS 2] Harmonischem Liederschatz sind 2 Melodien von S. aufgenommen und endlich eine im 2. Theile von Freylingshausen’s Gesangbuch von 1714 (siehe Näheres bei Winterfeld l. c. bis S. 400). Selle’s zahlreiche übrigen Compositionen harren noch der Prüfung und einer Uebertragung in Partitur; sie allein wären geeignet die hohe Meinung seiner Zeitgenossen über sein Compositionstalent zu rechtfertigen und zu erklären, denn wer mit Schütz auf eine Stufe gestellt wird, muß schon ein ganz hervorragender Componist gewesen sein.

Mattheson, Ehrenpforte 836. 898. – Sittard, Gesch. der Musik in Hamburg S. 30.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Peter Sohr(en) (um 1639–um 1692)
  2. Johann Balthasar König (1691–1758)