Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Sebregondi, Maria Lenzen geb. di“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 509–510, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sebregondi,_Maria_di&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 16:59 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Sebus, Johanna
Band 33 (1891), S. 509–510 (Quelle).
Maria Lenzen bei Wikisource
Maria Lenzen in der Wikipedia
Maria Lenzen in Wikidata
GND-Nummer 116918039
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|33|509|510|Sebregondi, Maria Lenzen geb. di|Franz Brümmer|ADB:Sebregondi, Maria di}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116918039}}    

Sebregondi: Maria Lenzen geb. di Sebregondi, nennt sich eine Schriftstellerin, die vornehmlich in der katholischen Welt große Beachtung gefunden hat. Sie wurde am 18. December 1814 zu Dorsten in Westfalen als die Tochter eines hochgebildeten Arztes geboren und erhielt ihren ersten Unterricht im elterlichen Hause durch Privatlehrer, besonders durch einen Großoheim, der früher Guardian im Minoritenkloster zu Soest gewesen war. Schon mit sieben Jahren regten sich die poetischen Schwingen des jungen Mädchens, das für seine erdichteten Erzählungen, die es seinen Gespielinnen unter dem Titel „Bedenkselchen“ vortrug, ein dankbares Auditorium fand. Elf Jahre alt, kam Maria in das Pensionat der Ursulinerinnen zu Dorsten, dessen geistlicher Director Rive ein ausgezeichneter Erzieher war, der weniger Werth auf die Menge des Wissenswerthen legte als auf die Förderung der Lernlust und Bildungsfähigkeit, welche die Zöglinge anregen sollten, ihre Erziehung im Laufe der Zeit selbst zu vollenden. In diesem Institut blieb Maria bis zum 14. Jahre, worauf sie in das Elternhaus zurückkehrte, um unter der Leitung der Mutter in die Pflichten der Hausfrau eingeweiht zu werden. Zwei Jahre später verlobte sie sich mit dem Referendar G. Lenzen aus Köln und folgte ihm 1833 als seine Gattin nach Elberfeld, wo er sich als Advocat-Anwalt niedergelassen hatte. Doch war das eheliche Glück nur von kurzer Dauer; denn schon nach zehn Monaten starb der Gatte am Typhus, und Maria kehrte nun wieder ins Elternhaus zurück. Nach einigen Jahren, welche die Wittwe ihrer Gesundheit lebte, nahm sie dann die ihr schon in früher Jugend lieb gewordene Beschäftigung wieder auf; sie schrieb nieder, was ihre Seele bewegte, und so entstanden seit 1840 eine Reihe von Novellen und Romanen, die von der Kritik beifällig aufgenommen wurden, als „Nekodas, oder die Zerstörung Jerusalems“ (1841), „Melete, oder der Sieg des Glaubens“ (1842), „Angela, die brave Tochter. Marcell, der brave Sohn“ (1842), „Die Bettler in Köln“ (III, 1843), „Glandorf“ (III, 1844), „Ciullo d’Alcamo“ (III, 1845), „Magnus Krafft“ (1847). Dann ruhte auf viele Jahre die Feder der Schriftstellerin. Diese hatte sich 1848 mit dem Geh. Domänenrath ten Brink in Anholt vermählt, war glückliche Mutter eines Knaben geworden und glaubte die häuslichen und mütterlichen Pflichten ungleich höher stellen zu müssen als die Schriftstellerei. Erst nachdem sie ihren Sohn zur Fortsetzung seiner Studien aus dem Elternhause entlassen, nahm sie mit erneuter Freude ihre Lieblingsbeschäftigung wieder auf. Sie ist derselben auch nicht wieder untreu geworden, ja sie fand in ihr zum zweitenmale Trost und Erquickung, als sie im Jahre 1875 ihren zweiten Gatten durch den Tod verlor. Ihre Schriften aus dieser zweiten Periode sind „Das erste Jahr“, ein Cyclus von Gedichten für junge Mütter (1872), die Novellensammlungen „Aus der Heimath“ (II, 1871), „Zwischen Ems und Wupper“ (1872), „Schloß und Heide“ (II, 1876), „Vor einem halben Jahrhundert“ (1881), „Unter Sommerlaub und Winterschnee“ (1881), „Blumen der Heide“ (1887) und die Romane „Das Fräulein aus dem Sassenreich“ (1876), „Geheime Schuld“ (1879), „Sunehild“ (1879), „Eine Heideblüthe“ (1881), „Trüber Morgen, goldener Tag“ (1884). Maria Lenzen behielt nach dem Tode ihres zweiten Gatten ihren Wohnsitz in Anholt bei und ist daselbst am 11. Februar 1882 gestorben. – Die Bedeutung, welche diese erzählende Dichterin erlangt hat, liegt vorzugsweise in ihren Novellen begründet; denn in keiner derselben werden jene Eigenschaften vermißt, welche ein Erzähler besitzen muß. „Eine fruchtbare Phantasie und Erfindungsgabe, lebhaftes Gefühls- [510] und Empfindungsvermögen, gut geschultes Darstellungstalent und endlich ein reicher Wissensschatz machen sie zu einer nicht gewöhnlichen Erscheinung. Zwischen den älteren und neueren Erzählungen besteht ein bemerkenswerther Unterschied. In jenen wiegt das stoffliche Interesse vor; die Handlung ist vielfach verschlungen, äußerlich wirkende Thaten bilden den Hauptinhalt. Das Seelenleben tritt nicht beherrschend in den Vordergrund, wenn aber, dann sind es erregende, ja grauenhafte Seelenzustände, Mord, verbrecherische Liebe, Entführung, Elternmord sind die scharfen Bestandtheile ihrer belletristischen Gerichte. Dagegen legte sie in den Arbeiten der zweiten Periode das Hauptgewicht auf die Darstellung interessanter Charaktere und auf die Entwickelung ergreifender Seelenzustände. Die Dichterin hatte sich durchaus verinnerlicht. Die Seelenbewegungen in den verschiedenen Lagen des Lebens, namentlich das Fühlen und Denken des Weibes, die Liebe in ihrer ganzen Ausdehnung zu schildern, schien sie sich jetzt als Aufgabe gestellt zu haben. Und darin erreichte sie Großes. Während sie ferner in ihren älteren Erzählungen auf dem historischen Boden von Jerusalem, Griechenland, Florenz umherirrte und ihre Stoffe einer weit entlegenen Vergangenheit entnahm, bewegt sie sich in den neueren nur noch auf dem heimathlichen Boden der rothen Erde. Auch hier findet ihr kundiges Dichterauge Schönheiten der Natur, wie zahlreiche tüchtige Naturschilderungen beweisen. Heimathlicher Brauch und heimathliche Sitte geben ihren neueren Erzählungen eine bestimmte locale Färbung; namentlich ist der knorrige westfälische Adelige mit großer Anschaulichkeit vorgeführt. Aber die Dichterin beweist auch, daß sie die Gesetze künstlerischer Darstellungsweise kennt und weiß, in welcher Weise der Dichter auf die Phantasie der Leser wirken muß. Sie beschreibt daher die einzelnen Personen nicht mit kleinlicher Genauigkeit, zerfasert ihre Charaktereigenschaften nicht in kühl-verständiger Weise, sondern zeigt durch die Handlung, was und wie die Charaktere sind. Dadurch erhalten alle ihre neueren Erzählungen eine so sichere Haltung, und man fühlt sofort heraus, daß die Dichterin sich in gereifterem Alter ihrer schöpferischen Kraft völlig bewußt war“.

Handschriftliche Mittheilungen. – Heinr. Keiter, Katholische Erzähler der neuesten Zeit. 2. Aufl. Paderborn 1890, S. 219 ff.